Warum steckt die Sozialdemokratie in der Krise?

Nach den Rekordverlusten bei den EU-Wahlen
Albert Kropf

In der SPÖ Zentrale gab es auch schon mal mehr zu lachen. Die EU Wahl hat die 9. Wahlniederlage der “Ära” Faymann gebracht. Gerade noch über 20 %, nicht mehr weit vor H. P. Martin und klar hinter der ebenfalls geschlagenen ÖVP. Vor noch nicht einmal einem Jahr hat die SPÖ die Nationalratswahlen mit matten 29,3 % “gewonnen”. Und das war noch vor der Ausbreitung der Weltwirtschaftskrise von den USA nach Europa und dem Rest der Welt.

Keine Konzepte gegen “Turbokapitalismus”

In den 1970er Jahren hatte die SPÖ über 700.000 Mitglieder, bei der EU-Wahl 09 nicht einmal soviele WählerInnen. Warum tut sich also die SPÖ so schwer, gerade jetzt, wo es an der Zeit wäre alternative Konzepte zu “Turbokapitalismus” und Neoliberalismus zu bringen? Nun, sie ist dabei nicht allein, sondern es geht ihr dabei wie allen anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa, die sich alle “warme Ohren” bei der EU Wahl abgeholt haben. Das klärt allerdings noch nicht die Frage. Die Antwort ist simpel: Die Sozialdemokratie hat keine Antwort auf die Krise, weil sie selbst in einer Krise ist.

Politische Krise und Strukturwandel

Seit den 80er Jahren wechselten die sozialdemokratischen Parteien das Lager. Beschleunigt wurde der Abschluss dieses Verbürgerlichungsprozesses durch den Zusammenbruch des Stalinismus. Die SPÖ wurde über Jahrzehnte hinweg von der ArbeiterInnenklasse und vor allem auch ihrer fortschrittlichsten Teile als “ihre Partei” angesehen. Gesellschaftliche Polarisierungen und politische Kämpfe spiegelten sich folglich auch immer - mal stärker, mal weniger - in der SPÖ wider. Das deshalb, weil eine “organische” Verbindung zwischen der SPÖ und der ArbeiterInnenbewegung bestand.  Doch die  Verbindung von Klasse und Partei reduzierte sich immer stärker auf ein StellvertreterInnentum - die Partei kümmert sich um alles und das Einzige, was die ArbeiterInnen noch tun mussten, war die SPÖ zu wählen. Diese Entpolitisierung der Basis, betrieben durch die Führung der Partei und Gewerkschaften, ermöglichte erst die Koalition von 1983 mit der FPÖ und dann ab 1986/87 die Durchdringung der SPÖ mit neoliberalem Gedankengut. Und das ohne, dass es zu einem Aufschrei oder einer “Rebellion” an der Basis gekommen wäre. Als Folge kehrten immer mehr ArbeitnehmerInnen der SPÖ den Rücken und wurden aufgrund der Erfahrungen von Kürzungen, Sozialabbau, Privatisierungen und dem Vakuums auf der Linken in die Hände des Rechtspopulismus getrieben. Das waren vorerst hauptsächlich jene ArbeiterInnen, die selbst tiefsitzende Vorurteile gegen MigrantInnen etc. hatten. Aber genau dieser “niedrige Bewusstseinsstand” war auch Ausdruck der verfehlten Politik der SPÖ und der  immer loseren Verbindung von Klasse und Partei. Was blieb war eine leere Partei und eine enorme Dynamik am “WählerInnenmarkt” um den sich immer ähnlicher werdende Parteien und PolitikerInnen stritten.

Verfechter der neoliberalen EU

In diesem Prozess verschrieben sich auch die meisten sozialdemokratischen Parteien an dem Konzept der Europäischen Union - ohne wenn und aber! Es war der Zeitpunkt, wo die EU zur Speerspitze gegen die Rechte der ArbeitnehmerInnen aufgebaut und eingesetzt wurde. Das “alte” sozialdemokratische Konzept wurde schließlich zu Gunsten eines diffusen, neoliberalen Europagedankens aufgegeben. Das funktionierte auch eine Zeit lang recht gut. Viktor Klima ließ sich mit Schröder (SPD) und Blair (Labour) auf Plakatwände kleben. Die Wende schien geglückt. Doch die neue Sozialdemokratie war ein reines Schönwetterprogramm. Mit den ersten Anzeichen von Krisen Ende der 90er Jahre bröckelte der Putz sehr schnell ab. Viktor Klima kennt heute keiner mehr, Schröder sitzt mit einem Bein in russischen Staatsfirmen und Blairs Nachfolger Brown versenkt Labour gerade in der politischen Bedeutungslosigkeit.

Anbiederung an rechts

Die Parteiführung macht sich auf die Suche nach den verlorenen WählerInnen, findet diese bei der FPÖ und schlussfolgert: Ausländer raus ist ein Konzept. Die SPÖ sagt das natürlich nicht so plump und offen rassistisch wie die FPÖ. Aber ihre Taten sprechen eine deutliche Sprache. Weitgehende Umsetzung des rassistischen Haider-Volksbegehrens durch SPÖ-Innenminister, die auch das Asylrecht ausgehölt haben. Weiterführung der blau-schwarzen Anti-Ausländerpolitik durch Faymann & Co. Zustimmung zu Fekters Anti-AsylwerberInnen-Paket. Eine Hausordnung in Wien um den MigrantInnen zu zeigen, wer der (österreichische) Herr im Haus ist. Aber die Taktik funktioniert nicht, die SPÖ verliert weiter - und geht in Ermangelung anderer Erklärungen weiter nach rechts.
Der Kapitalismus steckt in  der Krise  – und mit ihr die Sozialdemokratie
Die Sozialdemokratie steckt in der Krise, weil ihr System - das des kapitalistischen Europa - in der Krise steckt. Sie steckt in der Krise, weil sie bis auf Milliardenförderungen für Banken und Konzerne den Menschen keine Auswege aus der Krise aufzeigen kann. Sie steckt in der Krise, weil ihre Verbindung zur ArbeiterInnenbewegung maximal noch auf Hüllen und einigen Ritualen beruht. Und sie steckt in der Krise, weil letztlich das Bürgertum für eine derartige Sozialdemokratie keinen Nutzen mehr sieht.

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