Naher Osten: Zorn und Verzweiflung

Franz Breier jun.

Israel/Palästina ist der wichtigste dauerhafte Krisenherd der Erde. Vor Jahresende gab es eine Serie von Militärschlägen Israels, Selbstmordattentaten und gescheiterter Diplomatie. Die Ereignisse in Argentinien und der Kaschmir-Konflikt lenken medial etwas davon ab, dass die Lage am Toten Meer jederzeit explodieren kann.

Die Arbeitslosenquote in Israel beträgt offiziell neun Prozent. 2001 wurden 155.000 Jobs vernichtet. Die soziale Lage in den palästinensischen Gebieten und Flüchtlingslagern ist selbstredend noch schlimmer. Die tiefe Rezession ist nicht der einzige Spannungsherd. Die Konzentrationsregierung unter dem Rechtsaußen Sharon zeigt offene Uneinigkeit über die weitere Vorgangsweise, wobei die extreme Rechte das Tempo bestimmt. Außenminister Peres, der den Militärprovokationen Sharons skeptisch gegenübersteht, muss innerparteilich einen Rechtsruck zur Kenntnis nehmen. Verteidigungsminister und Hardliner Ben-Eliezer gewann die Wahl zum Chef der "Arbeitspartei" gegen den gemäßigten Kandidaten. Peres wertete die von Sharon und Ben Eliezer beschlossenen "Lockerungen" von Straßensperren in den Autonomiegebieten als "nur im Rundfunk" existent (lt. Standard vom 2.1.).
Die derzeitige Hauptfrage ist "Soll Arafat ausgeschaltet werden?". Peres Flügel fürchtet die drohende Machtübernahme der Hamas und eine weitere Verengung der Verhandlungsspielräume. Sharon legt die Karten offener auf den Tisch und setzt auf Israels militärische Macht - koste es, was es wolle. In beiden Fällen sind die Massen der Bevölkerung die Verlierer. Sie haben für die soziale und militärische Krise zu zahlen. "Maavak Socialisti", israelische Sektion des CWI, zur Stimmung in Israel: "Mit jeder neuen Welle tödlicher Selbstmordanschläge scheint sich die Reaktion von Schock zu Zorn und Verzweiflung zu verschieben." Realistisch stellt unsere Schwesterpartei fest: "Unser Programm, kein Vertrauen in die herrschende Klasse und ihre Politiker ... bietet keine Illusionen. Aber es zeigt den einzig möglichen Weg raus aus Armut, Krieg und Terror im gegenwärtigen System. Eine kleine Minderheit, desillusioniert durch diplomatische und militärische Lösungen, aber nicht bereit, sich zurückzulehnen und die Region in Flammen aufgehen zu sehen, öffnet sich für sozialistische Ideen, Analysen und Programme."

US-Politik

Die USA schicken nun zum zweiten mal ihren Vermittler General Zinni. Im Dezember scheiterte er kläglich. Sie fürchten die Auswirkungen eines Alleingangs Israels auf die arabische Welt und rechnen daher noch mit Arafat. Sharon steht dieser Einmischung mit immer größerer Ungeduld gegenüber. Nichtsdestotrotz stehen die USA voll auf Seiten Isarels. Der britische "Sunday Telegraph" berichtete am 9.12., dass ein Sprecher des Pentagon die Europäischen Regierungen aufforderte, alle Finanzhilfen für die Palästinensische Autonomiebehörde (PNA) zu stoppen.
PNA-Chef Arafat steckt in der Zwickmühle. Einerseits muss er versuchen, mit Waffengewalt Teile der palästinensischen Bewegung zurückzuhalten, um nicht von Israel endgültig liquidiert zu werden. Andererseits bereiten sich im eigenen Lager Kräfte auf die Übernahme der Macht vor. Derzeit meidet Hamas noch, offiziell die Kontrolle in der PNA zu übernehmen. Arafat kann sowohl von innen als von außen gestürzt werden. Das würde weitere Wellen schlagen.
Das CWI in Israel wird auch und erst recht unter diesen Bedingungen unsere Ideen in weiteren Teilen der ArbeiterInnen und unter Jugendlichen verbreiten: "Die einzige Hoffnung, den Teufelskreis aus Krieg, Armut und Unterdrückung durch Kapitalismus und Imperialismus zu beenden, liegt in den Händen der isarelischen, palästinensischen und anderer arabischer ArbeiterInnen und Massen, die Ideen, Methoden und Programm des revolutionären Sozialismus aufzugreifen. Klasseneinheit angesichts der Unterdrücker und Ausbeuter. Ein Kampf der Klassen, um die verrotteten kapitalistischen Regimes in Israel, Palästina und dem gesamten Nahen Osten zu stürzen und sie durch sozialistische Staaten zu ersetzen, die zusammenkommen, um eine demokratische sozialistische Föderation zu bilden."

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