So 01.02.1998
Chiapas, Mexiko, 22.12.97: Bewaffnete einer paramilitärischen, regierungsnahen Organisation überfallen das Dorf Acteal. Sie erschießen 45 Menschen, SympathisantInnen der EZLN, die Polizei sieht zu. Während die Zapatisten schon “seit langem friedlich kämpfen” und auf Verhandlungen mit und Zugeständnisse von der Regierung hofften, führt diese den militärischen Kampf fort.
Seit Monaten führen paramilitärische Banden in Chiapas Überfälle auf Dörfer und Mordanschläge auf AnhängerInnen der EZLN (Nationale Zapatistische Befreiungsarmee), durch. Hunderte wurden getötet, tausende sind auf der Flucht. Die bewaffneten Banden arbeiten eng mit lokalen Machthabern, Polizei und Militär zusammen. Sie erhalten Geld, Waffen, Transportmittel und nehmen deren „Aufträge“ entgegen. Der Anschlag in Acteal wurde vom Präsidenten der Gemeindeverwaltung angeordnet. Ziel der Anschläge ist es, den Einfluß der EZLN, der unter den Indigenas und vor allem in Chiapas stark ist, zu schwächen.
Aufstand 1994
Chiapas war und ist die ärmste Region Mexikos und zugleich das Gebiet mit der höchsten Polizei- und Armeepräsenz. Von dort ging ‘94 der bewaffnete Aufstand der EZLN aus, einer Guerillabewegung, die im wesentlichen von Indigenas getragen wird, aber große Unterstützung in ganz Mexiko hat. Die Bevölkerung Chiapas, meist Indigenas, lebt in halb-feudalen Zuständen und leidet unter staatlicher Repression. Die soziale Situation ist verheerend: Unter-ernährung, hohe Analphabetenrate, völlig unzureichende sanitäre Verhältnisse etc. Verschärft noch durch die neoliberale Politik der letzten Jahre, die mit Privatisierung, Markt-öffnung für ausländische Konzerne, Massenentlassungen und Lohnverfall für Stadt- wie Landbevölkerung katastrophale Auswirkungen hatte. Höhepunkt und letzter Auslöser für den bewaffneten Aufstand war der Beitritt Mexikos zur NAFTA.
Krieg niedriger Intensität
Seit 1994 kontrolliert und verwaltet die EZLN Teile Chiapas, sie enteignete Großgrundbesitzer und bildete autonome Gemeinderäte - die zapatistische Zone wird allerdings seit 1994 von Polizei und Armee belagert. Während die Regierung mit der EZLN Verhandlungen führte, wurden systematisch „patriotisch gesinnte Individuen“ bewaffnet und sogenannte „Bürgerwehren“ gebildet - die Mörder von Acteal.
Die Empörung über den Massenmord war groß, aber wie ernst die Forderung nach Konsequenzen ist, zeigt die EU: Sie führte die Gespräche mit Mexiko über wirtschaftliche Beziehungen weiter, zog aber die Finanzierung eines Menschenrechtsprojektes in dieser Region zurück!
Was tut die Regierung? Verhaftungen betreffen v.a. Indigenas und Bauern, in der Regierung werden einige längst fällige Umschichtungen vorgenommen, um Opposition und Öffentlichkeit zu besänftigen, und in Chiapas finden die massivsten Militäraktionen seit Jahren statt. Die Armee dringt inEZLN-kontrollierte Gebiete vor, angeblich zum Schutz der Zivilbevölkerung, tatsächlich aber auf der Suche nach Waffen und Mitgliedern der EZLN, wohl mit dem Befehl, Subcomandante Marcos „tot oder lebendig“ zu fassen.
Was tut die EZLN?
Sie rief zu Kundgebungen gegen die Besetzung der zapatistischen Gebiete, für ein Ende der Mordanschläge und für die rechtliche Verfolgung der Verantwortlichen auf. In Chiapas beteiligten sich 5.000, in Mexiko 100.000 an Demonstrationen, auch international fanden Aktionen statt. In Mexiko City wurde für einige Stunden eine Rundfunkstation und die Börse besetzt. Trotz allem setzen die Zapatisten, wie schon seit längerem, weiter auf Verhandlungen und die Einsicht offizieller Stellen: Schweizer Vertreter der EZLN überreichten der UNO eine Petition. Sie fordern die Einsetzung einer permanenten, unabhängigen Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Chiapas. Tat-sächlich gibt es von dieser Seite keine Unterstützung. Bis heute hat die Regierung keine der getroffenen Abkommen mit der EZLN erfüllt, die Gespräche sind seit 1½ Jahren unterbrochen. Trotzdem änderte die EZLN ihre Taktik nicht, im Gegenteil, die neugegründete FZLN, Nationale Zapatistische Befreiungsfront, soll als politischer Arm der EZLN agieren, deklariert sich aber ausdrücklich nicht als Partei, die politische Macht anstrebt. Genau das wäre aber nötig - eine kämpferische Partei, die die indigene Bevölkerung, die Landlosen und die ArbeiterInnen in den Städten verbindet. Eine sozialistische Partei, die den konsequenten Kampf für eine wirklich andere, eine sozialistische Gesellschaft führt.