Klimaschutz mit zweierlei Maß

Die Konzepte der PolitikerInnen entlasten die Wirtschaft und belasten die KonsumentInnen
Sonja Grusch

Die Klimaschutzdebatte ist voll entbrannt. PolitikerInnen verschiedener Coleurs überschlagen sich in "grünen" Vorschlägen. Eine genauere Betrachtung der verschiedenen Konzepte zeigt allerdings, dass sie so unterschiedlich nicht sind. Und, dass sie v.a. eines verbindet: eine weitere Umverteilung von unten nach oben, deren Wirksamkeit in Bezug auf den Klimaschutz darüber hinaus zweifelhaft ist.

Ist Fliegen zu billig?

Konkret zeigt sich das u.a. bei der Debatte über die Frage von CO2-Emissionen im Auto- und Flugverkehr. Gefordert wird - u.a. von ÖVP-Umweltminister Pröll und den Grünen - eine Verteuerung des Fliegens. Die stellvertretende Bundessprecherin Eva Glawischnig meint: "Fliegen ist definitiv zu billig." Laut Grünen soll dem mit einem 50 Euro-Klimabeitrag pro Flug, der Einhebung von Mehrwertsteuer auf Flugtickets, der Einführung der Grundsteuer für Flughäfen sowie mittels der Einführung einer Kerosinbesteuerung für Inlandsflüge abgeholfen werden. Würden diese Maßnahmen die Anzahl der Flüge reduzieren? Wohl kaum. Den Businessfliegenden sind die Preise ohnehin egal - die Firma zahlt. Die UrlaubsfliegerInnen werden in den sauren Apfel beißen und mehr zahlen. Denn natürlich würden die Fluggesellschaften alle Erhöhungen (und vielleicht noch ein bisschen mehr) auf die Preise draufschlagen. Ähnlich die Frage beim PKW-Verkehr. Wobei hier etwas differenzierter argumentiert wird und spritfressende Autos gegen "Sparmodelle" gestellt werden.

Woher kommt der Verkehr?

Völlig fehlt in der Debatte die Frage: Warum nimmt der Verkehr so zu? Die Bundesregierung verlangt von Arbeitslosen, sie müssen ihre "Mobilität" erhöhen. D.h. sie müssen bereit sein, weiter zur Arbeit zu pendeln (weiter als bisher schon eine Stunde pro Richtung). Gleichzeitig wird beim öffentlichen Verkehr eingespart. Nicht bei den Hauptrouten - aber bei Nebenlinien und Postbusverbindungen. Aus diversen burgenländischen Gemeinden z.B. müssen die Menschen nach Wien in die Arbeit pendeln. Der Postbus wurde aber eingestellt, die Züge ausgedünnt - da bleibt meistens nur das Auto.

Aber auch im Freizeitverkehr ist der öffentliche Verkehr oft keine Alternative, weil die Preise immer höher werden. Europaweit ist es häufig billiger zu fliegen bzw. mit dem Auto zu fahren, als den Zug zu nehmen. Dies nicht etwa deshalb, weil die Flugpreise so gesunken sind, sondern weil in Folge von Privatisierungen und Zerschlagungen der Bahn-Unternehmen die Bahnpreise stark angestiegen sind. Und wer versucht, durch Europa ohne die hohen ICE-, AVE- oder TGV-Zuschläge zu kommen, der scheitert an der Unpünktlichkeit der Bahnen.

Im Gegensatz dazu nimmt der Transport von Waren auf der Straße ständig zu. Um sich Lager- und Arbeitskosten zu sparen werden Waren quer durch Europa in LKWs hin- und hergeführt. Dies ist deshalb so günstig möglich, weil die Umweltkosten des Transits auf die Allgemeinheit abgewälzt werden und die Löhne der LKW-FahrerInnen katastrophal niedrig sind. Die Antwort der Bundesregierung: "Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Transportwirtschaft wird die KFZ-Steuer für LKW halbiert".

Wie kann der Verkehr reduziert werden?

Weltweit liegt die Auslastung bei Flügen durchschnittlich bei gerade einmal 66,2%. D.h. das ein Drittel der Sitze leer bleibt. Gerade im inner-europäischen Flugverkehr fliegen oft Flieger unterschiedlicher Gesellschaften dieselbe Strecke fast zeitgleich - beide halb leer. Der Konkurrenzkampf im Flugverkehr schadet der Umwelt. V.a. durch die Privatisierungen auch der Fluggesellschaften entstehen ständig neue Unternehmen, die versuchen, sich gegenseitig nieder zu konkurrieren: auf Kosten der Sicherheit, der Beschäftigten und der Umwelt. Wenn die PolitikerInnen Strafsteuern für KonsumentInnen fordern, dann bedeutet das nichts anderes, als das ArbeitnehmerInnen einen größeren Anteil ihres (Urlaubs-)Geldes zahlen müssen. Gäbe es Arbeitsplätze in der Wohngegend von Menschen, könnte viel für Menschen und Umwelt unangenehmer Pendlerverkehr eingespart werden. Würden das Verkehrswesen vergesellschaftet, dann könnten sich Preise, Flüge, Arbeitsbedingungen, Sicherheit und Umweltschutzgedanken an den Bedürfnissen der Mehrheit der ArbeiterInnenklasse orientieren. Zugfahren wäre billiger und pünktlicher, Busse würden auch in entlegene Orte fahren, der Flugverkehr könnte entsprechend des Bedarfs auf ein Optimum reduziert werden.

Wir wollen den Nulltarif auf Öffis!

Aber solche sozialistischen Ideen kommen in den Modellen der etablierten (und pro-kapitalistischen) Parteien nicht vor. Statt Ausbau und Nulltarif auf Öffis fordern die Grünen höhere Spritpreise. Statt höherer Einkommensbesteuerung für Reiche fordert SPÖ-Gusenbauer ebenso wie die FPÖ höhere Konsumbesteuerungen. Statt einem Ende der Privatisierungen fordert die ÖVP "weniger Staat". Alles Maßnahmen, die an den Dreckschleudern der Privatwirtschaft, den Transit-Umweltsündern und dem umweltschädlichem Pendeln nichts ändern werden. Aber die Steuerleistungen von ArbeitnehmerInnen erhöhen. Und aus diesem Topf werden dann Steuererleichterungen für Unternehmen finanziert. Besonders wenn sie unter dem Deckmäntelchen "ökologisch" erfolgen. Im Klartext: Sie und ich zahlen mehr, damit die Unternehmen ihre Investitionen vom Staat finanziert bekommen und so einen Wettbewerbsvorteil erhalten und ihre Profite steigern. Umweltschutz a`la Kapitalismus.

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