Jugend kämpft um ihre Rechte

Die “Uni-brennt”-Bewegung hat sich in den vergangenen Wochen nicht nur, ausgehend von der Akademie der Bildenden Künste in Wien, auf andere österreichische Unis ausgeweitet, sondern auch international Solidarisierungen und Proteste nach sich gezogen.
Tilman Ruster

“Wessen Uni? Unsere Uni!” Damit antworten Österreichs Studierende auf die jahrelangen Versuche der wechselnden Regierungen, die Universitäten in „Lernfabriken“ umzuwandeln und sie Stück für Stück zu „Zulieferbetrieben“ für die Wirtschaft zu machen.

Schluss mit überfüllten Hörsälen! Keine Zulassungsbeschränkungen! Schluss mit prekären Arbeitsverhältnissen für Uni-Beschäftigte! Schluss mit selbstherrlich „regierenden“ RektorInnen! Weg mit der „Männer-Uni“! Für die barrierefreie Uni! Weg mit dem Bologna-Prozess!

Das waren die ersten Forderungen der Uni-Brennt-Bewegung, doch damit hörte es noch lange nicht auf. Seit dem 21.10. (Besetzung der Akademie der bildenden Künste Wien) geht eine regelrechte Protestwelle durch dieses Land. Sie hat als reiner Studierendenprotest begonnen, ist aber längst zu einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung angewachsen. Denn die Ursache für all die Probleme im Bildungsbereich ist die gleiche, die die KindergärtnerInnen, die MetallerInnen und alle anderen ArbeiterInnen, Erwerbslosen und PensionistInnen betrifft: Die seit Jahrzehnten betriebene Politik der Umverteilung von Unten nach Oben.

Aufstand gegen das Aussitzen

Immer mehr Leute weigern sich, einfach zu akzeptieren, dass sich eine ganze Gesellschaft den „Gesetzen des Marktes“, also den Interessen Weniger, unterordnet.
Sie haben es satt, ein „Sparpaket“ nach dem anderen hinnehmen zu müssen, während „notleidende Banken“ im Schnellverfahren angeblich nicht vorhandene Milliarden zugeschanzt bekommen. Und deshalb demonstrieren sie gemeinsam mit den Studierenden. So müssen auch die Versuche des  Ministeriums und der „großen Koalition“, die Proteste einfach auszusitzen, scheitern. Was die StudentInnen losgetreten haben wird nicht an ermüdeten StudentInnen zugrunde gehen. Denn der Protest zieht seine Energie aus der Ignoranz der Regierung selbst, die davon ausgeht, Politik sei nur für die Wirtschaft da. Und auch wenn Hahn nach Brüssel flieht, wird seinE NachfolgerIn noch mit der Protestwelle zu kämpfen haben.

Jugend nicht unpolitisch

Die bislang als „unpolitische Jugend“ bekannte Generation hat in den besetzten Hörsälen Freiräume geschaffen und genutzt, um Themen wie Rassismus, Sexismus, freie Bildung, Wirtschaftskrise, Asylrecht und Umweltpolitik einmal abseits von der Beeinflussung durch bürgerliche Medien frei und öffentlich zu diskutieren. Dabei ist immer klarer geworden: Es kann nicht nur um mehr Geld für Bildung oder höhere Löhne gehen, vielmehr gilt es, die Prinzipien dieser Gesellschaft insgesamt zu hinterfragen.
Wer das tut, sprengt mit ihren/seinen Überlegungen bereits den Rahmen des Kapitalismus, denn die kapitalistische Logik des Profits ist der Antrieb des bestehenden Systems.

Internationale Dimension

Das internationale Ausmaß, das diese Protestwelle bereits angenommen hat, wird diesen Überlegungen nur gerecht. Denn viele der Entscheidungen, die in die Bildungsmisere und den sozialen Kahlschlag geführt haben, wurden auch auf internationaler Ebene getroffen.
Eine gute Gelegenheit den Widerstand international zu formieren, wären das Bildungsministertreffen Ende  Jänner oder der 10. Jahrestag des Bologna-Vertrages, der im März 2010 in Wien begangen wird. BildungsministerInnen aus ganz Europa werden sich gegenseitig zum „großen Erfolg“ ihrer Bemühungen um die Verwirtschaftlichung der Unis beglückwünschen. Eine Groß-Demo in Wien mit TeilnehmerInnen aus ganz Europa könnte den Forderungen der europäischen Studierenden neue Öffentlichkeit verschaffen.

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