Wer lernt was im Lockdown?

Moritz Bauer

Immer wieder wird behauptet, Schüler*innen würden durch die Lockdowns etwas verlieren: Fehlzeiten würden künftige Gehälter verringern, die Matura sei „weniger wert“ und in Deutschland wird sogar diskutiert, ob gleich alle wiederholen. Doch das geht an den eigentlichen Problemen vorbei.
Natürlich sind es vor allem Arbeiter*innen-Familien, die unter Corona leiden. Fehlende Geräte, kein ruhiger Arbeitsplatz und Eltern, die man nicht schnell um Hilfe fragen kann, machen Bildung einmal mehr zur Klassenfrage. Die Angst, den Anschluss zu verlieren ist groß.
Die Zukunftssorgen, die Jugendliche auch in psychische Probleme stürzen, nehmen zu: Laut einer Studie der Uni Krems stieg die Zahl der depressiven Symptome bei den 18-24jährigen während der Lockdowns von 30% auf 50%, für Jüngere ist eine ähnliche Tendenz anzunehmen. Das ist eine weitere negative Folge eines beschränkten Bildes von Bildung: Reduziert auf Lehrpläne, deren Inhalt auf Knopfdruck abgerufen werden soll. Dabei haben Schüler*innen in der Pandemie neue große Herausforderungen bewältigt! Während unklar war, wie es weitergeht, wurde einiges erwartet: PC-Programme durchschauen, den Überblick über Aufgaben behalten und diese selbstorganisiert erledigen. Auch den Crashkurs in Virologie mussten sich wohl die Meisten privat organisieren.
Die Pandemie zeigt einmal mehr, dass Prüfungen nur Momentaufnahmen sind und wenig über Fähigkeiten & Interessen aussagen – dennoch wird überall versucht, (Abschluss)Prüfungen trotz Lockdown „normal“ durchzuführen.
Doch Bildung ist mehr als Prüfungen und Lehrpläne, die Wirtschaftsinteressen und Kategorisierung von Jugendlichen dienen. Eine Diskussion über unser Bildungssystem ist längst überfällig. Aus der Arbeiter*innenbewegung gibt es dazu seit über 100 Jahren Ansätze, von Arbeiter*innen-Bildungsverbänden, in denen gemeinsam gelernt und diskutiert wurde, über Reformen bis hin zur Kritik am kapitalistischen (Bildungs-)System an sich. Auch während Corona wurden bestehende Möglichkeiten deutlich: Hochschulzugang für alle ist spätestens seit Live-Streams und Videos machbar, Solidarität bringt mehr als Konkurrenz und die Milliarden für Banken & Konzerne zeigen einmal mehr, dass genug Geld für gute Bildung für alle da ist.

 

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