Eine „nationale“ Lösung für eine internationale Krise?

Angesichts der Massenbewegungen in Griechenland erheben manche Linke die Forderung nach EU-Austritt.
Jan Rybak

Gegen die dramatischen Angriffe in Griechenland hat sich eine Bewegung formiert, die mit Generalstreiks versucht, die sozialen Rechte der Bevölkerung zu verteidigen. Bis jetzt war es aber noch nicht möglich, die Angriffe zurückzuschlagen. Das hat mehrere Gründe. 1. Sind die Ausmaße der Schuldenkrise derart dramatisch, dass sich weder griechisches noch europäisches Kapital und Regierungen Zugeständnisse leisten können. 2. Zeichnet sich die Führung der Bewegung in Griechenland v.a. durch Plan- und Strategielosigkeit aus. Die stärkste linke Kraft in Griechenland, die griechische Kommunistische Partei (KKE), versucht diesen Mangel durch nationale Lösungen zu kompensieren. „Raus aus Eurozone und EU“ wird als Lösung angeboten.

Dabei verkennen die KKE und alle anderen, die an nationale Lösungen glauben, den Hintergrund der EU und der Wirtschaftskrise. Die EU ist ein Ausdruck (!) der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen den KapitalistInnen Europas.

Die aktuelle Politik der EU, vor allem Frankreichs und Deutschlands, drückt die ökonomischen Interessen des europäischen Kapitals aus. Die EU ist ein Instrument und nicht ursprünglich für die wirtschaftliche Krise verantwortlich. Die SLP war gegen den Beitritt Österreichs zur EU. Nicht wegen „patriotischer“ Überlegungen sondern weil die EU als Rammbock gegen die Interessen der ArbeiterInnenklasse eingesetzt wird. Das Diktat der Troika (EU, IWF, Weltbank) setzt auf brutalste Weise die Agenda der Herrschenden um. Dabei wird der autonome Spielraum der griechischen Regierung eingeengt. Doch eine bürgerliche griechische Regierung wäre in ihren Maßnahmen kein bisschen sozialer oder gerechter als das Diktat aus Brüssel.

Ein Austritt aus der EU würde die bestehenden Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse nicht beenden. Ausstehende Kredite und Zinsen würden bestehen bleiben. Die Abschaffung des Euro und eine Wiedereinführung der Drachme würden massive Abwertungen und Verlust des Lebensstandards der Bevölkerung zur Folge haben. Auf Basis des Kapitalismus gibt es für die griechische Bevölkerung nur das Diktat von Pest oder Cholera. Die Verlagerung der aktuellen Debatte auf die Frage der EU, anstatt die Systemfrage zu stellen, bedeutet eine Verschleierung der Grundlagen des Problems. Was bleibt ist Symptombehandlung. „Patriotismus“ als Kategorie ob eine Maßnahme zu unterstützen ist oder nicht, ignoriert die bestehende Spaltung zwischen „Unten“ und „Oben“ innerhalb der Gesellschaft. Das phantasiert eine „nationale Einheit“ herbei, die negiert, dass „nationale“ KapitalistInnen ebenso an den Kürzungen beteiligt sind wie „ausländische“.

Zweifelsohne gibt es jedoch auf nationaler Ebene gewisse Spielräume. Selbst kapitalistische Regierungen, wie die rechtsextreme Regierung Orban in Ungarn, können in Frontstellung gegenüber europäischen Banken gehen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Regierung Orban fortschrittlich wäre oder die sozialen Interessen der ArbeiterInnen vertreten würde – ganz aktuell gibt es brutale Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse und Rassismus. Orban setzt nur auf andere Fraktionen des Kapitals, nämlich vor allem ungarische Konzerne, die weniger enge Beziehungen zur EU haben. Außerdem erhielt Ungarn Milliardenkredite aus China und ist damit von chinesischem Kapital abhängig. In der Situation einer verschärften Krise und zunehmender Staatsschulden ist die „nationale“ Regierung Ungarns in einer ähnlichen Lage wie aktuell die griechische. Ebenso wie diese wird sie die Krisenkosten gnadenlos auf die Bevölkerung abwälzen. Je schärfer die ökonomische Krise und damit die finanzielle Abhängigkeit und Erpressbarkeit, desto geringer wird auch der mögliche Rahmen für sozialere „nationale“ Maßnahmen.

Eine wirklich sozialistische Regierung in Griechenland könnte sich sehr wohl weigern die Schulden zu bezahlen und die Banken und wichtigsten Industriebetriebe verstaatlichen und demokratisieren. Das würde jedoch auf einen Bruch mit dem Kapitalismus hinauslaufen und ein internationalistisches, sozialistisches Programm brauchen. Derartige Programme im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung durchzusetzen würde Massenmobilisierungen verlangen – und zwar international. Der Slogan „Wir zahlen nicht!“ könnte dann den Kern einer internationalen revolutionären Bewegung darstellen. Genau das gilt es auch der EU entgegenzusetzen: Kein Zurück zur Illusion des gemütlichen Nationalstaats sondern internationalen Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

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