Italien: Warum ist Berlusconi noch an der Macht?

Die ArbeiterInnen und Jugendlichen in Italien brauchen eine neue Partei um die Angriffe zurück zu schlagen.
Giuliano Brunetti ist Mitglied von Controcorrente, CWI Italien

Italien hat in den letzten Monaten Aufsehen erregt: Während sich die wirtschaftliche und soziale Situation verschlimmert, ist Berlusconi damit beschäftigt, seine Haut zu retten. Er scheut nicht davor zurück, ParlamentarierInnen zu kaufen, um seine fragile Mehrheit abzusichern. Für Nicht-ItalienerInnen mag es schwer zu verstehen sein, wie ein Medientycoon und Zementunternehmer mit kriminellem Background die italienische Politik der letzten 20 Jahre so dominieren konnte. Sein Sündenregister umfasst Sexskandale, Korruption, Bestechung, sowie direkte oder indirekte Unterstützung von Vertretern des organisierten Verbrechens. Warum ist Berlusconi immer noch an der Macht? Ein Element ist sicher die Macht seines Medien- und Finanzimperiums: Dazu zählen 350 Unternehmen, u.a. Mondadori ACI SRL Publishing, Banca Mediolanum SpA, Fininvest, Mediaset, der AC Milan, sowie Bau- und Immobilienfirmen. Aber sein Reichtum ist nicht der Hauptgrund. Der wirkliche Grund ist die Schwäche der Opposition. Sie ist unfähig, eine Alternative zur Politik Berlusconis anzubieten. Die größte “Oppositions”partei ist die aus sozialdemokratischer Tradition stammende Demokratische Partei (PD). Sie hat es stets vermieden, eine Massenbewegung gegen diese Politik aufzubauen. Stattdessen umwirbt sie, wie die Regierung, die Bosse und die Mittelklassen.

Die Rifondazione Communista (PRC) als Vertreterin der radikalen Linken hat ihre Glaubwürdigkeit durch die Unterstützung der PD-Regierung und deren neoliberaler Politik eingebüßt. Auf Wahlebene wurde sie de facto ausgelöscht – sie verlor bei den letzten Wahlen alle Parlamentssitze. Die zweite Regierung Prodi, an der die PRC beteiligt war, hat weiter das Sozialsystem abgebaut, Militäreinsätze der USA unterstützt und der USA erlaubt, ihre Militärbasen in Vicenza - trotz des Widerstands einer Bevölkerungsmehrheit - auszubauen. Kurz: Sie hat Politik für die Bosse umgesetzt. Die Linke in Italien hätte sich in den letzten Jahren als echte Alternative zur neoliberalen Politik der Mitte-rechts und Mitte-links Regierungen präsentieren können – aber sie hat sich der PD untergeordnet. Die PRC hätte sich vor dem Hintergrund der Krise als eine Partei etablieren müssen, die unerschütterlich für die Rechte von ArbeiterInnen und Jugendlichen kämpft. Das hätte ein kämpferisches Programm verlangt, das offensive Forderungen zur Verteidigung von Jobs, Löhnen und Sozialleistungen beinhaltet und den Kapitalismus in Frage stellt. Ein solches Programm müsste die Verstaatlichung von Banken, Finanzinstitutionen und Konzernen beinhalten, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der ArbeiterInnen. Das hätte eine Ablehnung jeder Koalition, die Politik für die Bosse umsetzt, bedeutet – sowohl auf lokaler wie nationaler Ebene.

Am 15. Juli wurde die härteste Attacke auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse der letzten 20 Jahre vom italienischen Parlament verabschiedet. Sie beinhaltet Kürzungen im Gesundheitswesen, die Einführung von Selbstbehalten von 25 Euro, die Privatisierung des Roten Kreuzes, eine Anhebung des Pensionsalters, ein Einfrieren der Löhne im öffentlichen Dienst für ein Jahr und Kürzungen bei den Kommunen. Hintergrund sind die Angriffe der Finanzmärkte gegen das Land in den letzten Monaten. Es beinhaltet folglich eine Verpflichtung, die Verschuldung zu senken. Die Schulden Italiens stehen bei 120% des BIP – Italien ist damit viertgrößte Schuldnerin der Welt. Dieses Kürzungsdiktat der Finanzmärkte wurde mit Unterstützung der „Opposition“ und des Bundespräsidenten und ehemaligen KPlers und jetzigen PDlers Giorgio Napolitano durchgesetzt.

Das Kürzungsprogramm muss mit einem radikalen antikapitalistischen Programm zurückgeschlagen werden! Es gibt in Italien keine politische Kraft, die als Faktor in die Kämpfe der ArbeiterInnenklasse eingreifen kann. Kämpfe gibt es aber genug: jenen der FIOM (MetallarbeiterInnengewerkschaft der CGIL) bei Fiat oder den heroischen Kampf in Val di Susa gegen den Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke. Contocorrente (CWI in Italien) tritt für eine unabhängige Organisierung ein, um zu verhindern, dass wir für die Krise bezahlen müssen. Aus diesem Grund ruft das CWI in Italien zum Aufbau einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche auf, um diese Kämpfe zu stärken und zu koordinieren. Eine solche Partei müsste ein Programm vertreten, das die Bedürfnisse der ArbeiterInnenklasse vor die Profite einiger weniger UnternehmerInnen stellt.

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