ÖsterREICH an Widerstand

Erste Proteste zeigen, was unter der Oberfläche brodelt und sind Vorboten für kommende Explosionen
Christoph Glanninger

Corona hat die Welle an Massenprotesten von 2019 nur kurz unterbrochen, sie sind nach einer kurzen Pause umso intensiver wieder gestartet: Von Black Lives Matter über die Massenaufstände in Belarus, Myanmar und Kolumbien bis zum erfolgreichen Widerstand gegen neoliberale Reformen in Schweden.

In Österreich wirkt die Situation auf den ersten Blick trotz der Skandalserie der Bundesregierung deutlich ruhiger. Doch Corona hat noch deutlicher als bisher vor Augen geführt, dass die Herrschenden und der Kapitalismus nicht in der Lage sind, uns eine Zukunft zu ermöglichen. Es sind die Arbeiter*innen, die alles am Laufen halten und Österreich kann sich nicht vor den Auswirkungen internationaler Krisen verstecken. Aber bis jetzt fehlt dieser Stimmung noch ein klarer Kristallisationspunkt, um sich in aktiven und v.a. breiteren Widerstand zu verwandeln. Weder Gewerkschaften, noch größere Parteien oder außerparlamentarische Bewegungen fordern aktuell die Regierung heraus. Aber es gibt kleine, lokale oder betriebliche Auseinandersetzungen, die genau zu so einem Kristallisationspunkt werden können. Proteste gegen Abschiebungen von Schüler*innen, für einen Corona-Bonus, gegen Femizide, Rassismus und Sexismus, gegen Klimazerstörung durch den Lobautunnel oder im Rahmen von Lohnverhandlungen blockierte Industrieparks - und das in allen Teilen von Österreich.

Gerade in Bildung, Gesundheit, Gastro und Handel wächst der Unmut über die Situation und es entwickeln sich erste Proteste. Hier arbeiten v.a. Frauen, die besonders stark betroffen sind und Frauenunterdrückung ist für viele junge Frauen ein Ansatzpunkt für Widerstand. Gerade Jugendliche waren nicht nur von Corona besonders stark betroffen, sondern haben sich schon vorher politisiert und wehren sich gegen die Auswirkungen dieses Systems, indem sie z.B. versuchen, die Abschiebung von Freund*innen oder den Bau des Lobautunnels zu verhindern. Diese Proteste sind Vorboten für deutlich explosivere Massenbewegungen gegen ein System, dessen Verfall immer offensichtlicher wird - auch in Österreich. 

Es brodelt - Ansatzpunkte für Widerstand

Die Wut im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich führt zu einer Reihe von Protesten. Ende Juni demonstrierten ca. 2.000 Eltern, Schüler*innen und Lehrer*innen gegen Einsparungen im Wiener Bildungsbereich. Im Herbst könnten diese Proteste weitergehen und auch in der Erwachsenenbildung und an den Unis gibt es das Potential, dass sich die Wut und Belastung in Widerstand entlädt. 

Die Welle an Femiziden in Österreich ist die traurige Spitze von Frauenunterdrückung und führt zu einer immer stärkeren Politisierung. Nach jedem Frauenmord gibt es Demonstrationen. Aber die Stimmung in der Bevölkerung ist deutlich breiter. Immer wieder merken wir bei SLP und Rosa Aktionen, wie vielen Arbeiter*innen und Jugendlichen dieses Thema wichtig ist, die es auch mit sozialen Problemen verbinden.

Zehntausende bei Fridays for Future, Black lives Matter und den jugendlichen Pride-Demonstrationen zeigen, wie viele Jugendliche sich in den letzten Jahren (beschleunigt durch Corona) politisiert haben. In der kommenden Periode können wir davon ausgehen, dass sich diese Politisierung in Protesten gegen Unterdrückung, Klimazerstörung und Kapitalismus ausdrücken wird. 

Obwohl die Beschäftigten die Betriebe während Corona am Laufen gehalten haben, sind die Einkommen niedrig, die Arbeitsbedingungen mies und die Jobs nicht sicher. Der aktuelle “Aufschwung” kann zu Auseinandersetzungen u.a. bei den Lohnverhandlungen führen. Wegen des Drucks von unten gab es schon Proteste von Beschäftigten in der Chemieindustrie, der holzverarbeitenden Industrie und im Gesundheitsbereich.

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: