Warum wir keine “AntiamerikanerInnen” sind

Spätestens seit dem Irakkrieg hat ein regelrechter Boom USA-kritischer Bücher und Betrachtungen - vor allem in Europa - eingesetzt. Thematisiert werden die Arroganz der US-Regierung gegenüber anderen Nationen bzw. gegenüber den internationalen Organisationen, die offenen Verstöße gegen  internationales Recht und die Macht- und Herrschaftsansprüchen der Vereinigten Staaten. Meist nicht thematisiert wird: Der Widerstand dagegen in den USA.

Supermacht

Wahr ist: Die USA ist die einzig verbliebene Supermacht. Sie besitzt als einzige Stützpunkte in allen Teilen der Welt. Das Militärbudget von 360 Milliarden Dollar ist größer als jenes der 5 nächstgrößeren Staaten zusammengenommen. Die USA sind die größte Volkswirtschaft der Welt, der Dollar ist und bleibt die internationale Leitwährung. Wahr ist auch: Die Regierung Bush setzt auf einen Kurs der nicht nur beinhart die Interessen der US-Konzerne weltweit durchsetzt, sondern auch - vielleicht im Gegensatz zu seinen Vorgängern - wenig Rücksicht auf die Interessen anderer imperialistischer Staaten nimmt. Ob diese Politik dumm ist oder nicht, sei dahin gestellt. Sie richtet sich jedenfalls auch gegen die Interessen der US-amerikanischen ArbeiterInnenklasse, deren Lebenssituation sich in den letzten vier Jahren verschlechtert hat. Nur 17,9% der Bevölkerung der USA haben Bush ihre Stimme gegeben, seine wesentliche Stärke war also nie die Massenbasis in der US-Gesellschaft, sondern das Fehlen von Alternativen.

Propaganda und Fehlen einer Arbeiterpartei

Im Gegensatz zu Europa und den Industriestaaten in anderen Erdteilen fehlt in den USA seit über 100 Jahren das Element der politischen ArbeiterInnenbewegung in Form einer großen sozialdemokratischen, bzw. kommunistischen ArbeiterInnenpartei fast völlig. Bis heute prägt dieser Umstand die US-Gesellschaft - etwa durch das fast völlige Fehlen eines Sozial- und Gesundheitssystems, aber auch durch die historische Schwäche von organisierter “Gegenkultur” und “Gegeninformation” gegenüber einem Establishment, das in der Regel auf aggressiven, oft religiös gefärbten Nationalismus setzt. Im angeblich freiesten Land der Welt existiert heute eine einzigartige Medienkonzentration: Alle wichtigen Sender sind in der Hand von nur fünf riesigen privaten Medienkonzernen. Nach dem 11. September erfolgte eine regelrechte Gleichschaltung im “Krieg gegen den Terrorismus”. Doch das gleichgeschaltete Bild dieser Medien, bedeutete keine Gleichschaltung der Gesellschaft. Das beweisen u.a. die krass erhöhten Zugriffszahlen aus den USA auf die Internetseiten anderer, etwas objektiverer Berichterstatter wie BBC.co.uk während des Irak-Krieges.

Kämpferische US-Traditionen

Auch wenn es in den USA nie eine starke ArbeiterInnenpartei gab, existieren kämpferische Traditionen, welche die Herrschenden herausforderten. Diese reichen von der Bewegung im 19. Jahhundert die unter anderem den Grundstein für den 1. Mai weltweit legte, über die zum Teil von Trotzkisten geführten Streikbewegungen in den 20er und 30er Jahren, bis zu den Massenprotesten die den Vietnamkrieg beendeten, und der Bewegung um Revolutionäre wie Malcolm X. Sowohl gegen Bush, wie gegen den Krieg gab und gibt es massive Proteste - die von hiesigen und dortigen Medien aber oft ignoriert wurden. Noch im März dieses Jahres - ein Jahr nach Beginn des Irak-Krieges - fanden hunderttausende Menschen den Weg auf die Straßen der USA. Oder über eine Million Demonstranten kamen zum Kongress der republikanischen Partei in New York! Auch der bahnbrechende Erfolg der Werke Michael Moores in den USA (wochen-/monatelang auf Bestsellerlisten die Nr. 1) zeigt die Aufgeschlossenheit für heftige Kritik an den Mächtigen - auch wenn dieser inzwischen auf John Kerry setzt.

Wer ist unser Gegner?

Die USA? Nein. Denn die Mehrheit der AmerikanerInnen sind keine Kriegstreiber. Auch nicht die einfachen Soldaten - zumeist aus Minderheiten in den USA - die im Militär ihre einzigen Aufstiegschancen sehen. Auch die wollen nicht in einem für sie sinnlosen Krieg sterben. Das generelle Problem liegt auch nicht in einer besonderen - politischen - Kultur oder Unkultur, sondern in der Struktur unserer kapitalistischen Weltordnung. Die Rolle, die die USA gegenwärtig spielen ist prinzipiell austauschbar. Vor noch einem Jahrhundert war England die imperialistische Supermacht, wären es heute nicht die USA wäre es eine andere imperialistische Nation. Die einzige aussichtsreiche Alternative zum imperialistischen Krieg ist der konsequente Aufbau von schlagkräftigen ArbeiterInnenorganisationen - und zwar international! Letztlich liegt der Schlüssel zur Beendigung von Krieg und Unterdrückung durch die herrschende Klasse der USA vor allem auch in den Händen der amerikanischen ArbeiterInnenklasse.

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