Austasch bezahlte Jobs durch unbezahlte Arbeit geht weiter

Und wieder hat die SPÖ ein Wahlversprechen gebrochen...

Im Wahlkampf hatte die SPÖ noch die Verkürzung des Zivildienstes (parallel zur Verkürzung des Wehrdienstes) auf sechs Monate versprochen. Nun wird der Wehrdienst auf sechs Monate verkürzt, der Zivildienst bleibt bei neun Monaten. SPÖ-Verteidigungsminister Darabos erklärte, er nehme zur Kenntnis, dass Hilfsorganisationen mit neun Monaten Zivildienst besser zurecht kommen. Was logisch ist, da die es besser ist, eine billige Arbeitskraft für neun, als für sechs Monate zu haben.

Trend zum Austausch von bezahlten Jobs durch unbezahlte Arbeit bzw. schlecht bezahlte Arbeit geht weiter

Ein Element neoliberaler Politik ist der Rückzug des Staates aus diversen Bereichen wie Bildung und Gesundheit. Diese Politik wird auch in Österreich seit vielen Jahren betrieben. Das begann schon in den 1990er Jahren unter der damaligen SPÖVP-Regierung. Schwarz-Blau-Orange führten den Kurs fort und die aktuelle Regierung macht dasselbe.

Um den Rückzug des Staates zu verschleiern erfolgt er in Schritten - Ausgliederungen und Privatisierungen im Sozialbereich, höhere Selbstbehalte im Gesundheitswesen, fehlende Plätze in der Altenbetreuung, Auslagerung der Bildungskosten durch Nachhilfe an die Eltern...

Zivildienst = Zwangsdienst

Zivildiener sind extrem billige Arbeitskräfte, für die normale arbeitsrechtliche Bestimmungen nicht gelten. Sie müssen in der Regel 50, teilweise 60 Stunden pro Woche arbeiten, haben nur 10 Urlaubstage pro Jahr und "verdienen" ca. drei Euro pro Stunde. Dass viele der sozialen Einrichtungen im Pflege- und Krankenwesen ohne Zivildiener nicht auskommen, ist klar. Seit Jahren zieht sich der Staat aus diesen Bereichen zurück, die Einrichtungen müssen sich um die Subventionen streiten (das ist u.a. das Prinzip des von der Gemeinde Wien ausgelagerten Fonds Soziales Wien), die öffentlichen Gelder für diesen Bereich werden geringer. Obwohl die Menschen älter und teilweise auch kränker werden, also eigentlich mehr Geld für diesen Bereich nötig wäre. Kollektivvertraglich abgesicherte Jobs (obwohl der KV in diesen Bereichen auch nicht gerade berauschend ist) können sich die Anbieter immer weniger leisten, da kommen die billigen Zivis gerade recht.

Pflege zu Hause = Belastung der Angehörigen, oft schlecht für die Pflegebedürftigen

Auch bei der Pflege gibt es laut Medienberichten eine "Einigung" zwischen den Koalitionspartnern. Wobei außer der Zustimmung von Buchinger zum miesen arbeitsrechtlichen Vorschlag von Bartenstein eigentlich nichts fix sein dürfte. Die Frage der Finanzierung ist ebenfalls noch offen. Auch in der Pflege ist der Trend der letzten Jahre klar: die Menschen werden älter. Das sollte ja eigentlich gut sein. Aber da die öffentliche Hand nicht mit auseichenden humanen und kostenlosen Pflegeeinrichtungen reagiert hat, gibt es einen Pflegenotstand. Der Großteil der Pflegebedürftigen wird von Angehörigen gepflegt - oft "neben" ihrem Job, oft durch Menschen, die selbst schon im Pensionsalter sind, meist durch medizinisch völlig ungeschulte Menschen.

Auch im Pflegebereich werden die Kosten auf die Betroffenen abgewälzt. Ja, es gibt ein "Pflegegeld", nur reicht das für eine umfassende Pflege nicht aus. In vielen Bundesländern holen sich die Pflegeeinrichtungen die Differenz von den Angehörigen. Nach dem Motto: Wer nicht die Schwiegermutter zuhause aufnehmen kann/will um sie zu pflegen, der muss zahlen.

Natürlich ist die Beschäftigung von nicht sozialversicherten und schlecht bezahlten PflegerInnen aus Osteuropa keine wirkliche Lösung. Menschen, die als PflegerInnen arbeiten, haben das Recht auf geregelte Arbeitszeiten, Freizeit, ein ordentliches Einkommen und soziale Absicherung. Menschen die Pflegebedürftig sind, haben das Recht auf umfassende, humane und professionelle Pflege, unabhängig von ihrem Einkommen/Vermögen.

Privat kann es hier keine Lösung geben. Die von Bartenstein vorgebrachte „Lösung“ von 3000.- pro Monat können sich nicht nur die Wenigsten leisten, sie würde auch Hungerlöhne für die Pflegenden bedeuteten. Die von ihm ebenfalls angedachte "Pflegeversicherung" bedeutet eine weitere Auslagerung von Kosten weg vom Staat. Schon bei der Pensionsreform wurde auf die "zweite und dritte" Säule gesetzt - auf Betriebspensionen und private Pensionsvorsorge. Tatsache ist aber leider, dass es wenig Betriebspensionen gibt und die private Pensionsvorsorge keineswegs eine sichere Anlage ist. Vorausgesetzt man kann sie sich überhaupt leisten. Denn angesichts von sinkenden Realeinkommen wird die Zahl jener, die mit ihrem Einkommen kaum über die Runden kommen immer größer - woher sollen sie das Geld für eine zusätzliche Pflegeversicherung nehmen?

Nachhilfe Boom = Gute Bildung nur für die Elite

Das kleine Klassen und neue Unterrichtsformen gut sind, darüber herrscht in der Praxis Konsens. Nicht umsonst sind viele Kinder von PolitikerInnen und Wohlhabenden auf Privatschulen, die sich das leisten können. Für die breite Masse gilt das allerdings offensichtlich nicht. Die im Regierungsübereinkommen festgelegte Klassenschülerhöchstzahl von 25 (die ein Fortschritt wäre, aber eigentlich immer noch zu hoch ist) unterliegt der Schulautonomie - d.h. die Schulen sollen den Mangel selbst verwalten. Werden die Klassen kleiner, muss woanders gekürzt werden.

Kostenlose Bildung gibt es in Österreich schon längst nicht mehr. Für Schulbücher, Schulveranstaltungen, Kopien etc. muss schon längst von den Eltern (mit)bezahlt werden. Hinzu kommen jedes Jahr Milliarden Euro, die Eltern für private Nachhilfe ausgeben müssen. Der Nachhilfebedarf steigt - nicht weil die Kinder dümmer oder die LehrerInnen schlechter werden. Sondern weil die Klassen größer, der Leistungsdruck stärker und die Rahmenbedingungen schlechter werden. Anstatt von der Schule aus Fördermaßnahmen anzubieten, werden Eltern gezwungen, viel zusätzliches Geld für Nachhilfe auszugeben.

Arbeiten für die bedarfsorientierte Grundsicherung = Zwangsarbeit

Die im Regierungsübereinkommen fixierte und von der SPÖ abgefeierte bedarfsorientierte Grundsicherung wird den Druck auf Arbeitslose erhöhen. Sie ist an die Bereitschaft zu Arbeiten geknüpft. Was das konkret bedeutet und wer das entscheidet, ist unklar lässt aber nichts Gutes hoffen. Angedacht wird auch Arbeitslose bzw. BezieherInnen der bedarfsorientierten Grundsicherung für diverse Tätigkeiten heranzuziehen – Strassen- und Parkreinigung, Pflege etc. Abgesehen davon, dass nicht jedeR Arbeitslose in der Lage ist, diese Arbeiten zu verrichten (möchten sie von einem unmotivierten Arbeitslosen, der dazu gezwungen wurde und keine Ausbildung dafür hat, gepflegt werden?) werden damit kollektivvertraglich bezahlte Jobs vernichtet – d.h. die Anzahl der Arbeitslosen zwar nicht reduziert, aber die Kosten für die öffentliche Hand.

"Jeder muss seinen Beitrag einer solidarischen Gesellschaft leisten" - die ideologische Basis

Schon in den 1990er Jahren kamen moralische Vorstöße von Seiten der ÖVP in Richtung "Bürgergesellschaft". Das ist die ideologische Basis für den Rückzug des Staates aus dem Sozialbereich. "Die Familie" wird aufgewertet, Frauen sollen sich auf ihre „natürliche Rolle“ besinnen. Wer nicht mitmacht, ist unsozial und egoistisch. Auch die Aussagen von SPÖ-Bundeskanzler Gusenbauer angesichts der neuen Abarbeitungs-Regelung für Studiengebühren gehen in dieselbe Richtung. Studierende, die nicht neben Studium und Job, den sie fürs Überleben brauchen, für karge sechs Euro pro Stunde Nachhilfe oder soziale Arbeit verrichten wollen, werden als egoistisch dargestellt.

Hier wird seit Jahren eine moralische Keule geschwungen, um uns ein schlechtes Gewissen einzureden. Die Realität sieht allerdings anders aus: Wir arbeiten unser gesamtes Leben – erhalten dafür aber stets nur einen Teil der von uns geschaffenen Werte. D.h. wir arbeiten unser gesamtes Leben lang dafür, dass einige wenige wirklich reich werden – wir erhalten nur wenig von diesem Reichtum. Das Auseinanderklaffen von Löhnen und Gehältern einerseits und Gewinnen andererseits macht das deutlich. Von diesem Einkommen zahlen wir einen großen Anteil in Form von Steuern und Abgaben – die keineswegs vollständig für das Sozialsystem ausgegeben werden. Sondern auch für Subventionen für Unternehmen, für PolitikerInnengehälter und Eurofighter. Wir haben also bereits einen großen Beitrag zum Sozialsystem geleistet. Wir leisten – v.a. wenn wir Frauen sind – während unseres ganzen Lebens unbezahlte Arbeit: Hausarbeit, Kinderbetreuung, Krankenpflege, Nachbarschaftshilfe...

In einer Gesellschaft, in der die vorhandene Arbeit und der vorhandene Reichtum auf alle gleichmäßig aufgeteilt ist, in der wir nur wenige Stunden pro Tag arbeiten müssen aber trotzdem eine umfassende soziale Absicherung sowie Geld für Wohnung, Essen, Urlaub und Kultur haben – in so einer Gesellschaft sind wir auch bereit, „unseren Beitrag“ in Form von kostenloser sozialer Arbeit zu leisten.

Aber heute, in dieser kapitalistischen Gesellschaft, beweisen wir unser gesamtes Leben lang, dass wir fleißig und sozial sind. Wir brauchen uns nicht von Millionären wie Bartenstein oder Privilegienrittern wir Gusenbauer erklären lassen, wir müssten halt auch unseren Beitrag zur Gesellschaft leisten. Das tun wir tagtäglich.

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