Maastricht & Euro: Ohne uns!

Andrea Hollunder

20 Millionen sind in Europa offiziell ohne Arbeit - 50 Millionen von Armut gefährdet. Am 14.Juni gehen in Amsterdam zehntausende ArbeitnehmerInnen und Arbeitslose, Frauen und Jugendliche, Mitglieder von Gewerkschaften und Arbeitsloseninitiativen aus allen europäischen Ländern auf die Straße. „Euromarsch“, eine europaweite Initiative hat zur Demonstration anläßlich der EU-Regierungskonferenz gerufen.
Die Einführung des EURO ist das derzeitige Hauptprojekt der Unternehmer und Regierungen - auch der österreichischen. Eine Erinnerung an die Debatte vor dem EU-Beitritt ist in diesem Zusammenhang durchaus angebracht. Denn die EURO-Debatte ähnelt dieser in vielerlei Hinsicht. Vor der Abstimmung zum EU-Beitritt waren wir einer beispielslosen Desinformations- und Verblödungskampagne ausgesetzt, die Millionen Steuergelder verschlang. Sämtliche öffentliche und halböffentliche Institutionen waren gleichgeschaltet und trommelten für den Beitritt. Wir warten bis heute auf das versprochene Wirtschaftswunder, die tollen Verbilligungen und die Beschäftigungsoffensive. Stattdessen stieg die Arbeitslosigkeit weiter auf Nachkriegsrekordwert. “Glücklicherweise” änderte allerdings die Regierung die Berechnungsmethode. Vor der EU-Abstimmung wurden den österreichischen ArbeitnehmerInnen Horrorszenarien im Falle eines Nicht-Beitrittes angedroht. Die Erpressung gelang. Eine Gleichschaltung der Medien und Interessensvertretungen machte ein Ergebnis von 66 % möglich. Es folgten zwei Sparpakete, die zielgenau die Ärmsten treffen: Arbeitslose, Alleinerziehende, PensionistInnen. Durch das Schengener Abkommen wird ein neuer eisener Vorhang durch Europa gezogen und das Recht auf Asyl de facto abgeschafft.

Festgeschriebener Sozialabbau

Der bereits eingeschlagene Weg wird weitergegangen: Am Euro führt angeblich kein Weg vorbei, genausowenig wie damals an der EU. Die Maastrichtkriterien werden wie gottgewollte Ziele dargestellt - sie anzuzweifeln ist so etwas wie Gotteslästerung.
In der gesamten EU gibt es einen Wettlauf um die Erfüllung der Kriterien, die außer von Luxemburg von keinem EU-Staat erfüllt werden. Das Budget 1997 soll ausschlaggebend für den weiteren EURO-Fahrplan sein: 1998 sollen die Teilnehmer festgelegt werden. Mit den Argumenten „EURO“ und „Maastricht“ wird seit 1991 in Europa gespart. EU-weit wurden und werden unter dem Schlagwort „nachhaltiges Sparen“ Sozialleistungen gestrichen. Tatsächlich ist die scheinbar simple Rechnung, weniger Sozialleistungen bedeuten weniger Staatsverschuldung, nicht korrekt. Jedenfalls ist in den letzten 5 Jahren, wo europaweit „gespart“ wurde, die Staatsverschuldungsquote stärker gestiegen als in jeder anderen 5-Jahres-Periode der Nachkriegszeit! Dort, wo die Sozialbudgets belastet werden, geschieht das durch die Unternehmer, die ArbeitnehmerInnen entlassen oder in die Frühpension schicken und so Kosten einfach auf die Haushalte abwälzen. Die Maastrichtkriterien sind nichts anderes als ein neoliberales Programm. Sollte der EURO tatsächlich kommen, hätte er zunächst zweierlei Effekte. Erstens wird Europa nicht vereinigt, sondern weiter gespalten - denn es ist völlig klar, daß ein großer Teil der EU-Mitgliedsstaaten nicht an der gemeinsamen Währung teilnehmen würde. Zweitens würde der laufende Sozialabbau durch den Zwang der gemeinsamen Währung weiter festgeschrieben werden.

Mit dem EURO in die Krise?

Angeblich soll die gemeinsame Währung Europas Wirtschaft ankurbeln. Doch das Gegenteil ist der Fall: Durch die restriktive Budget- und Währungspolitik wird das Wirtschaftswachstum weiter gebremst. Ein Ausdruck dieser monetaristischen (geldwertorientierten) Politik sind hohe Zinssätze, die Investitionen immer unrentabler machen. Die hohen Zinssätze sind auch hauptverantwortlich für die explodierende Verschuldung. Die Unternehmerseite hat allerdings schon einen anderen Grund gefunden: Die Lohnkosten sind zu hoch! Die Gewerkschaftsführungen setzen dem nichts entgegen. Tatsache ist aber, daß die Lohnquote europaweit dramatisch sinkt, während weiter Standorte geschlossen werden. Außerdem liegt Österreich bei den tatsächlich relevanten Lohnstückkosten im europäischen Mittelfeld. Das grundsätzliche Problem ist eine tiefgreifende Krise des Kapitalismus, vor allem im Produktionssektor. Das bedeutet langfristig: Sinkende Wachstums- und steigende Arbeitslosenzahlen und Verschuldung. Der EURO ist zwar nicht „das Problem“, er spitzt allerdings einige Widersprüche und Symptome weiter zu.

Trickkiste und Widersprüche

 Es gibt bereits abenteuerliche Ideen, um die Budgets zu „schönen“: Deutschland will sich die Kosten der Vereinigung anrechnen lassen und die Goldreserven neu bewerten, Italien die Schwarzarbeit ins BIP einrechnen. Die Auseinandersetzungen zwischen den EU-Staaten wachsen vor dem Hintergrund der Krise. Immer offener wird das EURO-Projekt in Frage gestellt. Allerdings nicht von den Führungen der ArbeitnehmerInnenorganisationen. Die nationalen Gewerkschaften und der europäische Gewerkschaftsbund (EGB) präsentieren sich hier zahnlos. Anstatt die Maastricht-Kriterien grundsätzlich in Frage zu stellen, will die ÖGB-Führung ein weiteres Kriterium zur Begrenzung der Arbeitslosenrate einführen - was völlig unrealistisch ist. Maastricht muß vom Tisch, doch entscheidend ist auch, wie dieser Vertrag fällt. Wenn es nicht gelingt, eine europaweite Bewegung von unten gegen Sozialabbau auf die Beine zu stellen, könnten rechtsextreme und nationalistische Kräfte die großen Gewinner vom sich entwickelten Unmut gegen Maastricht und EURO werden.

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