Mo 19.03.2007
Ich kann heute keine DVD mehr bekommen, bei der ich nicht als potenzieller „Raubkopierer“ gewarnt werde vor den Verbrechen, die ich möglicherweise im Sinn hatte. Neue CDs lassen sich vorsichtshalber auf meinem Computer gar nicht erst abspielen – Kopierschutz nennt man das dann.
Die Besucher einer Film-Preview in Hamburg wurden beim Betreten des Saals ohne Vorankündigung einer Leibesvisitation durch Beschäftigte der Firma 20th Century Fox unterzogen, Überwachung mit Nachtsichtgeräten während der Vorführung inklusive.
Tausende Nutzer von Online-Tauschbörsen werden mit Abmahnungen zur Kasse gebeten, und die Bereitstellung von Songtexten im Internet kam zahlreiche Webmaster von Fan-Seiten teuer zu stehen: 1.600 Euro pro angebotenem Songtext. Der Hauptfeind der Konzerne der Medien- und Unterhaltungsindustrie sind nach wie vor die KonsumentInnen, die Fans, die eigenen Kunden. Mit der geballten Macht von Propaganda, juristischen und technischen Mitteln haben sie diesem Feind den Kampf angesagt.
Die Rechtfertigung: illegales Kopieren und Tauschen von Filmen, Musik, Software und anderen geschützten Produkten über das Internet sei verantwortlich für die enormen Umsatzverluste der Branche und damit auch für den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen.
Die Behauptungen sind so dreist wie sie falsch sind
Tatsächlich werden in der Branche immer noch gewaltige Gewinne gemacht: Der Medienkonzern Vivendi rechnete für das Jahr 2006 mit 2,6 Milliarden Euro Gewinn.
Walt Disney verfünffachte im letzten Quartal die Gewinne seiner Filmsparte auf 604 Millionen Dollar. In Arbeitsplätze werden die aber nicht investiert.
Die Berechnung der so genannten Verluste durch Raubkopien erfolgt in der Medienbranche auf äußerst kreative Weise: 32,7 Milliarden US-Dollar Schaden durch Software-Raubkopien ermittelte eine Studie im Auftrag des weltweiten Industrieverbands BSA – allein für das Jahr 2004! Anhand von Untersuchungen in einigen Ländern wurde der „durchschnittliche Softwarebedarf“ eines PCs definiert. Dann wurde auf jährlicher Grundlage die Differenz zwischen diesem „Bedarf“ und der tatsächlich verkauften Software ermittelt und mit dem Originalpreis multipliziert. Dass niemand sich jährlich mit neuer, mehrere hundert Euro teurer Software ausstattet, und dass die meisten Menschen sich ohne illegale Kopien den Großteil der Software auf ihrem Computer gar nicht leisten können, ficht diese Rechner nicht an.
Auch viele KünstlerInnen gehen leer aus
Wichtiger ist aber das immer wieder vorgebrachte Argument, Raubkopien schadeten den KünstlerInnen – das überzeugt viele. Denn wer möchte nicht die Kultur fördern? Wer möchte schon schuld sein am Ruin von hoffnungsvollen Nachwuchsbands?
Die meisten Bands bekommen von den Profiten der Plattenfirmen nichts oder nur sehr wenig ab, und auch sonst sieht es in der Branche eher mager aus: Gerade einmal 10.000 Euro im Jahresdurchschnitt verdient der gewöhnliche Kulturschaffende in Deutschland.
Die typische Situation bei den großen Plattenfirmen beschreibt Steve Albini (er war unter anderem Produzent von Nirvana): Eine Newcomer-Band, die mit „Vorauszahlungen“ in Höhe von 250.000 Dollar zu einem großen Plattenlabel gelockt wird, erhält am Ende der Paragrafen 4.031,25 Dollar pro Bandmitglied, bei der Plattenfirma verbleiben 710.000 Dollar. Dabei bleibt die Band dem Label verpflichtet und hat keine Chance, dem Vertrag zu entkommen. Sämtliche Rechte für die Musik gehen natürlich an die Firma, das heißt die Künstler können noch nicht einmal kostenlose Exemplare an ihre Freunde verschenken oder ihre eigenen Songs öffentlich aufführen ohne Genehmigung des Labels.
Man kann es drehen und wenden, wie man will – das wofür die Unterhaltungsindustrie produziert, sind nicht die Kunden, nicht die Künstler – es ist allein der Profit. Und dafür sollen wir zahlen?!