Japan kommt nicht zur Ruhe

Das ganz normale Chaos
David Glück

Während die US-Wirtschaft ihre Talfahrt fortsetzt, werden Parallelen zu Japan vor 10 Jahren gezogen. Damals platzte die Spekulationsblase des Aktienmarktes und führte zu einer noch anhaltenden Rezession.

Unlängst gestand Japans Ministerpräsident Yoshiro Mori, wie teuer die 90er Jahre den JapanerInnen kamen: einem Betrag entsprechend dem zweifachen BIP.
Nach 2000 wurde es auch nicht besser. In den zehn Monaten nach Moris Amtsantritt fiel der Aktienmarkt um weitere 35%. Das schwache Wachstum von 2% im letzten Jahr löste Jubel über eine Erholung der Wirtschaft aus. Rasch zeigte sich, dass diese kurze Erholung nur durch die massive Unterstützung und Schönung von Statistiken der Regierung gewährleistet wurde, jedoch keine eigenständige Dynamik annahm.
Ein Rückgang des privaten Konsums (verantwortlich für 61% des BIP) ist auf Kürzungen bei Überstunden, Prämien und Gehältern zurückzuführen. Die Arbeitslosigkeit stieg auf den Nachkriegsrekord von 4,8%. Die irrationale Logik des Kapitalismus folgernd, steigt der Druck auf die ArbeiterInnen: 10000 Menschen sterben jährlich an Karoshi (Überarbeitung), Japans Selbstmordrate stieg 1998 um 35%.

Das grösste keynesianische Programm aller Zeiten

Während der 90er setzte die japanische Regierung Gelder in der Höhe des italienischen BIPs ein, um die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Trotzdem lag die Wachstumsrate während der 90er bei jährlich schwachen 1,69%. Dafür stieg die Staatsverschuldung auf 140% des BIP (von 60% 1990).
Auszubaden muss dies natürlich die ArbeiterInnenklasse, in Form von Steuererhöhungen und Kürzungen bei Sozialleistungen. Die OECD rät nun, weitere 10% des BIP einzusparen, um die Situation zu stabilisieren, die Regierung plant “Reformen”, die 25% aller Jobs im Öffentlichen Dienst vernichten werden. Auch das Wachstum im Bereich der “New Economy” (IT-Technologien und Elektronik) kann die Wirtschaft nicht retten, da es im Bereich der “Old Economy” (vor allem auf dem Gebiet des Automarktes) starke Rückgänge gibt. 40% der Autoproduktion werden in die USA verschifft, die US-Wirtschaft hat nun selbst eine Flaute. Auch im Bereich der New Economy ist ein Rückgang zu erwarten. Japan exportiert den grössten Teil seiner IT-Technologien in andere asiatische Länder, die die verarbeiteten Produkte in die USA exportieren, also auch von der Wirtschaft der USA abhängig sind.

Instabile Regierungen

Auch die Politik steckt seit über zehn Jahren in der Krise: der jetzige Ministerpräsident ist nach Meinungsumfragen der bislang unbeliebteste, nicht zuletzt aufgrund seiner Verwicklung in Bestechungen. Korruption ist ein fixer Bestandteil der Politik. Eine wirkliche Alternative auf parlamentarischer Ebene zu den bestehenden Parteien, die die Interessen der ArbeiterInnenschaft vertritt, existiert nicht. Der häufige Regierungwechsel im letzten Jahrzehnt hat das deutlich gemacht. Die jeweilige Regierung ist nicht stabil, da sie alle dieselbe Politik verfolgen, im Sinne kapitalistischer Logik.
Das Bild vom glücklichen japanischen Arbeiter, der es liebt, sich für die Firma zu opfern, das uns lange vermittelt wurde, entspricht nicht der Wahrheit. JapanerInnen sind nicht die glücklichen Arbeitsbienen, sondern genauso wie wir Menschen mit Bedürfnissen und Wünschen. Und deshalb sind die wirtschaftliche und politische Krise auch in Japan die Basis von steigender Unzufriedenheit und Wut.

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