Ist der Mensch zu schlecht für den Sozialismus?

Als Kapitalist geboren?
Maria Hörtner

Das wahrscheinlich am Häufigsten genannte Argument, mit dem man/frau bei Diskussionen konfrontiert wird, ist jenes, der Mensch sei “zu schlecht für den Sozialismus”. Ist etwas Wahres dran? Ist der Mensch wirklich dazu bestimmt, im Kapitalismus zu leben?

Das wichtigste gleich am Anfang: der Mensch ist von Natur aus weder gut noch schlecht. Es entspricht weder seinem “Naturell”, egoistisch oder unterwürfig, habgierig oder gutmütig zu sein. All diese Eigenschaften hat der Mensch nur, weil er im kapitalistischen System lebt. Marx hat gesagt: ”Das Sein bestimmt das Bewusstsein.” Das bedeutet, dass die Lebensbedingungen und die ökonomischen Verhältnisse des Menschen entscheidenden Einfluss auf sein Verhalten und sein Denken haben. Es ist klar, dass wir alle von den Übeln des Kapitalismus “durchsetzt” sind. Von Kleinauf wird uns das Ellenbogendenken eingeprägt: Konkurrenzkampf heißt die Devise, “ Jede/r gegen Jede/n”. Und das ist kein Zufall. Das heutige Wirtschaftsystem baut darauf auf, dass Unternehmen in ständiger Konkurrenz zueinander stehen. Profitmaximierung bei gleichzeitiger Lohnsenkung heißt das Motto, welches am Arbeitsmarkt herrscht. Und wenn dies einmal in den Köpfen verankert ist, spiegelt sich dies dann automatisch in den sozialen Beziehungen der Menschen wider. Da scheint es sogar verwunderlich, dass trotzdem so viele Menschen z.B. spenden oder Müll trennen und Interesse an ihrer Umwelt zeigen.

Es ist genug für alle da!

Das kapitalistische System beruht auch auf der ungleichen Verteilung von Ressourcen. Im Prinzip wäre genug für alle da, jedoch konsumieren die Reichsten 20% der Welt 86% aller Güter und Dienstleistungen. Dadurch entsteht für den Großteil der Bevölkerung ein Mangel, der ihn schlichtweg dazu zwingt, sich “ungerecht” zu verhalten. Aus der Angst, man/frau bekäme selber nichts mehr ab, versucht Jede/ r sich so schnell wie möglich so viel wie Möglich anzueignen. Es ist verständlich, dass es bei einer Nahrungsknappheit beispielsweise zu Auseinandersetzungen und Plünderungen kommt. Jede/r Mensch will klarerweise sein Überleben sichern. Es würde sich niemand um etwas streiten, was im Überfluss vorhanden ist. (Die Luft ist zwar oft verdreckt, aber zumindest ist genug da.) Wenn dies mit allen Gütern so wäre, bräuchte niemand mehr egoistisch oder habgierig zu sein. Der Sozialismus würde dies gewährleisten. Nur der Sozialismus ist in der Lage, den Mangel zu beseitigen und Überschuss zur Versorgung aller zu produzieren. Dazu muß er auf den Bedürfnissen der Menschen aufgebaut ist.
Ein Aspekt, der auch in Diskussionen immer wieder ein Thema ist, ist jener mit der Arbeitsmoral im Sozialismus. “Wenn der Mensch nicht zum Arbeiten gezwungen wird, tut er gar nichts. Der Mensch ist einfach ein faules Wesen.” Arbeit ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Er braucht etwas, um sich selbst verwirklichen zu können. Im jetzigen System wird dieses Bedürfnis jedoch nicht erfüllt.
Größtenteils ist die einzige Motivation, um arbeiten zu gehen, der finanzielle Druck. In einem System, das nicht auf Profit aufgebaut ist, wäre die Motivation für die Menschen, dass es sich um erfüllende und nützliche Arbeit handelt. Wenn ich selbst entscheide, was für mich und meine Gemeinschaft wichtig und nötig ist, dann steigere ich damit die Motivation und auch die Produktivität. Außerdem würden im Sozialismus technische Errungenschaften effizienter genutzt werden. Hingegen folgen im Kapitalismus jeder technischen Weiterentwicklung Entlassungen.
Durch den Fortschritt könnte die Wochenarbeitszeit auf 20 Stunden die Woche oder weniger reduziert werden. Der Einsatz von Maschinen könnte viel weitgehender für die “Drecksarbeit” verwendet werden. Diese wäre nicht mehr so abschreckend. Nicht der Mensch ist zu schlecht für den Sozialismus, sondern der Kapitalismus ist zu schlecht für den Menschen.

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