Flüchtlings-Protestcamp: Wie weiter mit der Bewegung?

Tilman M. Ruster

Seit 25.11. und ein Monat lang gab es das Flüchtlings-Protestcamp im Wiener Sigmund-Freud Park. Wochen, in denen Flüchtlinge und AktivistInnen der Kälte und rechtsextremen Anfeindungen strotzen, um auf die fatale Situation der Flüchtlinge in Österreich aufmerksam zu machen. Es geht nicht nur um Unterbringung in Traiskirchen und den anderen Lagern, in denen Flüchtlinge gezwungen sind zu leben. Die Hauptforderungen der Flüchtlinge lassen sich zusammenfassen in

1.      Bleiberecht

2.      Recht auf Arbeit

3.      Demokratische Rechte in Österreich

Anfangs gab es noch großes Medienecho. Die Demonstration, die in der Gründung des Camps mündete, umfasste tausende Menschen und die ersten Pressekonferenzen wurden von den großen Medien aufgegriffen. Natürlich antworteten auch konservative und rechtsextreme Kräfte, nachdem der Flüchtlingsprotest sie unter Druck gesetzt hatte und so etwas wie eine neue Debatte kam in Gang, diesmal aber endlich auch unter Beteiligung der Flüchtlinge.

Eine Asylbewegung, die von AsylwerberInnen selbst ausgeht ist eine neue, höhere Qualität als die Bewegungen der letzten Jahre. Die Chancen, dass ein solcher Protest die Öffentlichkeit erreicht, ist schon deshalb höher, weil er glaubwürdiger ist.

Entsprechend groß war auch die Welle der Solidarisierung. Kleidung, Zelte und Lebensmittel erreichten (zumindest zu Anfang) in großen Mengen das Camp. Die ÖH, einige Fachschaften und Einzelpersonen spendeten auch Geld, wodurch es möglich wurde, z.B. Heizpilze aufzustellen. Eine im Internet verbreitete UnterstützerInnen-Erklärung wurde von über 1500 Menschen unterschrieben. Zu den ErstunterzeichnerInnen gehörten viele Prominente, darunter auch ÖGB-Vorsitzender Erich Foglar. Solche Unterstützung schützte das Camp wohl auch lange vor dem Zugriff der Polizei.

Doch die Lage im Camp wurde zunehmend verzweifelt. Nicht nur, dass es auch am Nötigsten fehlt; der Druck auf die Flüchtlinge hat enorm zugenommen.

In den Medien wurde kommuniziert, dass die Verlegung von Flüchtlingen aus dem überfüllten Lager in Traiskirchen auf andere Bundesländer das Problem gelöst hätte.

Tatsächlich war die Überbelegung  nur eines von vielen Problemen, wie auch unter den weiteren Forderungen der Flüchtlinge nachzulesen ist (http://refugeecampvienna.noblogs.org/post/2012/11/25/bewegungsfreiheit-fur-alle-fluchtlinge-we-will-rise/).

Das Innenministerium versuchte aber das „Protestproblem“ zu lösen, indem es die ProtagonistInnen des Widerstands trennte und in verschiedene Lager verschickte.

Andere Flüchtlinge haben mit der Teilnahme an den Protesten ihren ohnehin wackligen Status verloren und haben jetzt keinen anderen Ort zum Leben als das Protestcamp. Erst der Rückzug in die Votivkirche und der Hungerstreik haben den Protest wieder in die Medien gebracht. Das zeigt erneut die Verzweiflung, die schon zu Anfang Antrieb der Proteste war. Das Angebot des Innenministeriums, einige wieder nach Traiskirchen und in die Grundversorgung zu bringen, bedeutet zurück zum Status vor dem Protest. Entgegen der Zusage, die Teilnahme am Protest sei ein Grundrecht und führe zu keinen Repressionen, wurde Repression gegen TeilnehmerInnen, insbesondere durch Streichung der Grundversorgung geübt. Die Forderungen der refugees wurden völlig ignoriert, es wurde nicht einmal darauf geantwortet. Lediglich die Rücknahme von Repressionen und Caritas-Unterkünfte als Ergebnis des „runden Tisches“ oder als „Angebot“ zu verkaufen, ist menschenverachtender Zynismus. Kirche und Caritas spielen eine fatale Rolle als Handlanger der ignoranten Regierung, indem sie gegen UntersützerInnen kampagnisieren und so versuchen, die refugees zu isolieren, breitere Unterstützung zu verhindern und die TeilnehmerInnen des Protests zu spalten. Das zeigt die paternalistische Rolle von Wohltätigkeit, die sich auf individuelle Linderung von Not beschränkt, hingegen die Ursachen der Not aufrechterhalten will und die Leidtragenden als Opfer behandelt, aber deren richtige Forderungen ignoriert, sie nicht als Träger einer Bewegung anerkennt. Wenn Kirche und Caritas also „Instrumentalisierung“ kritisieren, so sind sie es, die mit dieser Kampagne tatsächlich instrumentalisieren, um den Protest zu schwächen im Interesse eines ausbeuterischen Systems, das die Not von Flüchtlingen verursacht. Nach Wochen des Protests sieht es so aus, als sei das Innenministerium in der Lage, das Camp zu zerschlagen und abzuwarten bis der Protest von alleine verschwindet.

Wie dieser Gefahr begegnen?

Die SLP hat dafür einige Vorschläge:

Ein Camp alleine macht nicht genug Druck auf die Regierung, um die Forderungen umzusetzen. Es ist zu isoliert, zu unsichtbar. Die wichtigste Waffe in der Hand der Bewegung ist aktuell Öffentlichkeit. Das Camp trug anfangs dazu bei, wichtiger waren aber die Demonstrationen und Aktionen in der ganzen Stadt. Sie waren eine Möglichkeit für die vielen SympathisantInnen, die Bewegung sichtbar zu unterstützen. Wer arbeitet, studiert, Kinder hat oder sonstwie gebunden ist, kann nicht mehrere Stunden täglich im Camp zubringen, geschweigedenn dort schlafen.

Wenn diese Leute an der Bewegung nicht nur teilnehmen, sondern sich auch einbringen sollen, sind die jetzigen Entscheidungswege unbrauchbar. Bis zu fünf Stunden lange Plenas bei eisiger Kälte sind niemandem öfter zumutbar. Zumal dort nur wenig beschlossen und von dem Beschlossenen noch weniger umgesetzt wird.

Es ist für den Erfolg aber unbedingt notwendig, dass sich möglichst viele Leute einbringen können, auch AktivistInnen aus Österreich. Es geht nicht nur um Unterstützung der Infrastruktur im Camp, sondern den Flüchtlingen dabei zu helfen, ihren Protest auf die österreichische Gesellschaft auszuweiten. Unter anderem deshalb sind die AsylwerberInnen von Traiskirchen nach Wien demonstriert!

Es ist unsere Aufgabe, als linke, antirassistische AktivistInnen unsere Erfahrungen einzubringen.

Fast alles, was im Camp passierte bzw. in der "Bewegung", passiert spontan und damit schlecht vorbereitet.

Unter den Flüchtlingen haben sich bereits einige Personen als zentrale Punkte in der Bewegung etabliert und leisten wichtige Arbeit auf vielen Ebenen. Sie sprechen bereits für ihre Gruppen und werden von diesen auch anerkannt. Es gilt, diese Personen (oder andere) zu wählen und so zu legitimieren. Auch die UnterstützerInnen sollten VerteterInnen wählen, die mit den Flüchtlings-VertreterInnen zusammen arbeiten. Mit demokratischen Strukturen werden Aktionen besser planbar, mehr UnterstützerInnen und mehr Flüchtlinge können teilnehmen und die Unterstützung und Sichtbarkeit kann so verbreitert werden.

Die Plenas könnten so besser vorbereitet werden und es gäbe konkrete Verantwortliche für die Umsetzung der Beschlüsse (natürlich heißt das nicht, dass sie alles alleine machen müssen). Wenn die VertreterInnen zwischen den Plenas etwas entscheiden müssen, sollten sie bei nächster Gelegenheit erklären, um was es ging und warum es nötig war.

Ansonsten gehen weiterhin alle wichtigen Entscheidungen vom Plenum aus. Das müsste sich aber nicht mehr so oft treffen und könnte produktiver arbeiten.

Auch sehr wichtig ist, dass die Bewegung so auch zeitlich und räumlich über das Camp hinaus existieren kann.

Statt fast alle Ressourcen auf die Organisation des Camp-Alltags aufzuwenden (Essen, Gas, Isoliermaterial...) gilt es wieder mehr politisch zu arbeiten.

SLPlerInnen haben bei vergangenen Plenas vor allem zwei Vorschläge immer wieder eingebracht:

Zum einen die Ausweitung der Proteste auf die anderen Bundesländer bzw. neuen Lager/Unterkünfte und zweitens Aktionen, die den ÖGB dazu bringen könnten, die Proteste auch praktisch zu unterstützen.

Völlig logisch, dass die Verlegung von Flüchtlingen weg aus Traiskirchen dabei half, die Proteste zu erschweren. Die Bewegung sollte das aber als Chance begreifen, die Proteste auszuweiten! Es hat bereits Initiativen für solche Proteste in Linz und Gmunden gegeben, wir sollten jetzt überlegen, wie wir alles sinnvoll vernetzen können und was wir auch in Wien tun können, um solche Initiativen zu unterstützen.

Erich Foglar und andere SpitzenfunktionärInnen aus den Gewerkschaften haben sich bereits solidarisiert. Leider ist es bislang bei Worten geblieben. Deshalb muss von ihnen sowohl politische als auch praktische Unterstützung eingefordert werden.

Überhaupt ignorieren die Gewerkschaften den Bereich Asyl. Die Forderung auf das Recht auf Arbeit durch die Flüchtlinge und die Zustände, die für ArbeitnehmerInnen ohne legale Beschäftigung („Schwarzarbeit“) herrschen, fallen aber natürlich in den Aufgabenbereich des ÖGB. Flüchtlinge sind zum überwiegenden Teil ArbeiterInnen und Leidtragende für Profite. Ihre Rechtlosigkeit schadet auch „ÖsterreicherInnen“. Deshalb liegt es in der Verantwortung von Gewerkschaften, für die Rechte von Flüchtlingen zu kämpfen.

Da es hier aber an Einsicht mangelt, müssen wir den ÖGB eben darauf aufmerksam machen.

Eine Delegation der Flüchtlinge, die in der ÖGB-Zentrale verlangt, mit Foglar über konkrete Unterstützung zu sprechen, wäre ein erster Schritt. Der ÖGB verfügt über zahlreiche Möglichkeiten, die Flüchtlinge sicher und gut unterzubringen - auch nach einer Auflödung des Camps.

Besonders die politische Unterstützung des ÖGB wäre aber ein wichtiger Fortschritt für die Bewegung. Z.B. eine Pressekonferenz gemeinsam mit den Betroffenen, auf der Foglar sich für volle Arbeitsrechte für AsylwerberInnen und MigrantInnen allgemein ausspricht, würde sicher gehört. Aber das ist nur ein Beispiel für die zahlreichen Möglichkeiten des ÖGB.

Die SLP wird die Proteste auch weiterhin unterstützen und wir werden uns auch weiterhin politisch einbringen. Diese Vorschläge sind keine Bedingungen für unsere Mitarbeit, aber sie sollen dabei helfen, einen Sieg zu erringen. Die SLP begrüßt und bewundert den Mut der refugees und ihren Entschluss, sich zu organisieren, zu kämpfen und sich aus der Opferrolle herauszubegeben und erklärt sich solidarisch mit den Forderungen und dem Kampf der refugees.

We demand our-rights!