Wachsende soziale Kluft in China

Kurs auf den Kapitalismus wird weiter forciert. Probleme in China und für die Weltwirtschaft wachsen.
Lisa Wawra

Bei der diesjährigen Versammlung des “Nationalen Volkskongresses” versprach die chinesische Regierung, mehr in Umweltschutz, Bildung und das Gesundheitssystem zu investieren. Außerdem wurde ein neues Gesetz für privates Eigentum verabschiedet und eine weitere Öffnung Chinas für den freien Markt in Aussicht gestellt. Doch was bedeutet das jetzt für die Bevölkerung?

Volkskongress: Versammlung der Superreichen

Die CCP (Kommunistische Partei) ist nach wie vor die einzige Partei Chinas. Theoretisch gehörte bis jetzt alles Eigentum des Einzelnen dem Staat, der eins mit der Partei ist. Und die besteht vor allem aus den reichsten Menschen des Landes. 90% der 20.000 reichsten Menschen in China sind Mitglied der Partei oder Verwandte von Mitgliedern. Die CCP und der gesamte bürokratische Apparat stehen noch immer in der stalinistischen bürokratischen Tradition des Mao Regimes, doch der soziale Anspruch ist längst verloren gegangen.

Kontrollierte Wandlung zum Kapitalismus

Die Verabschiedung des Gesetzes und der Wille zur weiteren Öffnung Chinas für den freien Markt sind eindeutige Signale für eine komplette Wandlung in ein kapitalistisches Land, wenn auch China dieses Stadium noch nicht erreicht hat. Die gegenwärtigen Machthaber fürchten sich vor den Auswirkungen, die eine totale Öffnung für den Kapitalismus mit sich bringen würde, wie man an dem katastrophalen Zusammenbruch der UdSSR sah. Das "Reich der Mitte" versucht seinem Namen treu zu bleiben, indem es nur Teile des Kapitalismus einführt und Elemente der stalinistischen Unterdrückung beibehält.

Kluft zwischen Arm und Reich wächst

So wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer, das neue Gesetz für Privateigentum schützt vor allem die Errungenschaften der Reichen und der Mittelklasse, während die ärmeren Schichten nichts zu schützen haben. Es gesteht den Bürgern DVD- Player, Autos usw. genauso zu wie Kohleminen als zu schützendes Privateigentum. Nur Landflächen sind ausgenommen. D.h. die ärmsten der ChinesInnen, nämlich die Bauern, müssen weiterhin das Ackerland vom Staat pachten und können jederzeit enteignet werden. Zudem kommt, dass die korrupte lokale Verwaltung das Gesetz oft zu Gunsten der Elite auslegen wird, da diese sich in einem heftigen internen Standortwettbewerb um ausländische Investoren befinden.

Wenig Geld für Sozialausgaben

Auch die anderen Zugeständnisse der Regierung erweisen sich als nichts mehr als heiße Luft. Sieht man/frau sich die chinesische Gesellschaft genauer an, wird bald klar, dass der chinesische Staat auch in Zukunft nicht mehr als 4 % der Staatseinnahmen für Bildung ausgeben wird, und sich das Krankenhauspersonal weiterhin mit Helmen und Sicherheitsbeamten vor den wütenden Patienten, die gegen die Erhöhung der Spitals- und Arztkosten protestieren, schützen muss.

Billiglöhne und Unterdrückung von Protesten

Derzeit stehen ca. 300-400 DollarmillionärInnen 2 Millionen Menschen mit einem Einkommen von weniger als 1$/Tag gegenüber. Ein/e StädterIn verdient durchschnittlich 6x soviel wie ein/e LandbewohnerIn, zahlt aber 4x weniger Steuern. Aufgrund dieser Zustände gab es allein 2005 über 87.000 Protestaktionen mit jeweils mehr als 1.000 TeilnehmerInnen. Und das, obwohl es keine unabhängige kämpferische Gewerkschaft oder sonstige Organisation für ArbeitnehmerInnen gibt.

“Wirtschaftswunder” auf tönernen Füssen?

Die extrem niedrigen Löhne des Großteils der Bevölkerung bringen China zwar den "Vorteil", billig produzieren zu können, und somit viele Investoren aus dem Ausland. Andererseits kann China dadurch nur einen sehr geringen Teil der Produkte im eigenen Land absetzen.

Daher ist es auf Exporte angewiesen. Der größte Handelspartner sind die USA. Der asiatische Staat ist mittlerweile der zweitgrößte Erzeuger von Autos und Papier. Bald wird Chinas Wirtschaft die der USA überholt haben, und noch mehr Billigprodukte "made in China" werden den europäischen Markt überschwemmen. Andererseits importiert China immer mehr Rohstoffe zur Energieerzeugung sowie Nahrungsmittel, was die Preise dafür steigen lässt.

Vom Motor zum Problemfall der Weltwirtschaft

Angesichts des schnellen Wachstums und der massiven Exporte ist eine Aufwertung des Yuan (chinesische Währung) längst überfällig. Eine Aufwertung kann zweierlei bedeuten: Einerseits steigen so die Kosten der Exporte nach Europa und in die USA, was gar nicht im Interesse Chinas ist. Andererseits kann China so Nahrungsmittel und Rohstoffe billiger importieren. China muss auf jeden Fall mit der Aufwertung des Yuan gegenüber dem Dollar massive Verluste der eigenen Dollar-Reserven in Kauf nehmen. Diese Ereignisse werden auf jeden Fall die gesamte Weltwirtschaft betreffen. Klar ist, je länger die Aufwertung hinausgezögert wird, desto schwerwiegender die Folgen, desto schärfer die internationale Wirtschaftskrise.

Pionierleistung in der China-Solidarität

Neben diesen Widersprüchen und Problemen, ist allerdings vor allem zu erwarten, dass sich in China auch das Widerstandspotential von "Unten" weiter ansammelt. Wichtig ist es, nicht zuletzt mit internationaler Solidarität Bewegungen in Richtung der Organisation von ArbeiterInnen zu unterstützen, die Kräfte zu bündeln um damit die Machthaber unter Druck zu setzen. Das Komitee für eine ArbeiterInneninternationale (CWI/KAI) hat in diesem Zusammenhang unter anderem eine einzigartige Initiative gestartet, nämlich eine eigene Website auf der laufend über China "von Unten" informiert wird und auch konkrete Möglichkeiten beschrieben werden die sozialistische Opposition im Land zu unterstützen.

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