Die Oscarverleihung ganz im Zeichen von Kommerz

Rote Seitenblicke
Aron Amm

„And the winner is: Nader & Simin.“ Diese Worte werden nicht fallen, wenn am 26.2. die Oscars vergeben werden. Dabei war das Scheidungsdrama, das die gesellschaftlichen Risse Irans widerspiegelt – und den Hintergrund für die revolutionären Ereignisse 2009 bildet -, der Film des Jahres. Sehenswert waren 2011 auch Mike Leighs „Another Year“ über Verarmung und Vereinsamung in Britannien nach 30 Jahren Neoliberalismus und „Dance Town“ über eine Frau, die von Nord- nach Südkorea flieht, um festzustellen, keineswegs ins „gelobte Land“ gekommen zu sein. Oder „Schlafkrankheit“ über Endstation Entwicklungshilfe. Ja, es gibt das andere Kino – auch in den USA. Z.B. „Winter's Bone“ über den Kampf einer Familie gegen Zwangsräumung in Zeiten der Wirtschaftskrise.

Vielleicht hat „Margin Call“, das Werk zur Lehman-Pleite, eine Chance, weil J.C. Chandor Stars wie Kevin Spacey und Jeremy Irons gewinnen konnte. Aber sonst wird, wie meist, Gehirnwäsche-Kino bejubelt. Bezeichnend, dass - dank gigantischer Werbekampagnen – unter den sieben Top-Kassenschlagern in den USA 2011 fünf Fortsetzungen waren: „Transformers 3“, „Twilight 2“, „Hangover 2“, „Fluch der Karibik 4“ und „Cars 2“. Recycelter Müll.

Vor 40 Jahren erhielt Marlon Brando für den „Paten“ den Oscar. Er ließ er an seiner Stelle eine Vertreterin der Indigenas über Diskriminierung und Verfolgung sprechen. Undenkbar heute. Seit Michael Moores Attacke gegen Bushs Irak-Krieg 2003 werden alle Beiträge vorab durchleuchtet und zeitversetzt ausgestrahlt.

Nachtrag:

Nader und Simin hat, überraschenderweise, doch einen Oskar bekommen. Hin und wieder erreichen cineastische Lichtblicke auch die Welt der Hollywood-Blockbuster und Oscarverleihungen. Das ändert aber nichts am generellen Charakter der Oscars, die im Zeichen des kommerzialisierten Kinos und des "Recycelten Mülls" stehen. Auszeichnungen für alternative Filme fungieren somit als Feigenblatt.

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