Die Verhöhnung der Wohnungssuchenden

Helga Schröder

Über 1,6 Millionen Menschen in Österreich sind arm. Es handelt sich um 19,2 % der Bevölkerung. In Wien sind das also etwa 350.000 Menschen (wahrscheinlich mehr). Im besten Fall beträgt das Einkommen dieser Menschen 1.161 Euro (Zahlen lt. EU-SILC 2014). Die „leistbaren“ neuen „Gemeindewohnungen“, die Häupl und Ludwig in Wien ankündigten, kosten 7,50 Euro pro Quadratmeter. Als Beispiel nennen sie in ihrer Propaganda eine 55-Quadratmeter-Wohnung um 412 Euro. Das ist sehr klein. Zu dritt wird es da schon eng, für Entfaltung oder Ruhe bleibt kein Platz. Und was nach Zahlung der Miete bleibt, ist spärlich. Zumal viele Menschen ein noch geringeres Einkommen haben, für die das nicht bezahlbar ist. Die Wiener Stadtregierung denkt offenbar nicht daran, die Wohnungsnot dieser Menschen zu lösen, sondern beschränkt sich darauf, sie zu verarschen.

Der Richtwert in Wien beträgt 5,39 Euro. Dieser Richtwert wird festgelegt für eine „normale“, also durchschnittlich ausgestattete Wohnung, in durchschnittlicher Umgebung. Ausgehend von diesem Richtwert gibt es Zu- und Abschläge. VermieterInnen halten sich an diesen Richtwert nie, sondern schlagen illegal immer Zuschläge für nicht vorhandenes auf. Die Stadtregierung macht das nun also mit 7,50 bei den „Gemeindewohnungen“ gleich von Beginn an und allgemein auch so. Häupl und Ludwig stellen sich sodann hin und posaunen heraus, sie würden jetzt „leistbare Gemeindewohnungen“ bauen.

Laut Medienberichten werden in dem Projekt Fontanastraße 470 Wohnungen errichtet. Die angekündigten 120 ersten „Gemeindewohnungen“ in der Fontanastraße sind also nur ein mickriger Pseudo-Anteil des ganzen Projektes. Der Großteil besteht also wohl aus Luxuswohnungen oder sonstigen nicht leistbaren Wohnungen. Vielleicht gibt es dann auch eigene versteckte, rückseitige Eingänge für die weniger begüterten BewohnerInnen der 120 „Gemeindewohnungen“?

Auch wo die Stadtregierung „gefördert“ oder „sozial“ draufschreibt, ist kein leistbarer Wohnraum drinnen. Auch für „geförderte“ Genossenschaftswohnungen muss mensch zigtausend Euro hinblättern. Wer das nicht kann, soll offenbar nicht wohnen. Und wer „zu viel“ verdient, aber zu wenig, um sich eine Wohnung leisten zu können, ist von diesen Wohnungen von vornherein ausgeschlossen.

Die Stadt baut nicht selbst, sondern es wird für die Errichtung der „Gemeindewohnungen“ eine eigene Gesellschaft gegründet, die auch nicht selbst baut. Es gibt also viel Spielraum für SpekulantInnen, Grundstücksverkäufer, Baufirmen und alle Auftragnehmer, viel Kohle damit zu machen. Die Arbeitsbedingungen für die am Bau Beschäftigten werden also auch hier die bekannten und üblichen sein. Es ist gang und gäbe, dass Auftragnehmer der Stadt Wien und deren Subunternehmen Bauarbeiter in Massenquartiere pferchen, ihnen Hungerlöhne zahlen oder sie ganz um den Lohn betrügen und sie ohne medizinische Versorgung, Pensionsversicherung, ohne Krankenstand und Urlaub hackeln lassen.

Die SPÖ ist seit vielen Jahren aktiver Teil der Aushöhlung des Mietrechtsgesetzes, wodurch insb. die Mietzinsbeschränkungen so weit ausgehöhlt wurden, dass nichts mehr davon übrig ist. Zahlreiche Novellen wurden zum Vorteil von VermieterInnen durchgeführt.

Den Zugang zu Gemeindewohnungen hat die Stadtregierung im Juli 2015 weiter beschränkt. Mensch muss jetzt noch länger in Wien gewohnt haben, um zu einer Gemeindewohnung zu kommen. Menschen aus den Bundesländern und MigrantInnen werden also noch mehr benachteiligt. Ein klares rassistisches Zugeständnis an die FPÖ. Außerdem kann nur lange in Wien wohnen, wer überhaupt wohnen kann. Wer keine Wohnung hat, bekommt also keine. Wer sich seine Wohnung nicht (mehr) leisten kann, von Spekulanten rausgemobbt wird, bekommt auch keine. Auch der Propagandaschmäh mit den „smart“-Wohnungen ist eine Verhöhnung, die im Juli 2015 nochmal verschärft wurde. So haben sich zum Beispiel Menschen angemeldet, die im Juli 2015 aus dem System geflogen sind. Jetzt ist nämlich „begründeter Wohnbedarf“ nötig, den Menschen nicht erfüllen, die sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können, Single sind, oder älter sind. Ganz abgesehen davon, dass für diese „smart“-Wohnungen ohnehin 60 Euro pro Quadratmeter zu berappen ist, weshalb es sich um alles andere als „soziale“ Wohnungen handelt.

In Wien wohnen Arbeiter in Elendsquartieren, zahlen 400 Euro für die Benutzung eines Stockbettes, Studierende zahlen hunderte Euro monatlich für ein Zimmer in einer Wohnung, Familien wohnen in verschimmelten Wohnungen, Kinder in Häusern mit gefährlichen Baustellen. Zigtausend Wohnungen stehen zu Spekulationszwecken leer, MieterInnen werden aus Wohnungen gemobbt, MigrantInnen werden abgezockt, zahllose Frauen bleiben bei gewalttätigen Partnern mangels leistbarer Wohnung. Gebraucht werden in Wien zehntausende leistbare Wohnungen jährlich. Häupl und Ludwig stellen sich ernsthaft vor die Presse und tun so, als könnten sie sich mit einer Ankündigung von 2000 (!) Pseudo-Gemeindewohnungen in den nächsten fünf Jahren selbst als soziale Politiker darstellen. Das ist eine unverschämteVerhöhnung.

Es ist allerhöchste Zeit, sich zu organisieren! Mit Illusionen in SPÖ oder Grüne werden wir genausowenig leistbare Wohnungen bekommen wie mit Appellen an die Regierenden. Anders, als gemeinsam mit Flüchtlingen und MigrantInnen Wohnraum zu erkämpfen und ihn dort zu holen, wo er ist – bei den Reichen und Unternehmen – wird es nicht gehen.

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