Der Aufstieg und Fall der Kommunistischen Internationale

Vor 90 Jahren: Gründung einer echten „NGO“
Tom Stanford

Die russische Revolution 1917 verbreitete eine Welle der revolutionären Begeisterung unter der ArbeiterInnenklasse der ganzen Welt. Die Aussicht auf eine sozialistische Revolution lag über ganz Europa.
Im Ersten Weltkrieg hatte allerdings die Führung der europäischen Sozialdemokratie die eigenen herrschenden Klassen unterstützt. Das bedeutete den totalen Zusammenbruch des internationalistischen Sozialismus in der Zweiten Internationale, die vor 1914 Millionen Menschen organisiert hatte. Ebenso stellte sie sich gegen die Versuche, durch Revolutionen in der Folge des Krieges den Kapitalismus in Europa abzuschaffen (z.B. Novemberrevolution 1918 in Deutschland).

Eine Internationale für die Weltrevolution

Daher wurde die Dritte Internationale, oder Kommunistische Internationale (Komintern), im März 1919 formell gegründet. Ihre erklärten Ziele und Absichten waren der Sturz des Weltkapitalismus; die UdSSR sah man damals nur als Basis für die Weltrevolution.
Die Bildung der Dritten Internationale führte schnell zur Gründung von mächtigen Kommunistischen Parteien in den wichtigsten Ländern der Welt. Die Kommunistischen Parteien in Europa gewannen ständig Mitglieder und Einfluss auf Kosten der Sozialdemokratie. 1920 wurde in Deutschland ein reaktionärer Putschversuch durch einen Massenstreik im Keim erstickt; 1923 – nur zehn Jahre vor der Machtergreifung des Nationalsozialismus – bestand in Deutschland eine revolutionäre Situation, welche die KPD leider nicht nutzen konnte.

1924 – Rechtsruck der Komintern

Das verläufige Scheitern der Weltrevolution und die Isolation der Sowjetunion führten Mitte der 1920er Jahre zur Bürokratisierung in der UdSSR. Nach Lenins Tod 1924 stellte Stalin zum ersten Mal seine Theorie vom „Sozalismus in einem Lande" auf, eine klare Abwendung von den Prinzipien des revolutionären Internationalismus unter Lenin. Diese Wende drückte einen scharfen Schwenk nach rechts sowohl in der internen russischen Politik als auch in der Politik der Komintern aus. Gegen diese Entwicklungen wurde die Linke Opposition unter Trotzkis Führung organisiert.
Die von der Linken Opposition vorgeschlagene Politik der Industrialisierung Russlands durch eine Serie von Fünfjahresplänen wurde von Stalin abgelehnt. In Russland galt damals die Politik, die reichen Bauern und Kleinkapitalisten zu fördern. Auch die Politik der Komintern wurde nun weit nach rechts gedrückt, um neue - bürgerliche - Verbündete für die Sowjetunion zu finden. Deswegen erlitten die ArbeiterInnenbewegungen in mehreren Ländern große Niederlagen und die KP verlor stark an Einfluss bei den Massen. Die Niederlagen stärkten die Stellung der Bürokratie in der Sowjetunion. Die Linke Opposition unter Trotzkis Führung wurde 1927 aus der Bolschewistischen Partei und der Komintern ausgeschlossen.

1928 – Schwenk ins andere Extrem

Wegen des alarmierenden Wachstums der Stärke und des Einflusses der reichen Bauern und Kleinkapitalisten wurde 1928 neuerlich ein Schwenk in der Politik der UdSSR eingeführt: Industrialisierung und Kollektivierung – allerdings „von Oben“. Neben den unbestreitbaren Erfolgen der ersten Fünfjahrespläne für den industriellen Aufbau, führte vor allem die Politik der Zwangskollektivierung ganze Regionen in den Abgrund. 1928 wurde mit dem 6. Kongress die Komintern selbst in die entsprechende neue, „ultralinke“ Richtung gedreht. V.a. sollte sich die Sozialdemokratie selbst in den „Sozialfaschismus" verwandelt haben. Keine Abkommen mit den „Sozialfaschisten" waren nun mehr möglich, die zerstört werden mussten.
Während der beispiellosen Rezession von 1929-33 konnten die tatsächlichen Faschisten eine Massenbasis in Deutschland aufbauen. Im Gegensatz zu den TrotzkistInnen, die sich für eine Einheitsfront mit den Sozialdemokraten gegen Faschismus aussprachen, bekämpften Stalin und die Komintern immer wieder die Sozialdemokratie als den „Hauptfeind" der ArbeiterInnenklasse.
Im Jänner 1933 war daher Hitler die Machtergreifung ohne jede organisierte Opposition möglich, in einem Land mit der am höchsten organisierten ArbeiterInnenklasse und der stärksten KP außerhalb Russlands. KPD und Sozialdemokratie zusammen waren die mächtigste Kraft in Deutschland.

1935-43: die Komintern als Gegner der Revolution

Aber wegen der Gefahr, die Hitler für die Sowjetunion darstellte, gerieten Stalin und die Bürokratie bald in Panik. Mit dem allerletzten Kongress der Komintern wurde 1935 die „Volksfront" mit bürgerlichen Kräften zur neuen Politik der Komintern. Die Moskauer Prozesse, die Ermordung der alten Bolschewiki, die Säuberungen, Morde und Exilierungen von Zehntausenden russischen kommunistischen ArbeiterInnen haben die stalinistische Konterrevolution in der Sowjetunion vollendet. In anderen Ländern ist der Stalinismus bald zum Gegner von ArbeiterInnenrevolutionen geworden. In Frankreich und Spanien spielte die Komintern bei der Zerstörung der Revolution, die erreichbar gewesen wäre, die Hauptrolle.
Ironischerweise wurde der Zweiten Weltkrieg 1939 von einem Pakt zwischen Hitler und Stalin eingeleitet. Dann führte die Komintern eine Kampagne für den Frieden im Interesse Hitlers. Mit dem Einmarsch der Nazis in die Sowjetunion 1941 musste sich Stalin plötzlich in eine Fußmatte für den westlichen Imperialismus verwandeln, und 1943 wurde auf Verlangen der USA die Komintern schließlich aufgelöst.
Die Komintern zeigt die Notwendigkeit der internationalen Organisierung der ArbeiterInnenklasse - aber auch die Fehler, wenn eine solche Organisation nicht demokratisch, sozialistisch und internationalistisch bleibt.
 

*Der Artikel beruht auf einen Broschüre des britischen Sozialisten Ted Grant. Sie kann über die Redaktion bestellt werden.
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