Mietenhorror: Willkommen im freien Markt

Michael Gehmacher

Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis: und doch machen wenige auf Kosten aller damit Profite.

Schön und auch leistbar zu wohnen ist ein Menschenrecht. Aber selbst in einem so reichen Land wie Österreich bringt es das kapitalistische System mit sich, dass es nicht ausreichend leistbaren Wohnraum gibt. Aus allen ernst zunehmenden Statistiken lässt sich v.a. eines erkennen: Der Markt ist das Problem - nicht die Lösung.

In Elendsquartieren hausen Bauarbeiter, die Wohnungen errichten, von denen sie selbst nur träumen können. Prekär lebende und arbeitende MigrantInnen zahlen überhöhte Mieten, weil sie rechtliche Schritte aus Angst vor Konsequenzen scheuen. Jugendliche werden unfreiwillig zu „Nesthockern“, weil sie sich keine Wohnung leisten können. Im Zeitraum von einem Jahr sind in Wien sieben Häuser fast oder tatsächlich eingestürzt. Wird in Altbauten gebaut, dann geht das meist einher mit der Drangsalierung von AltmieterInnen und Profiten für Spekulation.

Ohne die Schutzbestimmungen, die die ArbeiterInnenbewegung in den letzten 100 Jahren erkämpft hat, wäre das Problem noch viel größer. Der "soziale Wohnbau" ist oft alles andere als sozial. Auch in Gemeindebauten müssen v.a. junge Menschen tief in die Tasche greifen, um sich eine Wohnung leisten zu können. Auch wer in einem geschützten unbefristeten Mietverhältnis lebt, wohnt nicht immer günstig. Der private Wohnungsmarkt ist noch schlimmer. Mieten in neuen Mietverträgen sind in der Regel um ein Fünftel höher als Mieten in bestehenden Verträgen. Zwischen 2011 und 2015 stiegen die Mieten um 14,9%, bei den Wohnungen am privaten Wohnungsmarkt waren es sogar 16,5%. Bereits 2012 zeigte die AK-Wien auf, dass in zehn Jahren die Mieten um fast 34% gestiegen waren: Löhne und Gehälter aber nur um 22%. Die Hälfte der MieterInnen am privaten Markt zahlt im Monat 643 Euro oder mehr fürs Wohnen. Aber es geht auch um Sicherheit. Bei Wohnungen im Privatbesitz sind bereits über 60% der neu abgeschlossenen Mietverträge befristet. Und billiger wird es am Ende der Befristung kaum werden.

Egal ob Privatbesitz an alten Gründerzeithäusern, Grundstücksspekulation oder Neubau: Mit Wohnen lässt sich viel Geld verdienen. Entgegen aller Beteuerungen über das Recht auf menschenwürdiges Wohnen fördert die herrschende Politik genau diese Profitorientierung. FPÖ und ÖVP setzen auf den privaten Wohnungsmarkt und wollen privatisieren. So sparte der oberösterreichische FPÖ-Politiker Manfred Haimbuchner beim sozialen Wohnbau. Kern will Banken und Versicherungen weiter in den Markt holen. SPÖ und Grüne setzen in Wien v.a. auf Ankündigungen. Sie sind nicht bereit, das Geld der Superreichen anzugreifen und tatsächlich  Wohnungen zu bauen. Was von den im Wahlkampf versprochenen 10.000 neuen Wohnungen jährlich in Wien bleibt, ist abzuwarten. Fest steht: Beim aktuellen Zuzug zu Wien werden sie nicht annähernd ausreichen. Bei geförderten Genossenschaftswohnungen ist der hohe Eigenmittelanteil (Baukostenzuschüsse und Genossenschaftsanteile) eine oft unüberwindbare finanzielle Hürde. Und die Genossenschaften holen sich das Geld dann über Subfirmen bei Verwaltung, Reinigung etc. von den MieterInnen.

Am 3.1.2017 veröffentlichte die gewinnorientierte Immobilienhandelsfirma "Remax" ihre Prognose für 2017. Das Remax Geschäftsmodell basiert auf beteiligten, selbständigen Immobilienmaklern. Um diese anzuwerben, werden hohe Gewinne versprochen. Im österreichischen Durchschnitt sollen die Preise für Wohnen 2017 (Eigentum und "private" Miete) um weitere 3,9% steigen. Besonders zynisch: Im "oberen Preissegment" wird nur eine Steigerung um 0,8% erwartet. Im "unteren Preissegment" liegen die Preissteigerung aber bei 5,1% und mehr. Das "untere Segment", das sind wir, die wir nicht viel haben, die durchschnittlichen ArbeitnehmerInnen. Hier soll es 2017 9% mehr Nachfrage geben. Steigende Nachfrage, knappes Angebot: Optimale Bedingungen für Miethaie und Wohnungsspekulation. Die herrschende Politik und der „freie Markt“ sind ungeeignet, um das Menschenrecht Wohnen zu sichern. Das muss erst durch eine starke Bewegung von ArbeitnehmerInnen und MieterInnen erkämpft werden.

 

 

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