Kenia: Gewalt und Wahlbetrug

Jan Rybak

Während sich europäische TouristInnen an den Stränden des indischen Ozeans in der Sonne räkeln tobt in weiten Teilen des Landes ein blutiger Kampf zwischen den Anhängern des Oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga auf der einen und den Anhängern Präsident Kibakis und Polizei und Militär auf der anderen Seite.

Die kenianischen Präsidentschaftswahlen vom 27. Dezember waren der Auslöser für die größten Unruhen die das Land seit dem Sturz des Diktators Daniel Arap-Moi erlebte.

Kibaki: Korruption und enttäuschte Hoffnungen

Mwai Kbaki wurde 2002 als Nachfolger des davor 20 Jahre regierenden Diktators Daniel arap Moi  gewählt. Anfangs verkörperte er die Hoffnungen vieler KenianerInnen auf eine Demokratisierung des Landes, eines Zurückgehens der Korruption und eine Besserung ihrer wirtschaftlichen Situation. Tatsächlich änderte sich die Lage der Mehrheit der KenianerInnen nicht. Der seit sechs Jahren konstant um die fünf Prozent liegende Wirtschaftsaufschwung kam nur einer kleinen Elite im Umfeld des Präsidenten und in den Spitzen der Wirtschaft zu Gute. Die Mehrheit der KenianerInnen lebt immer noch unter der Armutsgrenze. Auch gegen die um sich greifende Korruption unternahm Kibakis Regierung nichts. Im Gegenteil. MinisterInnen wirtschafteten einen bedeutenden Teil der Staatseinnahmen in die eigene Tasche – der von der Regierung beauftragte oberste „Korruptionsbekämpfer“ musste aus Angst vor seinem Leben nach England fliehen. „Die Politik der letzten Regierung war nicht auf eine Verbesserung des Lebensstandards der breiten Bevölkerung ausgerichtet, sondern weiterhin auf eine Förderung der Wirtschaft, von der nur eine relativ kleine Oberschicht profitierte.“ So Walter Schicho Professor am Institut für Afrika-Wissenschaften an der Universität Wien.

Dazu kommt die versteckte Intervention der kenianischen Regierung im somalischen Bürgerkrieg und ihre Unterstützung für die Invasion der äthiopischen Truppen.

Odinga – keine echte Alternative

Im Wahlkampf versuchte sich Odinga als Mann auf der Seite der „kleinen Leute“ zu präsentieren. In Wahrheit steht Odinga für das selbe System der Ausbeutung und der Korruption wie sein Konkurrent Kibaki. Odinga selbst kooperierte jahrelang mit dem Diktator Arap Moi und selbst mit Präsident Kibaki. Das Orange Democratic Mouvement (Orange Demokratiebewegung – ODM – die Partei Odingas) war in der Vergangenheit in eine Vielzahl von Korruptions- und anderen Skandalen verwickelt. Im Wahlkampf schreckte Odinga nicht einmal vor offener Hetze gegen die Kikuyu – der größten Ethnie Kenias, der auch Kibaki angehört – zurück. Eine grundlegende Veränderung der Situation ist von ihm nicht zu erwarten.

Der offensichtliche Wahlbetrug war offensichtlich – im Wahldistrikt Kibakis wurden z.B. 99% Wahlbeteiligung gezählt (was eigentlich unmöglich ist). Selbst der Vorsitzende der Wahlkommission gab zu nicht zu wissen wer wirklich gewonnen habe. Er wurde so stark von Anhängern Kibakis unter Druck gesetzt worden, das er dessen Sieg einfach verkündete. Die Tatsache, dass den KenianerInnen das Recht genommen wurde die eigene Regierung zu wählen war der Auslöser für die Proteste und Unruhen der letzten Zeit.

Verheerende Situation in den Slums

Die aktuellen Gewaltausbrüche sind in der Tat keine „ethischen Konflikte“ wie es die bürgerlichen Medien darzustellen versuchen. Es sind soziale Auseinandersetzungen. Die Situation der Mehrheit der KenianerInnen ist vom täglichen Kampf um das Überleben geprägt. Selbst wer Arbeit hat lebt meist unter der Armutsgrenze. Millionen leben in den Slums von Nairobi und Mombasa. Versorgung mit sauberem Trinkwasser gibt es nicht, Benzin und Heizmaterial (was im Winter in Nairobi ein echtes Problem sein kann) ist Mangelware. Öffentlicher Verkehr ist kaum vorhanden und wenn, dann sind die Busse und Straßen in so schlechtem Zustand, dass jährlich mehrere tausend Menschen tödlich verunglücken. Auch gibt es keine öffentliche Müllentsorgung. Die Menschen helfen sich dadurch, dass sie ihren Hausmüll einfach auf der Straße verbrennen, was regelmäßig zu schlimmen Häuserbränden führt.

Die Gewaltausbrüche nach der Wahl waren vor allem ein Aufbegehren der armen Bevölkerung gegen die Politik der herrschenden Elite. Odinga galt, zu Unrecht, als Hoffnungsträger für eine Verbesserung ihrer Situation – dass dieser jetzt um seinen Wahlsieg gebracht wurde wollen die meisten Menschen nicht akzeptieren. Die Übergriffe auf Anhänger Kibakis, Polizei und Militär drücken die ohnmächtige Wut der Menschen aus, die Jahrhunderte lang unter unmenschlichen Bedingungen leben mussten und jetzt um ihre einzige Hoffnung auf Verbesserung betrogen wurden.

Auseinandersetzungen

Bisher sind über 300 Menschen bei den Unruhen ums Leben gekommen. Nach Angaben der UNO sind 400.000 Menschen auf der Flucht aus den Städten in Richtung der ugandischen Grenze. 500.000 bräuchten nach Angaben des Roten Kreuzes Versorgung mit Lebensmitteln, wasser, Medikamenten, etc. Polizei, Militär und paramilitärische Truppen ziehen durch die Slums und verhaften und verprügeln reihenweise die Anhänger von Raila Odinga. Die meisten der über 300 Toten waren Opfer von Polizeigewalt. Durch die Auseinandersetzungen ist in weiten Teilen des Landes die Versorgung mit Treibstoff und Lebensmitteln zusammengebrochen. Die Menschen die im Fernsehen als gewalttätige Plünderer von Geschäften gezeigt werden sind überwiegend Menschen, die Essen und Trinkwasser für das tägliche Überleben ihrer Familie „geraubt“ haben.

Wie weiter?

Der von der Opposition geplante „Marsch der Millionen“ – eine Protestaktion gegen den Wahlbetrug – wurde mit Wasserwerfern, Tränengas und auch scharfer Munition von Polizei und Militär zurück geschlagen. Ob die Opposition es schaffen wird mit Hilfe von Massenprotesten ein Rücktritt Kibakis oder zu mindest Neuwahlen zu erreichen steht noch in Frage. Allerdings erklärte sich Kibaki am Abend des 04. Jänner bereits zu vorsichtigen Gesprächen über teilweise Neuauszählungen der Wahlzettel bereit. Es ist sehr gut möglich dass es den KenianerInnen möglich ist mit Hilfe von friedlichen aber mächtigen Massenprotesten Kibaki zu stürzen und Neuwahlen zu erlangen. Das wäre ein gewaltiger Fortschritt für die kenianischen ArbeiterInnen, Bauern/BäuerInnen und Armen. Zum ersten Mal seit des Unabhängigkeitskampfes gegen die britischen Kolonialherren würden die einfachen Menschen ihre eigen Macht wieder erkennen. Wenn auf Grund der Proteste Odinga anstatt von Kibaki an die Macht kommen würde, wäre dieser auf Druck der Massen auch gezwungen ihr soziales Los zu mindest ein wenig zu verbessern. Und vor allem – was noch viel wichtiger ist, die Kenianischen Armen - und die Menschen in allen Ländern - würden sehen dass es möglich ist mit Massenprotesten eine verhasste Regierung zu stürzen. Mit dem gewonnen Selbstvertrauen könnten die kenianischen ArbeiterInnen und Armen an ihre wichtigste Aufgabe heran gehen. Den Aufbau einer revolutionären sozialistischen Massenpartei. Einer Partei, fähig die ethnischen Grenzen zu überbrücken und die Interessen der kenianischen ArbeiterInnen und Armen gegen jede Regierung, sei sie nun unter Kibaki oder Odinga, zu verteidigen. Eine Partei die fähig ist, die gerade jetzt auf den Straßen Nairobis demonstrierte Macht der kenianischen ArbeiterInnen und Armen zu bündeln und damit auch die Wurzel des Übels, die internationalen und kenianischen Kapitalisten zu stürzen und ein neues, ein sozialistisches Kenia aufzubauen.

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