Der „Aufschwung“, den wir nicht spüren

Die Herrschenden brauchen dringend gute Nachrichten. Darum wird auch viel über den „Aufschwung“ berichtet.
Sonja Grusch

Von „Aufschwung“, „Wirtschaftswachstum“, ja sogar von „Hochkonjunktur“ ist die Rede. Das Problem: es fühlt sich nicht so an. Die Regierung plant ein Kürzungsprogramm und sehr viele haben Angst vor der Zukunft. Es ist also nicht weit her mit diesem „Aufschwung“ – eine kurzfristige Erholung einzelner Wirtschaftssektoren muss noch überhaupt nicht bedeuten, dass es auch für die Bevölkerung bergauf geht. Das Märchen von „geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ glaubt kaum noch wer: Obwohl 67% angeben, dass es 2018 „wirtschaftlich aufwärts gehen wird“ glauben 89% nicht, dass sich 2018 die Kluft zwischen Arm und Reich verkleinern wird und nur 19% erwarten eine Verbesserung für sich selbst. Nur 9% meinen, dass ArbeitnehmerInnen vom Regierungsprogramm profitieren, aber 49%, dass Unternehmen profitieren.

In der kapitalistischen Theoriewelt werden Menschen bestenfalls als KonsumentInnen bzw. Produktionsfaktor, aber nicht als menschliche Wesen mit Rechten und Bedürfnissen wahrgenommen. Hinzu kommt noch, dass keine dieser Theorien den Praxistest besteht. Egal, ob die kapitalistischen „ExpertInnen“ für mehr oder weniger staatliche Eingriffe, weichere oder härtere Währung, expansivere oder restriktivere Geldpolitik, Keynesianismus oder Monetarismus/Wirtschaftsliberalismus stehen: sie alle haben keine tauglichen Mittel, um Krisen dauerhaft zu verhindern. Davon zeugt eine Vielzahl von Krisen, die seit Bestehen des Kapitalismus und immer mit verheerenden Folgen für die ArbeiterInnenklasse und die Armen stattgefunden haben.

Einzig in den 1950er und 60er Jahren und in den entwickelten kapitalistischen Staaten wuchs die Wirtschaft stark und auch der Lebensstandard der Bevölkerung wurde merklich besser. Doch das war eine Sonderperiode, die auf den Zerstörungen des 2. Weltkrieges und der Systemkonkurrenz zu den planwirtschaftlich organisierten stalinistischen Staaten aufbaute. Viel mehr ist das, was vorher und nachher herrschte, die kapitalistische Realität: Wiederkehrende Krisen, Krieg und Kriegsgefahr, Armut und Ausbeutung für große Teile der ArbeiterInnenklasse. In dieser Realität ist auch Österreich längst angekommen.

Und diese kapitalistische Realität bedeutet seit den 1970er Jahren sinkende Wachstumszahlen bei BIP und Produktivität. Das reale Wirtschaftswachstum liegt 2017 bei im Vergleich zu anderen Jahren seit 1945 niedrigen 3%. Und alle Prognosen (die traditionell optimistisch sind) sehen 2017 bereits den Höhepunkt erreicht. Wir haben es mit einer kurzen und schwachen Erholung zu tun.

Vor zehn Jahren begann die erste tiefe Krise des 21. Jahrhunderts. Weil in ihrem Gefolge auch die politischen Systeme und „der gute Ruf“ des Kapitalismus selbst in die Krise gerieten, brauchen die KapitalistInnen dringend gute Nachrichten. Daher auch die Propaganda vom Wachstum, von den Chancen der neuen Technologien etc. Es wird verzweifelt versucht, so zu tun, als ob „eh alles wieder gut“ wäre.

Dabei hat sich an den Widersprüchen, die vor zehn Jahren zur Krise geführt haben, nichts geändert. Und zwar nicht nur an den generellen kapitalistischen Widersprüchen, sondern auch an den aktuellen ökonomischen Schwächen wie der Bildung spekulativer Blasen, der sinkenden Produktivität, der steigenden Verschuldung, einer schleppenden Nachfrage etc.. Anstatt in die Produktion zu investieren, bilden sich neue Blasen (Stichwort: Bitcoins etc.). Der aktuelle „Aufschwung“ wurde durch massive staatliche Zahlungen finanziert (und eine verstärkte Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse durch eine reale Umverteilung von unten nach oben) - d.h. die Verschuldung ist weiter angestiegen, die Kaufkraft aber gesunken. Acht bis zehn Prozentpunkte der Staatsverschuldung sind auf die Bankenrettung zurück zu führen: Unsere Steuergelder wurden zur „Rettung“ von Banken und Unternehmen eingesetzt, während der Lebensstandard der meisten hierzulande gesunken ist. Und bei uns wird gespart, um die Schulden abbauen zu können.

Dass die Herrschenden selbst nicht an den „Aufschwung“ glauben, zeigt sich im Tempo der Regierung, die willfährig die Wünsche der Wirtschaft umsetzt. Das Regierungsprogramm hat v.a. eine Aufgabe (in der es sich eben nicht von den Plänen von Kern&Co. unterscheidet): den Standort Österreich im internationalen Wettbewerb besser zu positionieren. Das geht nur, indem bei den Unternehmen Kosten (=Steuern, Umwelt- und Sicherheitsauflagen, Löhne bzw. Lohnnebenkosten) gesenkt werden.

Auch im „Aufschwung“ sollen wir also für die Profite der Banken und Konzerne bezahlen. Eine Wirtschaft, die für die Menschen gut ist und nicht nur für eine kleine Elite sieht aber anders aus. Wir brauchen ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, dass sich an den menschlichen Bedürfnissen nach Arbeit, Wohnen, Leben, Sicherheit und Frieden orientiert – und nicht an Profiten. Doch das geht nicht im sondern nur ohne den Kapitalismus. Ein echter, nachhaltiger Aufschwung, also echte und dauerhafte Verbesserungen für unser aller Leben und eine sichere und gute Zukunft braucht ein System, dass mit der Profitlogik bricht und in dem wir alle, und nicht nur eine kleine Elite, entscheiden. Ein demokratisches, sozialistisches System. 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: