Zentralmatura: Fair? Objektiv?

Simon Nagy

Im Sommer 2014 soll erstmals in Österreich die „standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung an AHS“ durchgeführt werden. Die angeblichen Vorteile, die diese „Reform“ mit sich bringen soll, haben SchülerInnen sicher schon von genügend LehrerInnen zu hören bekommen: vollkommene Objektivität und gleiche Chancen für alle, die durch zentral vorgegebene Aufgabenstellungen und standardisierte Beurteilungsraster gewährleistet sein sollen.

Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus: Dass die individuellen Maturafragen komplett zufällig aus einem zentralisierten Topf ausgesucht werden, setzt voraus, dass der gesamte vorgeschriebene Lehrplan in der Oberstufe straff und detailgenau befolgt wird. Das nimmt einerseits den LehrerInnen die Möglichkeit, die persönlichen Interessensgebiete intensiver zu behandeln und damit durch Diskussionen und Projekte den Unterricht interessanter zu gestalten. Und es läuft andererseits auf eine verstärkte Rücksichtslosigkeit den Schwächeren gegenüber hinaus: Der Stoff muss durchgepeitscht werden, und wer nicht mitkommt, bleibt auf der Strecke. SchülerInnen, die jetzt schon „gute“ Leistungen bringen, wird die Zentralmatura weniger ausmachen. Für alle anderen wird es schwer. SchülerInnen und ihre Eltern müssen im wahrsten Sinne des Wortes für die Mängel im Bildungssystem bezahlen. Wie sich in Ländern mit solchen Systemen bereits zeigt, führt das zu einem rasch expandierenden „Shadow-Education-Sektor“, also noch mehr privater Nachhilfe, die sich wiederum nur SchülerInnen aus Familien aus höheren Schichten leisten können. Objektiver wird die Benotung dadurch auch nicht, die Willkür, die das Notensystem mit sich bringt, wird fortgesetzt.

Im Endeffekt läuft die Zentralmatura auf eine Verstärkung des von Grund auf unfairen Notensystems hinaus. Das lernfeindliche Prinzip „alles Detailwissen in sich hineinfressen und auf Knopfdruck auskotzen“ und die soziale Selektion werden weiter verstärkt. Insgesamt bedeutet sie eine Abkehr vom Individuum SchülerIn und eine elitäre Selektion, um diejenigen herauszufiltern, die den momentanen Anforderungen der Wirtschaft am ehesten entsprechen.

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