Die Olympischen Spiele von London – das große Rennen um Profit

Manny Thain, CWI-England&Wales

Nicht nur Weltrekorde werden bei den diesjährigen Olympischen und Paralympischen Spielen gebrochen. Auch die Versprechungen, die Olympischen Spiele würden eine Erbschaft an bezahlbaren Wohnungen, angemessenen Arbeitsplätzen, einer Vielzahl von Möglichkeiten hinterlassen, sich sportlich betätigen zu können, etc., werden nicht gehalten. Aufgrund einer krassen Form der Kommerzialisierung verblasst die größte Sportveranstaltung der Welt und wird stattdessen zu einem Testfeld für zunehmende staatliche Repression. Die Homepage www.socialistparty.net berichtet von den neoliberalen Spielen.

Alles begann mit der Lüge, dass die Spiele von London 2,4 Milliarden britische Pfund kosten würden. Diese Zahl war nie realistisch. Unerklärlicher Weise wurden etwa die Mehrwertsteuer oder die zusätzlichen Ausgaben für Sicherheit nicht mit einbezogen. Rechnet man allein diese Kosten mit ein, so kommt man schon auf 3,9 Milliarden brit. Pfund (20 Prozent Mehrwertsteuer auf 2,4 Milliarden brit. Pfund entsprechen 480.000 brit. Pfund und hinzu kommen die ausufernden Kosten für Sicherheitsmaßnahmen i.H. von rund einer Milliarde brit. Pfund). Bislang ist das variable Budget für die Olympischen Spiele auf 9,3 Milliarden brit. Pfund ausgedehnt worden. Das alles baut auf einem riesigen Schwindel auf, einer Abzocke der Arbeiterklasse und der Mittelschicht, die in Form von direkten wie und Steuern für das meiste davon aufkommen sollen.

Die Regierung zahlt über Steuereinnahmen 6,2 Milliarden brit. Pfund für die Spiele. Der Rest stammt aus einer Lotterie – einer indirekten Steuer also, die den Ärmsten auferlegt wird. Trotz Versicherungen, die Privatwirtschaft würde die großen Bauprojekte zumindest teilweise mit finanzieren, von denen die Spiele abhängen, hat der parlamentarische Ausschuss für öffentliche Ausgaben errechnet, dass weniger als zwei Prozent des Budgets für die Olympischen Spiele aus privater Finanzierung stammen. („The Guardian“, 17. Juli 2008)

Das „London Organising Committee for the Olympic Games“ (LOCOG), die Körperschaft, die dafür verantwortlich zeichnet, die ganze Show über die Bühne zu kriegen, hat weitere 2,1 Milliarden brit. Pfund aufgebracht. Zwei Drittel davon kommen aus Sponsorengeldern der Konzerne, deren Profite, aus denen sie diese bezahlen, wiederum durch die Ausbeutung von ArbeiterInnen und KonsumentInnen zu Stande kommen. Auch vom „Internationalen Olympischen Komitee“ (IOC) hat LOCOG einen Beitrag erhalten. Der Rest stammt aus dem Verkauf von Eintrittskarten und dem Merchandising – also wieder in erster Linie aus unseren Geldbeuteln. Vorsitzender von LOCOG ist Lord Sebastian Coe, ein ehemaliger Leichtathlet und Goldmedaillengewinner, früherer Parlamentsabgeordneter für die konservativen Tories, „Weltbotschafter“ des Sportartikelherstellers NIKE und Multimillionär.

Mit Marken versehen – oder gebrandmarkt?

Die Hauptsponsoren des IOC zahlen jeweils 60 Million brit. Pfund, geknüpft an Verträge mit zehnjähriger Laufzeit. Das ist Kapitalismus! - Dafür erhalten die Unternehmen nämlich die Möglichkeit, in riesigem Umfang Macht auszuüben. Mit anderen Worten: Bei dieser, in hohem Maß von Wettkampf gekennzeichneten Großveranstaltung tun die Veranstalter alles dafür, dass die Sponsoren vor Wettbewerb geschützt werden.

Anlässlich der Olympischen Spiele von Sydney im Jahr 2000 legte das IOC fest, dass Bewerberländer für die Spiele zuvor für die gesetzliche Grundlage sorgen müssen, damit dies auch rechtlich abgesichert ist. So wurde 2006 im britischen Parlament das Gesetz über die „Olympischen und Paralympischen Spiele von London“ verabschiedet, das zusammen mit dem „Gesetz zum Schutz der Olympischen Symbole“ von 1995 gewährleistet, dass es diesen mächtigen Schutzmechanismus gibt, der übrigens über den bestehenden Urheberrechtsgesetzen und Verordnungen zum Vertragsrecht steht.

Die Folge davon ist, dass es Nicht-Sponsoren verboten ist, das Wort „Olympia“, das Symbol mit den fünf Ringen oder das Motto der jeweiligen Spiele zu verwenden. Weil damit auch jede nicht autorisierte Bezugnahme verboten ist, kann beispielsweise einE KneipenbesitzerIn rechtlich belangt werden, wenn sie / er ein Schild nach draußen stellt, auf dem steht, dass man „die Spiele von London“ auf Großbildleinwand zeigt. Jedes Unternehmen, das damit wirbt, „2012 nach Gold zu streben“, würde damit ebenso das Gesetz brechen. Vertreter von LOCOG werden ständig die Veranstaltungsorte der Olympischen Spiele abklappern und die Markenzeichen der Hersteller überkleben oder entfernen, die nicht zu den offiziellen Sponsoren der Spiele gehören. Dabei geht es unter anderem auch um Markenaufdrucke auf Seifenspendern oder Kloschüsseln.

Um die Rechtsansprüche der Medienpartner zu schützen, ist es BesucherInnen der Spiele nicht erlaubt, Bilder von den Sportveranstaltungen auf „YouTube“ zu setzen oder Fotos in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen. „Twitter“ wird diejenigen mit sogenannten hashtags wie zum Beispiel „#London2012 “ blocken, die keine Sponsoren sind, aber an die Olympiade angelehnte Werbung machen. Auch den AthletInnen ist es verboten, Video- oder Audiomitschnitte ins Internet zu stellen. Bleibt abzuwarten, wie strikt die Gesetze bei Einzelpersonen ihre Anwendung finden werden. Der Eindruck jedenfalls besteht, dass die Behörden in der Tat jede Geschäftstätigkeit im Auge haben.

Sofort nachdem die Olympische Fackel – hinter Fahrzeugen der drei „Partner“ „Lloyds TSB“, „Coca-Cola“ und „Samsung“ – ihren 70-tägigen Kurs durch Großbritannien antrat, trat die Marken-Polizei in Aktion. In Plymouth kassierten Vertreter von LOCOG Flugblätter ein, auf denen ein Café Werbung für sein „Olympia-Frühstück“ mit „über der Fackel gegartem Speck und Eierbaguette“ machte. Man begründete dies damit, dass es gegen Marken-Vorschriften verstoßen würde. Geschäftsleute, die ihre Läden an der Route hatten, auf der die Olympische Fackel ihren Weg durchs Land nahm, und die nicht zu den offiziellen Sponsoren gehörten, mussten die Leuchtschilder über ihren Geschäften überdecken. („The Guardian“, 21. Mai 2012)

Bei den Veranstaltungen selbst werden „McDonald’s“, „Cadbury’s“, „Coca-Cola“ und „Heineken“ die einzigen sein, die ihre Markenwaren an Getränken und warmen Speisen anbieten dürfen. Die Ironie dabei ist, dass die Produkte dieser Firmen den Hintergrund für dieses Festival des Sports liefern werden! - Dabei werden sie wohl kaum die gesündesten Dinge anzubieten haben. Ihre Profitmargen jedoch werden sich im „sehr gesunden Bereich“ bewegen.

Lord Coe hingegen verteidigt diese Gelddruck-Maschine energisch, wobei es sich dabei eher um Erpressung zu handeln scheint. So sagte er: „Der erste Hafen, den wir erreichen wollen, ist die Aufklärung und weniger der des Rechtswegs. Es ist aber sehr wichtig in Erinnerung zu rufen, dass wir auch die Steuerzahler schützen, wenn wir die Markenrechte im Auge behalten. Wenn wir unsere Ziele [im Sinne der Sponsoren] nicht erreichen, dann ist der Steuerzahler gefragt“. („The Guardian“, 14. Mai 2012) Wie bei der Bankenkrise versuchen die Kapitalisten die Menschen aus der Arbeiterklasse auch für das Scheitern des „freien Markts“ verantwortlich zu machen, der diesen Namen nicht verdient.

Immer der erste...

So schnell, wie Lord Coe & Co immer dann heranspurten, wenn irgendwo Konzerninteressen zu verteidigen sind, so schnell sind sie auch dabei, wenn es darum geht, das nötige Geld für die Spiele herein zu bekommen. Sie rufen die Leute dazu auf, sich Eintrittskarten zu besorgen, wozu die meisten Menschen in Großbritannien jedoch leider nicht in der Lage sein werden. Um an Eintrittskarten zu kommen, mussten „einfache“ KundInnen sich nämlich zunächst einmal einer Nervenprobe unterziehen und bei einer Online-Verlosung eintragen. Dabei sind Zehntausende leer ausgegangen.

Unmöglich ist es, für alle Veranstaltungen ein Ticket zu bekommen. Zu diesem Umstand verweigern Lord Coe & Co übrigens jede Information. Klar ist hingegen, dass – je prestigeträchtiger eine Veranstaltung ist, desto mehr werden bei der Ticketvergabe die Funktionäre und Sponsoren bevorzugt behandelt. Die Zeitung „The Guardian“ berichtete am 23. Mai, dass von den 80.000 Sitzplätzen, die beim 100-Meter-Finale zur Verfügung stehen, nur 29.000 (36 Prozent) in den öffentlichen Verkauf gegangen sind. Von den 6.000 Sitzplätzen für die Finalrennen im Velodrom werden nur 2.500 in den öffentlichen Verkauf gehen. Die Olympischen und die Paralympischen Spiele sollen der Öffentlichkeit die besten SportlerInnen der Welt zeigen, doch in den Genuss von Sitzplätzen in den Stadien kommt offenbar vor allem die gierige Elite, kommen vor allen anderen die Reichen und die Mächtigen.

Auch wer bis jetzt noch keine Eintrittskarte hat, kann noch eine bekommen, wenn sie oder er Verbindungen zu den Vertretern von 54 der 204 Länder hat, die sich dieses Jahr bei den Spielen ein Stelldichein geben. Sie sind die Quelle für einen blühenden Schwarzmarkt. Wer auf diesem Weg an eine Eintrittskarte kommen will, muss allerdings bis zu 6.000 brit. Pfund berappen. Das IOC sah sich gezwungen anzukündigen, dass es dazu Untersuchungen einleiten werde. Wobei jeder Bericht zu diesem Thema natürlich zu spät kommen wird. Dann nämlich, wenn die Olympischen Spiele längst vorbei sind. Klar wird darüber jedoch, in welch desolatem Zustand sich die Administrationen der AthletInnen befinden. Sie werden von einer privilegierten Clique angeführt, die niemandem gegenüber Rechenschaft ablegen muss.

Und hier hört die bevorzugte Behandlung der sogenannten „Olympischen Familie“, die aus 70.000 Mitgliedern, Funktionären, Athleten, Medienvertretern und ausgewählten Trittbrettfahrern besteht, noch lange nicht auf. Es ist eine Sache, dafür zu sorgen, dass sich die AthletInnen wohl fühlen. Schließlich spielen sie die wesentliche Rolle bei den Spielen. Etwas anderes ist es aber, wenn ihnen von tausenden von aufgeplusterten Bürokraten und Politikern, von denen einige den aggressivsten Regimen dieser Welt angehören, permanent der rote Teppich ausgerollt wird.

Bei den Grenzkontrollen wird ihnen ein eigener Schalter zugewiesen, um die Abfertigung zu beschleunigen. Im Eiltempo werden sie auf besonderen Fahrspuren zu den Veranstaltungsorten und Gästeunterkünften gebracht und rauschen damit an den „einfachen Leuten“ vorbei, die sich durch den Londoner Verkehr kämpfen müssen. Und dieser ist noch verstopfter als sowieso schon. Verkehrsexperten hatten vor andauernden Verkehrsbehinderungen für die EinwohnerInnen der Britischen Hauptstadt während der einhundert Tage gewarnt, die die Olympischen Spiele dauern werden.

Für die 600.000 EinzelbesucherInnen aus dem Ausland werden an den Grenzen gesonderte Warteschlangen eingerichtet. Während dem Stammpersonal der Sommerurlaub gestrichen wurde, sollen zusätzliche 585 BeamtInnen dienstverpflichtet werden. Seit 2010 sind von der konservativ-liberalen Regierungskoalition bislang 880 Arbeitsplätze bei den britischen Grenzbehörden gestrichen worden. Und sobald die Spiele vorbei sind, wird das Fallbeil wieder zuschlagen. Weitere 1.550 ArbeiterInnen sollen 2014/-15 ihren Job verlieren, und das Personal soll um 18 Prozent auf dann 6.440 verringert werden. („The Guardian“, 2. Mai 2012)

Getroffen vom Fallbeil der Liberal-Konservativen

Wenn man von den ganzen Äußerungen ausgeht, nach denen die Spiele ja so viele positive Erbschaften für die Stadt hinterlassen werden, dann könnte man meinen, es sei das höchste Ziel, Möglichkeiten für die „einfache“ Bevölkerung zu schaffen, um sich sportlich betätigen zu können. Einen wesentlichen Anteil daran werden die atemberaubenden Vorstellungen auf den Tartanbahnen und Radrennstrecken haben. Dabei wird statistischen Angaben zufolge die Zahl der Fettleibigen steigen und der Bereich der Gesundheitsversorgung wird bis zum Anschlag strapaziert (vor allem durch die einschneidenden Kürzungen der liberal-konservativen Koalition). Für den Gesundheitsbereich handelt es sich hierbei um einen ganz wesentlichen Aspekt, vom Finanziellen ganz zu schweigen. Da sie sich strikt an ihr eigenes Kürzungspaket hält, hat die Regierung dennoch nur kurzfristige Einsparpotenziale im Sinn.

Im Dezember gab man das Ziel auf, bis 2013 eine Million mehr Menschen dazu zu bringen, Sport zu treiben. Die Zeitung „The Independent“ berichtete am Samstag, dem 3. Juni 2012, dass die Zahl derjenigen, die 2010 und -11 regelmäßig schwimmen gingen, verglichen mit 2007/-08 um 435.000 gefallen ist. Auch die Zahl der Tennis-, Fußball- und RugbyspielerInnen geht zurück. Unter den 16- bis 19-jährigen fiel die Zahl derjenigen, die sich sportlich betätigen, um mehr als 100.000 auf 825.900.

Die liberal-konservative Koalition hat von ihrer Vorgängerregierung „New Labour“ den Staffelstab übernommen. Die Politik der Sozialdemokraten, die Schul-Sportplätze haben schließen lassen, zeigt, dass den Jugendlichen sehr schlechte Startmöglichkeiten geboten werden. Seit 2004 wurde das Budget für den Schulsport von 216 Millionen brit. Pfund auf 35 Millionen brit. Pfund heruntergefahren. 3.400 SporttrainerInnen und -koordinatorInnen wurden entlassen, Zusagen für 1.300 geplante Sportstätten wieder zurückgenommen. Die Möglichkeit für unter 16-jährige und über 65-jährige, kostenlos Schwimmen gehen zu können, gibt es nicht mehr. Das Projekt „Cycling England“ (dt.: radelndes England), das den Ausbau und die Instandhaltung von Fahrradwegen in 18 Orten finanzierte, wurde ausgesetzt. Und in Schottland wurde das Budget 2012/-13 zur Förderung des Wanderns und Radfahrens um ein Drittel gekürzt.

Die liberal-konservative Koalition hat den Menschen mit Behinderungen die Pistole auf die Brust gesetzt – trotz der Zusage, eine weitere positive Hinterlassenschaft der Olympischen Spiele würde darin bestehen, dass gerade für sie mehr Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung entstehen. Momentan sind 18 Prozent der behinderten Erwachsenen mehr als 30 Minuten pro Woche sportlich aktiv, verglichen mit 38 Prozent der nicht-behinderten Erwachsenen. Die Regierung plant, ab 2013 die „disability living allowance“ (DLA; finanzielle Zuschüsse für Behinderte) durch „personal independence payments“ (dt.: individuelle Zahlungen für ein unabhängiges Leben) zu ersetzen.

Bei der DLA handelt es sich bisher um eine Zuwendung, die keiner behördlichen Bedürftigkeitsermittlung unterliegt und zwischen 20 brit. Pfund und 131,50 brit. Pfund wöchentlich beträgt, und die an rund 3,2 Millionen Menschen ausbezahlt wird. Die DLA gibt Unterstützung bei der Mobilität, technischer Ausstattung, Hilfs- und anderen Bedarfsmitteln. Um behinderte SportlerInnen die Teilnahme an Sportveranstaltungen zu ermöglichen, ist die DLA von besonderer Bedeutung.

Nun wurde das Unternehmen „Atos Healthcare“, das sich selbst als „führenden Dienstleister für das Gesundheitswesen in Großbritannien“ beschreibt, damit beauftragt, 11.000 AntragstellerInnen wöchentlich zu begutachten. Dafür wurde mit dem Unternehmen ein Vertrag mit einem Volumen von 100 Millionen brit. Pfund jährlich unterzeichnet. Wie selbstverständlich macht „Atos“ Behinderte wieder arbeitsfähig und unterliegt dabei der Zielvorgabe, 500.000 Menschen von Sozialleistungen unabhängig zu machen. Dabei ist Tausenden fälschlicher Weise die Auszahlung der DLA-Beträge verweigert worden. Und um noch eins draufzusetzen: „Atos Healthcare“ ist einer der Hauptsponsoren der Paralympischen Spiele und zahlt dafür in den nächsten zehn Jahren 62 Millionen brit. Pfund.

Waren aus den Sweatshops dieser Welt

Eine andere Behauptung, die bereits die erste Hürde gerissen hat, ist, dass es sich bei den diesjährigen Spielen um die „ethisch korrektesten jemals“ handeln würde. Am Sonntag, 6. Mai 2012, schrieb „The Independent“ über eine Umfrage, die die Institution „Playfair 2012“ in sogenannten Sweatshops durchgeführt hat, in denen Produkte für die Olympischen Spiele hergestellt werden. Darin wird von schlechten Arbeitsbedingungen in Fabriken in den Philippinen und China berichtet, die „Adidas“ beliefern. Auch ist die Rede von Produktionsstätten der Firma „Next“ die sich in den berüchtigten Freihandelszonen Sri Lankas befinden. Keine dieser Fabriken erlaubt ihren Beschäftigten, sich einer Gewerkschaft anzuschließen.

Eine der Fabriken von „Next“ beschäftigt 2.500 Menschen, die Anzüge für die Eröffnungs- und Abschlussfeiern der Spiele herstellen. Auch die offizielle Bekleidung der britischen Olympia- und Paralympia-Teams wird hier gefertigt. Diesem Bericht zufolge werden die ArbeiterInnen dort gezwungen, monatlich 60 Überstunden abzuleisten. Sie haben keine Arbeitsverträge und können ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Der dort übliche Lohn für einen 12-Stunden-Tag liegt bei 12.000 Rupees (~ 74 Euro) pro Monat und die ArbeiterInnen werden in den Armenvierteln angeworben, um sichergehen zu können, dass niemand von ihnen lesen kann und man eine willfährige Belegschaft hat.

Bei „Dow Chemical“ handelt es sich um einen 63 Millionen brit. Pfund schweren Sponsor des IOC, der rund um das Olympiastadion eine Stoff-Ummantelung im Wert von 7 Millionen brit. Pfund finanziert. Bis heute leugnet der Konzern, in irgendeiner Weise für das Chemieunglück von 1984 im indischen Bhopal verantwortlich zu sein, bei dem bis zu 20.000 Menschen getötet und hunderttausende verletzt wurden. Auch heute noch strengen Opfer und deren Familien in den USA und in Indien Gerichtsverfahren gegen das Unternehmen an.

Weitere Großsponsoren sind Konzerne, die für ein zum Himmel schreiendes Ausmaß an Ausbeutung in der neokolonialen Welt verantwortlich sind. Dazu gehört auch das Unternehmen „Rio Tinto“, das die Gold-, Silber- und Bronzemedaillen liefert. Und auch der Olympia-Park selbst ist in den Fokus zahlreicher Proteste von BauarbeiterInnen gerückt worden, die in Großbritannien auf die schwarze Liste gesetzt worden sind. Im Ergebnis wurde jede gewerkschaftliche Organisationstätigkeit von der Baustelle verbannt.

Kriegs-Spiele

Eine Erbschaft, die die Olympischen und die Paralympischen Spiele von London garantiert hinterlassen werden, ist die weitere Zunahme repressiver Maßnahmen durch die Staatsmacht. Eine Lehre aus vorherigen Olympiaden ist, dass – ist der Knüppel erst einmal aus dem Sack, dieser nicht wieder weggepackt werden wird. So umgibt den Olympiapark ein 18 Kilometer langer Zaun, der größtenteils elektrifiziert ist und an dem 55 Einheiten mit scharfen Hunden Patrouille gehen. Dezentrale Puffer-Zonen werden von Polizeihubschraubern, durch mit Überwachungskameras ausgestattete Fahrzeuge, Straßenkontrollen und Durchsuchungsaktionen bearbeitet.

Bei den Sicherheitsmaßnahmen, die anlässlich der Spiele aufgefahren werden, handelt es sich um die massivsten, die Großbritannien seit dem Zweiten Weltkrieg gesehen hat. Im Osten von London werden auf den Hausdächern der Wohnsilos von Blackheath, Shooters Hill sowie im Lea Valley und dem Epping Forest Boden-Luft-Raketen postiert. In Northolt, im Norden Londons, werden Kampfflugzeuge stationiert und auf der Themse patroullieren Kriegsschiffe.

Neben 13.500 SoldatInnen und tausenden von PolizeibeamtInnen, werden 48.000 Beschäftigte privater Sicherheitsfirmen unterwegs sein. Die Firma „G4S“ soll 23.700 Menschen ausbilden und wird weitere 10.000 auf Abruf haben, die Teil eines 284 Millionen brit. Pfund umfassenden Vertrags sind. („The Guardian“, 21. Juni 2012) Die Spiele werden die seit langem schon in Gang befindliche Privatisierung der Sicherheitsdienste weiter vorantreiben und damit auch jede Verantwortlichkeit der Lokalverwaltungen weiter zurückdrängen.

Eine Innovation, die allem Anschein nach permanent und Unheil verkündend ihren Einsatz finden wird, ist die der Dronen. Zwar hat eine ganze Reihe britischer Polizeieinheiten sie schon ausprobiert. Ihr Einsatz bei den Olympischen Spielen wird aber voraussichtlich zum Startschuss für den flächendeckenden Einsatz im ganzen Land. Die Einrichtungen des kapitalistischen Staates werden die Erfahrungen, die sie beim Einsatz der Dronen während der Olympiade machen werden, genauso auch gegen zukünftige Kämpfe der ArbeiterInnen einsetzen, wie auch die hierbei angewendete Hardware.

Von Quasi-Nichtregierungsorganisationen hinters Licht geführt

Um den ganzen Schwindel rund um die Olympischen und Paralympischen Spiele verstehen zu können, ist es von zentraler Bedeutung sich anzusehen, wie man im Bewerbungsverfahren gewinnen konnte und was sich alles daran anschloss. Die zweite Auflage des Buches „Ground Control“ von Anna Minton (Penguin Books, 2012) entblößt die unverantwortliche Meinungsmache, die – um den eigentlichen Wünschen und Interessen der örtlichen EinwohnerInnen etwas entgegen zu setzen, mit einem Gewirr an Gedankenspielen aufwartet und das von Quasi-Nichtregierungsorganisationen inszeniert wird.

Bevor London den Zuschlag für Olympia bekam, hatte das Bauunternehmen „Chelsfield“ den Plan, in Stratford, östlich des Stadtbezirks Newham im Osten von London, einen riesigen Einkaufskomplex zu bauen. 2004 wurde es von drei Firmen aufgekauft: „Westfield“, dem größten Betreiber von Einkaufszentren weltweit, „Multiplex“, der Baufirma, die das neue Wembley-Stadion errichtet hat, und „Reuben Brothers“, ein Immobilienmakler, der in den 1990er Jahren in Russland zu Reichtum kam.

Und weil die Öffentlichkeit hinter einer Bewerbung für Olympischen Spiele stehen muss, bat das Komitee für die Olympia-Bewerbung („Olympic Bidding Committee“; OBC), dem zu jener Zeit ein gewisser Lord Coe vorsaß, „TELCO“ („The East London Communities Organisation“, das heute unter der Bezeichnung „London Citizens“ bekannt ist) um Unterstützung. Mit Mitgliedern im ganzen East End von London, darunter auch rund 80 religiöse Gruppierungen und Gemeindevertretungen, hatte „TELCO“ doch einen gewissen Einfluss. Man setzte also eine „ethische Vereinbarung zu Olympia“ auf, das auch Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum für die ortsansässige Bevölkerung, Bildungsangeboten, einer angemessenen Gesundheitsversorgung und Arbeitsplätzen im Rahmen des Londoner Mindestlohns beinhaltete. Die Vereinbarung wurde damals, im Jahr 2004, von Lord Coe, Ken Livingstone (dem damaligen Londoner Bürgermeister) und John Biggs, einem Mitglied der „Labour London Assembly“ (Sozialdemokraten im Londoner Stadtparlament) und stellvertretender Sprecher der „London Development Agency“ (dt.: „Londoner Entwicklungsbüro“).

Als die Entscheidung für London als Austragungsort der Olympiade 2012 erst einmal gefallen war, wurde das OBC direkt abgewickelt – und damit auch die Pläne, Stratford zu einer großen Verkaufshalle umzufunktionieren. Auch von Zuwendungen für die anderen „Olympia-Stadtbezirke“ Tower Hamlets, Hackney, Waltham Forest und Greenwich war plötzlich keine Rede mehr. Stattdessen wurde 2006 die „Olympic Delivery Authority“ (ODA; halb-staatliche Einrichtung; Anm. d. Übers.) gegründet, um die anlässlich der Olympiade gebauten Einrichtungen weiterzuentwickeln und über deren Nutzung nach den Spielen zu entscheiden. Diese ODA lehnte es plötzlich ab, sich mit „TÈLCO“ zusammen zu setzen oder die o.g. Vereinbarung anzuerkennen. Die Begründung dafür lautete, dass die ODA schließlich noch nicht existiert habe, als besagte Vereinbarung unterschrieben wurde.

Unterdessen hatte „Westfield“ in der Zeit seit der erfolgreichen Olympia-Bewerbung die anderen Unternehmen aufgekauft. Die Land- und Wohnrechte übertrug man auf den Bauträger namens „Land Lease“. Zu jenem Zeitpunkt nahm die Hypothekenkrise gerade ihren Anfang. Der Vertrag mit „Land Lease“ platzte und „Westfield“ zögerte, die Arbeiten am Bau des Einkaufszentrums wieder aufzunehmen.

Als die „New Labour“-Regierung ihr 50 Milliarden brit. Pfund umfassendes sogenanntes Rettungspaket für die Banken schnürte und deren Teil-Verstaatlichung vorbereitete, wurden 5,9 Milliarden brit. Pfund an öffentlichen Geldern ins Projekt Olympia gepumpt, um auch dieses zu retten. Die Regierung stimmte zu, das „Olympische Dorf“ zu finanzieren und beauftragte „Land Lease“ mit der Umsetzung. „Westfield“ bekam 200 Millionen brit. Pfund an öffentlichen Geldern, um die Straßen zu bezahlen, die zum Einkaufskomplex führten. Da alle anderen, über das ganze Land verstreut liegenden, geplanten Projekte von „Westfield“ und „Land Lease“ nicht in ähnlichem Ausmaß gefördert wurden, wurden sie auf Eis gelegt. Und wiedermal wurde den SteuerzahlerInnen aus der Arbeiterklasse und der Mittelschicht das Geld abgenommen, um es einigen der reichsten Immobilien- und Baufirmen der Welt in den Rachen zu schmeißen

Parkleben

Wenn der rund zwei Quadratkilometer große Olympiapark nach den Spielen in einem Jahr wiedereröffnet wird, soll er „Queen Elizabeth Olympic Park“ heißen. Es wird dann der erste Park sein, der nach der Viktorianischen Zeit in London gebaut wurde und der erste, der seither wieder die Bezeichnung „königlicher Park“ tragen wird. Auch dies ist irreführend. Die acht „königlichen Parks“ in London sind nach der Verabschiedung des Gesetzes „Crown Lands Act“ im Jahre 1851 gebaut worden. Auf diese Weise wurden damals Parkflächen, die sich im Besitz von Queen Victoria befanden, in öffentliche Flächen umgewandelt. Im Gegensatz dazu steht, dass der Olympiapark und alle Einrichtungen, die dieser umfassen wird, privat geführt werden sollen.

Die „Olympic Park Legacy Company“ (OPLC; dt.: „Unternehmen, das sich um das Erbe des Olympiaparks kümmert“) ist die Quasi-Nichtregierungsorganisation, die die Leitung des Parks innehaben wird. Den Vorsitz dieses Unternehmens hat Baroness Margaret Ford inne, und das „Olympische Dorf“ wurde bereits an ein Konsortium verkauft, das von der königlichen Familie des Emirats Katar geleitet wird. Zudem plant man, die anderen Teile des Parks an unterschiedliche Bieter zu veräußern.

Baroness Ford sagte, sie möchte in der Tradition der Londoner Bauten unter König Georg ein Anwesen schaffen, das sich an das frühe 19. Jahrhundert anlehnt. Diese Parallele ist aber gefährlich korrekt. Die Georgianischen Bauten waren privat und die Öffentlichkeit wurde von ihnen ausgeschlossen. Geöffnet wurden sie erst, als die Zentral- und die Lokalverwaltung mehr Platz brauchten. Die Baroness will uns zurück befördern in die Zeit vor der Einführung des allgemeinen Wahlrechts. Das wäre ein gefährlicher Rückschritt in vergangene Zeiten.

Der Olympiapark liegt auf der Grenze dreier Stadtbezirke: Newham, Tower Hamlets und Hackney. Doch wer wird für die Zurverfügungstellung der nötigen Dienstleistungen aufkommen? Vermutlich ist die königliche Familie von Katar für die Bewirtschaftung des dann ehemaligen „Olympischen Dorfs“ verantwortlich. Wobei sie damit zweifelsohne eine Gebäudebewirtschaftungsunternehmen beauftragen wird. Für die Zukunft ist es wahrscheinlich, dass in Privatbesitz befindliche Areale an andere Käufer weitergegeben werden. Werden die Leute für diese Orte künfig Steuern zahlen, ohne in den Genuss der entsprechenden Einrichtungen zu kommen?

Die OPLC wird bald schon durch eine andere Quasi-Nichtregierungsorganisation, die „London Legacy Development Corporation“ (LLDC), abgelöst werden. Diese wird erheblich größere Machtbefugnisse für ein noch größeres Gebiet haben. Zu dem Areal, über das die LLDC wachen wird, gehören der Olympiapark, das „Olympische Dorf“, Westfield Stratford City, Hackney Wick, Fish Island, andere Gebiete in Stratford, Three Mills und Bromley-by-Bow.

Das bedeutet, dass ein riesiger Teil von Ost-London demnächst privat sein wird und damit im Endeffekt nicht mehr unter der Kontrolle der örtlichen öffentlichen Verwaltung steht. Das alles ist vergleichbar mit der Situation um die Docklands in den 1980er Jahren. Damals beaufsichtigte die Regierung unter Margaret Thatcher eine umfangreiche Bebauung dort, die unter die Kontrolle von multinationalen Finanzinstitutionen gestellt und in deren Interesse geführt wurde. Dies war Teil der Strategie der konservativen Tories, die Einflussmöglichkeiten der gewählten Lokalverwaltungen entscheidend zu beschneiden.

Kein Erbe, das man sich wünschen würde

Zum in Aussicht gestellten Erbe sollte auch gehören, dass bis zu 11.000 Wohnungen im Olympiapark gebaut werden. Davon sollten 35 Prozent auch „bezahlbar“ sein. Bislang steht nicht fest, wie viele davon wirklich realisiert werden. Das „Olympische Dorf“ wird 2013 jedenfalls 3.000 neue Wohnungen bieten, von denen die Hälfte „bezahlbar“ sein soll. Doch was genau heißt das?

Im April hat die liberal-konservative Regierung die Mietregelungen für sogenannte „Sozialwohnungen“ (subventionierte Wohnungen, die in erster Linie von Wohnungsgesellschaften zu Verfügung gestellt werden) geändert. D.h., dass die Mieten nun auf bis zu 80 Prozent der marktüblichen Miete angehoben werden können. Das ist eine ganz massive Zunahme. Die im Wohnungswesen tätige Wohltätigkeitsgesellschaft „Shelter“ erklärt dazu, dass eine Sozialwohnung mit drei Betten in einem Londoner Außenbezirk, die 126 brit. Pfund pro Woche kostet, damit plötzlich 390 brit. Pfund wöchentlich kosten kann. Das nämlich entspräche 80 Prozent der marktüblichen Miete. (Anna Minton, „Ground Control“) Zudem hat die liberal-konservative Koalition das (von „New Labour“) ohnehin schon sehr niedrig bemessene Maximum dessen, was an Wohngeld beantragt werden kann, abgesenkt.

Zu Newham gehören 13 von Londons 15 am meisten sozial benachteiligten Bezirke. Fast die Hälfte der Bevölkerung dort lebt unterhalb der Armutsgrenze und 70 Prozent der Kinder leben in Niedriglohn-Haushalten. Es gibt dort 32.000 Haushalte, die auf der Warteliste der Verwaltungsbehörden für eine Wohnung stehen. Die, die auf eine Wohnung mit drei Betten warten, müssen 16 Jahre lang auf Zuweisung warten. Bei denen, die eine Vier-Betten-Wohnung such, geht es um einen Zeitraum von 15 Jahren. Die Leute dort haben keine andere Wahl, als sich privat irgendwo einzumieten.

Die Konsequenz aus alldem ist, dass für die große Mehrheit der BewohnerInnen von Newham oder der anderen „Olympia- Stadtbezirke“ nur sehr wenige – wenn überhaupt – Wohnungen bezahlbar sein werden. Das Versprechen, es würde zu tollen Hinterlassenschaften nach Olympia kommen, um die von der Armut gezeichneten Gegenden im Osten Londons aufzufrischen – vermutlich sogar die Basis auf der der Zuschlag für Olympia 2012 in London gründet – ist und war immer kompletter Schwindel.

Die Olympischen und die Paralympischen Spiele sind Anlässe dafür, begeisternde Leistungen und Fähigkeiten, Geschwindigkeit, Kraft, Stärke und Ausdauer erleben und feiern zu können. Sie bieten die Möglichkeit, an einer großartigen globalen Party teilnehmen zu können, auf der AthletInnen und BesucherInnen zusammenkommen und von Millionen weltweit gesehen werden. Das kapitalistische System hat jedoch nur Augen für den kurzfristigen Profit. Für die multinationalen Konzerne sind die Spiele nur eine riesige Möglichkeit ihre Waren loszuwerden. Sie diktieren die Gangart, die vom verrotteten politischen Establishment und korrupten Funktionären begünstigt und unterstützt wird.