Die Grenzen betrieblicher Mitbestimmung

Gerhard Ziegler

Personelle Basis für betriebliche Mitbestimmung sind die Betriebsräte. Sie entsenden Vertreter in den Aufsichtsrat, haben zwingendes Informationsrecht zu geplanten Änderungen im Betrieb, in bestimmten Dingen (etwa ungerechtfertigte Kündigung) sogar ein Vetorecht. Über Betriebsvereinbarungen können Betriebsräte mit der Unternehmensleitung im Grunde alle Belange in Bezug auf die Arbeitenden eines Betriebes regeln. Vor allem aber haben sie die Möglichkeit, die Arbeitenden im Betrieb zu informieren, Betriebsversammlungen einzuberufen und so bei Bedarf Arbeitskämpfe, Streiks etc. vorzubereiten.

Gesetzliche Basis für betriebliche Mitbestimmung in Österreich sind das Betriebsrätegesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz, die 1920 von den Herrschenden den revoltierenden ArbeiterInnen zugestanden wurden. Damit sollte die Streik- und Rätebewegung befriedet werden, die sich in Österreich 1918 im Kampf gegen den Kriegshunger, beflügelt durch die erfolgreiche Russische Revolution, ausbreitete.

Die betriebliche Mitbestimmung ist, wie alles dem Kapital Abgerungene, ein Kompromiss. Vieles ist gesetzlich geregelt, vieles wieder nicht. Dem Betriebsrat fällt auch eine Vermittlerrolle zwischen ArbeiterInnen-Interessen und betrieblichen Interessen zu. Er darf etwa keine Betriebsgeheimnisse veröffentlichen. Letztlich begrenzt die Profitlogik seinen Aktionsradius. So können die Rechte des Betriebsrates von Betrieb zu Betrieb viel oder wenig sein – je nach Bewusstsein und Kampfbereitschaft der Betriebsräte und Arbeitenden.

Es handelt sich jedenfalls um reale Verbesserungen im Vergleich zum 19. Jahrhundert, wo es diese Rechte nicht gab. Wir verteidigen sie gegen jeden Angriff des Kapitals. Gleichzeitig schüren sie aber Illusionen in ein partnerschaftliches Nebeneinander von Kapital und Arbeit und sind Nährboden für reformistische Gewerkschaftspolitik: Streiks und Klassenkämpfe werden verhindert, um ein gutes Gesprächsklima für kleinere Verbesserungen nicht zu gefährden. Dazu ist Disziplinierung notwendig, Verhandlungen werden hinter verschlossenen Türen geführt, die Mitglieder vor vollendete Tatsachen gestellt. Durch diese Routine, gepaart mit Privilegien, hintergeht die Gewerkschaftsbürokratie ihre Mitglieder, manchmal bis hin zu offenem Verrat. So wird die Kampfkraft der Gewerkschaften insgesamt geschwächt.

Aber nur offensiver Kampf kann der Kürzungspolitik der Regierung und der Krise des kapitalistischen Systems etwas entgegensetzen. Entscheidend ist dabei das Kräfteverhältnis, welche der beiden Klassen sich durchsetzt.

Betriebsräte und Gewerkschaften können dabei eine wichtige Rolle spielen, denn wie es Karl Marx in Lohn, Preis und Profit ausdrückt: „Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. ... Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems.“

Erscheint in Zeitungsausgabe: