Vom Dasein am Rande zum aktiven Kampf

Angesichts von Verarmung und Verfolgung zeigte und zeigt sich immer wieder Widerstand von Roma und Sinti
Jan Rybak

Nur wenige Debatten sind derart vorurteilsbeladen wie jene über Roma und Sinti. Meist wird ausschließlich im Zusammenhang mit Kriminalität und einer vermeintlichen Bettelmafia diskutiert. Mit Blick etwa auf Ungarn beklagen viele den rabiaten Rassismus von Rechtsregierung und faschistischer Opposition – Roma und Sinti bleiben aber Objekte der Debatte. Sie werden auf die Rolle als arme Opfer oder als folkloristische KünstlerInnen reduziert. Ernst genommen werden sie – auch von den gutmeinenden – selten. Das ist aber notwendig und die Geschichte zeigt nicht wenige Fälle aktiven Widerstands und selbstbewusstem Kampfes von Roma und Sinti für ihre eigenen Rechte und als Teil des Kampfes für allgemeine soziale und demokratische Rechte.

Vor allem in der Sowjetunion, Bulgarien und Jugoslawien spielten sie eine oft zentrale Rolle im Widerstand gegen die deutsche Besatzung. Der Vernichtungs-Antiziganismus der Nazis führte dazu, dass sich tausende den PartisanInnen anschlossen. In Jugoslawien hatten sie in der Volksbefreiungsarmee eine zentrale Rolle, gingen jedoch in die jugoslawische Geschichtsschreibung nur als kämpfende KroatInnen, SerbInnen etc. ein. Es gab auch selbständige Widerstandsgruppen, wie jene von Walter Catter, die vor allem in Venetien operierte. Die Erinnerung an den Widerstand von Roma und Sinti wurde auch wegen des weit verbreiteten Antiziganismus kaum gewürdigt. In Frankreich wurden die von den Nazis errichteten „Zigeuner“-Lager oft nach der Befreiung des Landes sogar weitergeführt, die Häftlinge teils erst 1946 entlassen.

In der ArbeiterInnenbewegung haben Roma und Sinti eine geringe Rolle gespielt. Sie lebten meist in industriell und politisch unterentwickelten Regionen Osteuropas, in denen auch die ArbeiterInnenbewegung lange schwach war. Die Aufhebung der Sklaverei (!) von Roma in Rumänien Mitte des 19. Jahrhunderts führte zu einer Migrationswelle nach Westen. Die rassistische Gesetzgebung der westlichen Regierungen gegen das „Zigeunerunwesen“ verunmöglichte die Integration in die bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Strukturen und isolierte viele Roma und Sinti von der ArbeiterInnenbewegung. Das änderte sich erst (teilweise) mit den Umwälzungen in Osteuropa nach 1945. Die herrschende stalinistische Bürokratie setzte zwar auf ihre Integration in den Produktionsprozess, hielt aber gleichzeitig die ethnische Diskriminierung auch aus dem Prinzip „Teile und Herrsche“ aufrecht.

Die kapitalistische Restauration beendete den ohnehin langsamen und widersprüchlichen Integrationsprozess und zwang Roma und Sinti wieder an den Rand der Gesellschaft. Eine kleine Schicht, die sich in den vorherigen Jahrzehnten etabliert hatte, stellte in Folge eine intellektuelle und politische Elite dar. Von dieser werden auch die meisten Roma und Sinti-Organisationen, die sich für die Rechte der Minderheit einsetzen, getragen. So wichtig dies ist, eine Verbesserung der bestehenden Situation wurde so bisher noch nicht erreicht.

Es gibt aber sehr wohl von unten organisierten oder spontan auftretenden Widerstand von Roma und Sinti. 2004 kam es zu einer Hungerrevolte tausender slowakischer Roma. Ebenso sind Roma und Sinti Teil von allgemeinen Protesten gegen die – nicht nur für sie, aber für sie besonders – dramatische soziale Lage in den osteuropäischen Ländern.

Die soziale Krise infolge des Zusammenbruchs des „Ostblocks“ hat eine neue Welle rechtsextremer und neonazistischer Parteien an die Oberfläche gespült. Diese treten oft mit brutaler Militanz gegen Roma, Juden/Jüdinnen etc. auf. Eine Reihe von Morden in Ungarn, Slowakei, Bulgarien durch FaschistInnen und das (teils wohlwollende) Schweigen des Staates haben zu einer Welle von selbstorganisiertem Widerstand geführt. 2012 machte der ungarische Rom Ferenc Bagó Schlagzeilen, als er die Gründung einer Roma-Garde ankündigte, um „Roma, Juden und alle sich bedroht fühlenden Minderheiten auf Anforderung [zu] beschützen, bis die Polizei eintrifft.“ Angesichts der zahlreichen Morde durch Jobbik-Faschisten absolut notwendig. (Der ungarische Staat, der die Roma nicht schützt, war rasch zur Hand, um die notwendige Selbstverteidigung zu verhindern!)

Ebenfalls positiv ist, dass Naziaufmärsche in Roma und Sinti-Vierteln, wie zuletzt im Sommer in Prag, durch aktiven Widerstand der BewohnerInnen teilweise verhindert werden konnten. Doch sollten die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung dabei nicht abseits stehen, sondern aktiver Teil dieser Kämpfe sein und den Kampf für die Rechte von Roma immer auch mit sozialen Forderungen verbinden.

 

 

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