Der Prozess: Ein Lehrstück im Kino

§ 278a - staatliche Gewalt in vollem Umfang
Helga Schröder

Das Beeindruckendste an „Der Prozess“ ist seine Eigenschaft als Dokumentarfilm. Eine knallharte Protokollierung von Tatsachen, die sich real abgespielt haben. Hier wird keine Geschichte erzählt, erfunden oder gespielt, hier wird Realität gezeigt, die filmisch – oder zeichnerisch - festgehalten wurde. Kein Spielfilm, aber auch kein historischer Film und auch keine Ereignisse in einem fernen Land. Österreich 2011. Ohne Kommentar, ohne Interpretation. Und dennoch erscheinen die ProtagonistInnen wie in einem Stück Literatur, der Film trägt nicht umsonst den Titel des großen Kafka-Romans. Als ZuseherIn stockt einem zuweilen der Atem.

Die Dokumentation zeigt sehr klar, wie eine verdeckte Ermittlerin, die normalerweise, so sollte man meinen, die wichtigste Zeugin der Anklage sein sollte, seltsamerweise die wichtigste Zeugin der Verteidigung wird. Weil die verdeckte Ermittlung rechtswidrig eingesetzt wurde und dann auch noch nichts Belastendes hervorgebracht hat, wird versucht, sie aus den Akten verschwinden zu lassen und zu verschweigen. Den Angeklagten und der Verteidigung gelingt es aber, sie vor Gericht zu bringen.

Das Thema Tierschutz ist nur sehr am Rande relevant, weil alles Dokumentierte eins zu eins auf alle politisch Engagierten umgelegt werden kann - mit Ausnahme des Rechtsextremismus, gegen den nicht annähernd so „ambitioniert“ vorgegangen wird. Dass Rechte und Rechtsextreme Teil der Herrschenden sind und die Interessen der Reichen vertreten, ist im Film anschaulich dokumentiert. Den Film sollten alle Menschen, die politisch aktiv sind, in der Zivilgesellschaft engagiert sind, oder sonst Widerstand oder Zivilcourage leisten, gesehen haben, um zu wissen, womit sie es zu tun haben. Wir haben es zu tun mit Herrschenden, die sich nicht in die Suppe spucken lassen wollen und zunehmend, offenbar in Bedrängnis, zu immer drastischeren Mitteln gegen jede Art von Auflehnung und Widerstand seitens der Beherrschten greifen. In „Der Prozess“ wird deutlich: es geht nicht um das Thema Tierschutz, es geht nicht um die konkreten Aktionen oder Handlungen der TierschützerInnen. Es geht um Profite.

Der einzige Grund, warum es ausgerechnet die TierschützerInnen erwischt hat, ist der, dass ein einflussreicher Unternehmer konkret und unmittelbar durch Proteste vor dem Geschäft seine Umsätze gefährdet sah und sich aus diesem Grund entschieden hat, gegen die AktivistInnen vorzugehen. Die direkte Intervention durch die Wirtschaft bei Behörden wird klar. Die grundlose Verfolgung von Unerwünschten durch die Behörden auf Bestellung von Unternehmen wird im Film auch jenen klar, die das nicht wahrhaben wollen. Ein Unternehmer hat die ihm zur Verfügung stehende Maschinerie in Gang gesetzt. Diese Maschinerie besteht aus dem gesamten Machtapparat der Herrschenden, nämlich Kapital in Verbindung mit staatlichen Behörden und etablierter Politik. Das wissen wir natürlich. Aber die Maschinerie wird von den Herrschenden nicht leichtfertig in Gang gesetzt. In diesem Fall ist es aber geschehen und der Film zeigt auf eindrucksvolle Weise das Ingangsetzen dieser Maschinerie anhand eines realen, aktuellen, konkreten Beispiels. Andere werden folgen. Wir lassen uns nicht einschüchtern.