Venezuela: Chávez kündigt weitere Verstaatlichungen an

Chávez: „Wir bewegen uns in Richtung einer sozialistischen Republik Venezuela“
Karl Debbaut, CWI

Nach der Vereidigung seines neuen Kabinetts kündigte Hugo Chávez in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache die Verstaatlichung von Electricidad de Caracas, Venezuelas größtem privaten Stromversorger, und dem Telekommunikations-Riesen CANTV an. Beide Firmen wurden von der Vorgängerregierung in den frühen neunziger Jahren privatisiert.

„Die Nation sollte ihr Eigentum an strategischen Sektoren der Wirtschaft wieder erlangen“, sagte Chávez. „Alle privatisierten Betriebe sollen verstaatlicht werden.“ Der Spott, der in der internationalen Presse über Chávez ausgeschüttet wird, ist nur Ausdruck der Angst des Imperialismus vor einer Radikalisierung in Venezuela und deren Auswirkungen auf den Rest von Lateinamerika.

Die Ankündigung Electricidad de Caracas und CANTV zu verstaatlichen und die lukrativen Ölprojekte im Orinoco-Becken unter die Kontrolle der Regierung zu stellen, kommt nach der dritten Wiederwahl von Chávez bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember. Während des Wahlkampfes hatte er angekündigt, im Falle seiner Wiederwahl radikalere Veränderungen einzuleiten. In seiner Rede vom 9. Januar sagte er nicht nur: „Wir bewegen uns in Richtung einer sozialistischen Republik Venezuela“. Er bezog sich auch auf die Ideen von Marx, Lenin und Trotzki: „Ich bin sehr deutlich auf (Leo) Trotzkis Linie – der permanenten Revolution.“

Es ist positiv, dass Chávez Trotzki zitiert und dadurch Trotzki und den Trotzkismus Millionen von Menschen in Venezuela näher bringt. Aber er hat noch nicht die Methode und das Programm von Totzki angewendet, insbesondere nicht im Hinblick auf die entscheidende Rolle der Arbeiterklasse und der revolutionären Partei in der sozialistischen Revolution und hinsichtlich der Frage der ArbeiterInnendemokratie.

Die Umgruppierung seines Kabinetts in der letzten Woche und die Absetzung des Vize-Präsidenten Vicente Rangel und des Innen- und Justizministers Jesse Chacón kündigten einen Linksruck von Chávez an. Vicente Rangel wurde generell als die Person betrachtet, die der Koalition von nicht weniger als zwanzig Pro-Chávez-Parteien politische Stabilität bringt. Rangel ist ein Veteran des venezolanischen politischen Lebens und spielte eine pro-kapitalistische Rolle in der letzten Regierung. Er hat Wirtschaftsführer wiederholt aufgefordert „institutionelle politische Posten“ zu übernehmen.

Internationale Bedeutung

Die Stellungnahmen von Chávez und sein Vorschlag Venezuela in „sozialistische bolivarianische Republik“ umzubenennen sind von außerordentlicher Bedeutung für die Arbeiterbewegung in Lateinamerika und international. Nach den als die „ersten Verstaatlichungen des 21. Jahrhunderts“ benannten Neuverhandlungen der Verträge mit multinationalen Gaskonzernen durch den Präsidenten von Bolivien, Evo Morales, könnte Venezuela formal die „erste sozialistische Republik des 21. Jahrhunderts“ werden. Dies ist Ausdruck davon, wie weit die Ablehnung von Neoliberalismus und Imperialismus durch die Massen auf dem lateinamerikanischen Kontinent geht. Es drückt aber auch aus, dass die Idee des Sozialismus im Kampf gegen kapitalistische und imperialistische Ausbeutung zurück gekehrt ist.

Breite Unterstützung für Chávez, aber nicht für seine Politiker

Chávez gewann die Wahlen mit 63 Prozent der Stimmen gegen den Kandidaten der, seit einigen Jahren erstmals einheitlich agierenden, Opposition, Manuel Rosales. Kein anderer Präsident auf der Welt, am wenigstens Bush junior, kann von sich behaupten, drei aufeinanderfolgende Präsidentschaftswahlen mit wachsendem Stimmenanteil gewonnen zu haben. Bei einer Wahlbeteiligung von 70 Prozent, erzielte Chávez sechs Prozent mehr Stimmen als bei seiner ersten Wahl im Jahr 1998. Jedoch zeigt die persönliche Unterstützung für Chávez nicht die Gesamtsituation in der venezolanischen Politik bzw. der Politik und dem Ansehen der Regierung.

Es gibt ein tiefsitzendes Misstrauen gegen die politischen Parteien in Chávez` Umfeld und es gibt die weitverbreitete Überzeugung, dass eine Schicht von Bürokraten sich bereichert. Das führte anfangs zu einer vergleichsweise geringen Beteiligung an der Wahlkampagne. Erst als der Oppositionskandidat Rosales es schaffte, die größte Oppositionsdemonstration in Caracas seit einigen Jahren zu organisieren, führte die Angst vor einer Rückkehr der pro-USA-Opposition zu einem Anstieg in der Wahlbeteiligung.

Obwohl die Sozialprogramme der Chávez-Regierung den Armen geholfen haben, weist das wachsende Gefühl der Frustration und des Misstrauens darauf hin, dass die Politik bisher scheiterte, die fundamentalen Probleme der Mehrheit der VenezolanerInnen zu lösen. 25 Prozent der Bevölkerung leben weiterhin von weniger als einem US-Dollar am Tag. Während die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung über fünfzig Prozent des Nationaleinkommens verfügen, sind es für die ärmsten zehn Prozent lediglich zwei Prozent. Der Zufluss von Öl-Einnahmen in die Wirtschaft führte zu einem Anstieg der Bankeinlagen von 84 Prozent im letzten Jahr. Seit 2003 ist das Bankvermögen um 20 Milliarden US-Dollar angestiegen. Davon haben vor allem die reiche Mittelklasse und Oberschicht profitiert. Gleichzeitig haben ArbeiterInnen und Arme relativ wenige Verbesserungen der Infrastruktur erlebt und gibt es einen Anstieg von Gewaltkriminalität. Die Mordrate ist seit 1999 um 67 Prozent gestiegen und Venezuela hat laut UNESCO eine der höchsten Raten an Todesfällen durch Schussverletzungen weltweit.

Schwung nach Links

Die ideologische Offensive, die Chávez nun zur Frage der Notwendigkeit des Sozialismus und mit der Ankündigung der Verstaatlichungen eingeleitet hat, markiert eine klare Linksverschiebung. Damit reagiert Chávez sicherlich teilweise auf den Druck von unten für weitergehende Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und für eine stärkere Kontrolle der Macht der wachsenden Bürokratie. Dieser Druck wächst, da immer mehr Menschen von der Bereicherung einer Schicht von Pro-Chávez-Bürokraten und zeitweiligen Freunden der Regierung angewidert sind. Diese machen viel Geld mit Projekten, die von der Regierung subventioniert werden. Aufgrund des Fehlens einer wirklichen ArbeiterInnenmitbestimmung und -kontrolle gibt es einen Anstieg der Korruption. Teile der Chávista-Bürokratie sind mit unabhängigen Bewegungen der ArbeiterInnenklasse kollidiert. Solche BürokratInnen agieren gegen jede unabhängige Bewegung der ArbeiterInnenklasse und gegen Kritik an der Regierung. Sie verteidigen ihre persönlichen Privilegien indem sie unabhängige ArbeiterInnenaktivistInnen als vom Imperialismus bezahlt bezeichnen. Im Laufe der Wahlkampagne wurden verschiedene unabhängige ArbeiterInnenaktivistInnen, darunter auch Mitglieder von Socialismo Revolucionario (Sektion des Komitees für eine ArbeiterInneninternationale in Venezuela), von Teilen der Bürokratie als „ausländische Agenten“ bezeichnet, weil sie die bürokratischen Elemente des Regimes kritisierten. Das selbe geschah mit Fischern in Guiria, die den Hafen im Kampf um ihre von einer Koalition privater Firmen und der Hafenverwaltung bedrohten Lebensgrundlagen besetzt hatten.

Die Ankündigung von Chávez eine Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas zu bilden, die die verschiedenen Parteien der Pro-Chávez-Koalition ersetzen soll, ist auch ein Versuch der Kritik an der Bürokratie zu begegnen und unpopuläre Politiker zu entfernen. In seiner Ankündigung der neuen Partei, betonte er, diese müsse von unten aufgebaut werden und ehrlich und demokratisch sein. Er sagte, es wäre eine Täuschung, wenn die neue Partei aus den Gesichtern bestünde, die die alten Parteien führen. Er lobte außerdem die Bolschewistische Partei, die die Russische Revolution von 1917 führte und kritisierte die stalinistische „Abweichung kurze Zeit danach“. Tatsächlich hat er ein Ultimatum an die bestehenden Parteien, inklusive der Kommunistischen Partei, gestellt: löst Euch auf und tretet der neuen Partei bei oder ihr werdet euch außerhalb der Regierung wieder finden. Gleichzeitig wurde erstmals ein Mitglied der Kommunistischen Partei ins Kabinett aufgenommen.

Es ist unsicher, wie sich diese Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas entwickeln wird. Man weiß nichts über ihr zukünftiges Programm, ihre Struktur und Arbeitsweise. Sicher ist der Aufbau einer neuen revolutionären ArbeiterInnenpartei, die einen unabhängigen Klassenstandpunkt einnimmt und ein revolutionär-sozialistisches Programm hat, eine der grundlegenden Aufgaben, um eine sozialistische Revolution in Venezuela zu vertiefen und zu beenden.

Eine solche Partei muss jedoch von unten aufgebaut sein, mit einer aktiven Beteiligung der ArbeiterInnenklasse und der Armen. Ein Zusammenschluss verschiedener BürokratInnen der alten Parteien, wird eine Top-Down-Herangehensweise reproduzieren, die die Entwicklung der Partei blockieren wird.

Stattdessen müsste die Partei demokratische Beteiligung, Debatte und Entscheidungsprozesse garantieren. Sie müsste Minderheitstendenzen das Recht geben, sich zu artikulieren und zu organisieren, und auf der Basis gewählter VertreterInnen agieren, die nicht mehr verdienen dürfen, als einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn, und die abwählbar sind.

Da die ArbeiterInnenklasse die Schlüsselrolle bei der Veränderung der Gesellschaft spielen muss, muss ihre Partei auch in der ArbeiterInnenklasse verankert sein und deren Klasseninteressen zum Ausdruck bringen. In einer Partei der Klassenversöhnung würde die ArbeiterInnenklasse automatisch gezwungen, eine zweitrangige Rolle zu spielen und wäre nicht in der Lage eigene Erfahrungen zu sammeln, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und ein eigenes revolutionäres Programm zu entwickeln.

Wirklicher Sozialismus ist nötig

Das Komitee für eine ArbeiterInneninternationale unterstützt jede Errungenschaft und jeden Schritt voran, den die ausgebeuteten Massen in ihrem Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung und imperialistische Dominanz gehen. Wir stehen in unversöhnlicher Opposition gegen den US-Imperialismus und die venezolanische Bourgeoisie, die versuchen die Chávez-Regierung zu stürzen und das Rad der Geschichte zu den Zeiten der offenen internationalen Ausplünderung des Landes zurück zu drehen.

Aber auf halber Strecke zwischen Kapitalismus und Sozialismus stehen zu bleiben, gefährdet die Errungenschaften für die ArbeiterInnenklasse und lädt die Konterrevolution dazu ein, sich zu organisieren und Schläge auszuführen. Bisher hat es nur sehr begrenzte Verstaatlichungsmaßnahmen in solchen Fällen gegeben, wo die Regierung unter dem Banner der „cogestión“ (Mitbestimmung) zwischen Staat und ArbeiterInnen Mehrheitsanteile an Fabriken übernommen hat. Chávez hat auch davon gesprochen, eine staatliche Kontrolle der Zentralbank, mehr Preiskontrollen, Kontrollen über Zinsraten und Außenhandel einzuführen. Der neue Finanzminister, Rodrigo Cabezas, sagte, „Regulierung der Einkommen ist für uns eine Priorität. Wir bitten um Verständnis bei den Finanz- und Wirtschaftssektoren, aber wenn es kein Verständnis gibt ... werden wir die notwendigen Reformen einleiten.“

Bisher wurden aber die entscheidenden Bereiche der Wirtschaft noch nicht verstaatlicht. Mark Weisbrot vom Centre for Economic und Policy Research in Washington wurde im englischen Guardian zitiert: „Nach fast acht Jahren der Chávez-Regierung hat der private Sektor heute einen größeren Anteil an der Wirtschaft. Dies mag sich nun ändern aber nicht sehr schnell oder drastisch.“

Chávez und seine MinisterInnen haben wiederholt erklärt, dass es nicht ihr Ziel ist die gesamte Wirtschaft zu übernehmen und haben die den Privatsektor eingeladen zu kooperieren. Die jetzt angekündigten Verstaatlichungen würden nur diejenigen strategische Bereiche betreffen, die in den frühen neunziger Jahren privatisiert wurden. CANTV ist die größte Gesellschaft, deren Aktien frei gehandelt werden und Venezuelas einziges Unternehmen, das an der New Yorker Börse notiert ist. CANTV wurde erlaubt mehrere Gerichtsurteile zu brechen, um seine Rentenzahlungen dem derzeit geltenden Mindestlohn-Niveau anzupassen. Es ist unklar, was die Ankündigung der Verstaatlichung von CANTV und des Energiekonzerns in der Praxis bedeuten werden. In den letzten Jahren hat es die Chávez-Regierung vorgezogen, Verträge neu auszuhandeln oder sich an Joint-Ventures zu beteiligen, anstatt direkte Verstaatlichungen durchzufühen. Diese Politik wurde von der Morales-Regierung in Bolivien aufgegriffen, die die Verstaatlichung der Erdgasindustrie ankündigte, aber in Wirklichkeit nicht weiter ging, als die bestehenden Verträge neu auszuhandeln, um dadurch die Position des Staates im Vergleich zu den internationalen Energiekonzernen zu verbessern.

Es gibt historische Lehren der Allende-Regierung in Chile. Diese verstaatlichte vierzig Prozent der Wirtschaft. Die Sandinisten in Ncaragua verstaatlichten 25 Prozent der Industrie. In beiden Fällen bedeutete der Verzicht darauf die Expropriateure zu expropriieren [= die Enteigner zu enteignen – Anmerkung des Übersetzers], dass die kapitalistische Klasse weiterhin die Wirtschaft kontrollieren konnte. Auch wenn die Konterrevolution in Chile und Nicaragua unterschiedliche Formen annahm, so waren doch die Voraussetzungen gleich, die diese ermöglichten. Nachdem die Bourgeoisie in Angst und Schrecken versetzt wurde, weil die Massenbewegungen unterstützt und einige Maßnahmen gegen ihre Interessen ergriffen wurden, führte der Verzicht auf die völlige politische und wirtschaftliche Entwaffnung der herrschenden Klasse zur Möglichkeit der Konterrevolution. In Chile und Nicaragua startete die herrschende Klasse, in Zusammenarbeit mit dem US-Imperialismus, eine Kampagne zur wirtschaftlichen Sabotage, verbreitete Chaos und bereitete so den Weg für die Niederlage der Sandinisten in Nicaragua und die Militärdiktatur in Chile.

Obwohl die Massen Chávez in drei Fällen gerettet haben, ist die Gefahr der Konterrevolution nicht verschwunden. Die Probleme des US-Imperialismus im Irak mögen dazu führen, dass dieser vorübergehend sein Eingreifen in Lateinamerika einschränken muss. Dies wird sich jedoch ändern, wenn sich die Revolution in Richtung Sozialismus weiter entwickelt. Der Imperialismus kann weiterhin über Stellvertreter eingreifen. Er kann konterrevolutionäre Kräfte finanzieren und in Unruhe versetzen, paramilitärische Organisationen entlang der kolumbianischen Grenze unterstützen oder rechte Kräfte im Staatsapparat und im Militär ausbilden.

Chávez scheint einigen Aspekten der kubanischen Revolution nachzueifern – in Zeitlupentempo. Aber die historische Erfahrung der ArbeiterInnenklasse hat gezeigt, dass es nicht möglich ist, in Trippelschritten zum Sozialismus zu gelangen. Eine sozialistische Revolution bedarf der bewussten und konzentrierten Beteiligung der ArbeiterInnenklasse, in einem Bündnis mit der Bauernschaft, um die politische Macht zu ergreifen. Der erste Schritt ist die herrschende Klasse von ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht zu stürzen und unabhängige Institutionen der ArbeiterInnenklasse aufzubauen. Dies kann nicht schrittweise, durch aufeinanderfolgende im Sozialismus endende Reformen, erreicht werden.

Die permanente Revolution

Chávez liegt richtig, wenn er sich auf Trotzki und die Theorie der Permanenten Revolution beruft. Es muss sich allerdings noch zeigen, ob er diese in der Praxis auch anwendet. Dabei handelt es sich um die Schlüsselfragen für Venezuela und ganz Lateinamerika. In ganz Lateinamerika haben in den letzten Jahren riesige Bewegungen stattgefunden. Tausende waren von Mexiko im Norden bis zu Ländern wie Bolivien, Ecuador, Argentinien an Kämpfen und aufstandsähnlichen Bewegungen gegen den Neoliberalismus und Imperialismus beteiligt. Die Aufgaben, die sich diesen Bewegungen stellen, sind die Entwicklung der Industrie, die Lösung der Landfrage, die Ausbeutung durch den Imperialismus zu beenden und einen einheitlichen, unabhängigen Nationalstaat mit einer stabilen parlamentarischen Demokratie zu errichten. Dabei handelt es sich grundsätzlich um die Aufgaben der bürgerlichen Revolution.

Wie Lenin und Trotzki erklärten, können diese Aufgaben in der heutigen Epoche nicht durch den Kapitalismus gelöst werden. Das gilt umso mehr für die schwachen, nationalen, kapitalistischen Klassen in den kolonialen Ländern. Die einheimische kapitalistische Klasse ist nicht in der Lage eine unabhängige Rolle zu spielen, weil sie aufs Engste mit dem Imperialismus und dem einheimischen Großgrundbesitz verbunden ist. Die Länder Lateinamerikas werden, wie auch die anderen neo-kolonialen Länder, vom Imperialismus als Quellen billiger Arbeitskräfte benutzt; ihre Rohstoffvorkommen werden ausgeplündert und sie werden in einer unterwürfigen Rolle gehalten.

Trotzki erklärte, das in der modernen Ära die ArbeiterInnenklasse die Aufgabe hat, diese grundlegenden Aufgaben zu lösen, welche für die weitere Entwicklung der Gesellschaft unentbehrlich sind. In der Russischen Revolution zeigte sich, dass es die Aufgabe der ArbeiterInnenklasse war, die Ketten zu sprengen, die Russland mit dem ausländischen Imperialismus und dem einheimischen Großgrundbesitz verband. Um dies erfolgreich zu tun, konnte man nicht im Rahmen des Kapitalismus agieren. Um die Produktivkräfte der Gesellschaft zur Entfaltung zu bringen, war es notwendig die Wirtschaft zu verstaatlichen und einen zentralisierten Produktionsplan zu erstellen, der auf einem System der ArbeiterInnendemokratie basierte. Mit anderen Worten: um die Aufgaben der bürgerlichen Revolution zu erfüllen, war es notwendig die wirtschaftliche und sozialistische Kraft einer sozialistischen Revoluion zu mobilisieren. Trotzki formulierte das so: „Das als Führer der demokratischen Revolution an die Macht gelangte Proletariat wird zwangsläufig und sehr schnell mit Aufgaben konfrontiert, deren Erfüllung eng mit Eingriffen in das bürgerliche Eigentumsrecht verbunden ist. Die demokratische Revolution geht direkt in die sozialistische Revolution über und wird dadurch zur permanenten Revolution.“

Eine weitere Art, in der die Revolution permanent sein muss, ist ihr Ziel aus dem Grenzen eines rückständigen, unterentwickelten Landes auszubrechen. Die Vollendung der sozialistischen Revolution ist nicht im Rahmen der nationalen Grenzen des Nationalstaates möglich. Um Trotzki noch einmal zu zitieren: „Die sozialistische Revolution beginnt in der nationalen und entfaltet sich in der internationalen Arena.“

Das bedeutet, dass die sozialistische Revolution internationalisiert werden, aus der Isolation herausbrechen und sich auf andere lateinamerikanische Länder ausdehnen muss – als Schritt hin zum Aufbau einer weltweiten sozialistischen Föderation.

Wirklicher Internationalismus

Die heutigen Bedingungen in Lateinamerka sind sehr gut für eine Kooperation und für gemeinsamen Kampf der lateinamerikanischen ArbeiterInnen und Bauern/ Bäuerinnen. Die Vollendung einer wirklichen demokratisch-sozialistischen Revolution in Bolivien, Venezuela und Kuba könnte den Beginn der Planung und Etablierung einer sozialistischen Föderation ermöglichen, die ein erster Schritt wäre, den Rest des Kontinents zu erfassen.

Selbst in ihrer ersten Phase könnte eine demokratisch-sozialistische Föderation von Kuba, Venezuela und Bolivien enorme wirtschaftliche und soziale Entwicklungen ermöglichen und ein Attraktionspol für ArbeiterInnen und Jugendliche auf der ganzen Welt sein. Sie würde verdeutlichen, was auf der Basis von wirklichem demokratischem Sozialismus möglich ist und die Völker von Kuba, Bolivien und Venezuela würden schnell einen höheren Lebensstandard als die Mehrheit der Bevölkerung auf dem Kontinent genießen.

Aber diese enormen Aufgaben können nicht im Namen der ArbeiterInnenklasse, in ihrem Dienst durch gut-meinende Führer erfüllt werden. Es sind die Aufgaben der ArbeiterInnenklasse, die die völlige Beteiligung und Führung der ArbeiterInnenklasse verlangen. Viele Aspekte des durch Chávez initiierten und geführten Prozesses beinhalten eine starke Top-Down-Herangehensweise, die die unabhängige Initiative der Massen durch Gebote der Regierung ersetzt. Viele der Errungenschaften, die Chávez erreichen konnte, wurden durch den hohen Ölpreis ermöglicht. Aber der Ölpreis hat begonnen zu fallen und könnte deutlich weiter fallen, wenn die Weltwirtschaft in einen Abschwung gerät oder gar in Stagnation oder Rezession abrutscht. Dies könnte die Reformen untergraben und die Reaktion stärken, was nur durch eine sozialistische Politik verhindert werden kann, die die Macht des Kapitalismus bricht und einen internationalen Appell aussendet. Wenn die neue Partei und die Reformen die schon bestehende Tendenz zur Machtkonzentration in den Händen von Teilen der Bürokratie und der chavistischen Führung verstärkt, wird dies die aktive und bewusste Beteiligung der Arbeiterklasse untergraben. Deshalb sollten die vorgeschlagenen Verstaatlichungen Hand in Hand gehen mit der Einführung von Arbeiterkontrolle als erstem Schritt zu ArbeiterInnenverwaltung. ArbeiterInnenkontrolle bedeutet, dass gewählte VertreterInnen der ArbeiterInnen die vollständige Kontrolle über Einstellungen und Entlassungen, über Löhne und die tägliche Leitung der Betriebe erlangen. Um Korruption zu bekämpfen, müssten Maßnahmen ergriffen werden, die Löhne von ManagerInnen zu begrenzen und ManagerInnen und Vorgesetzte sollten außerdem wähl- und abwählbar sein. Letztlich müssen die verstaatlichten Betriebe Teil eines größeren nationale Produktionsplans sein, um die wirtschaftlichen Kapazitäten vollständig auszuschöpfen.

Die Art und Weise, in der die Chávez-Regierung in der Lage war, in den öffentlichen Dienst, Infrastruktur und das Bildungswesen zu investieren, gibt eine Vorstellung davon, was auf Basis einer demokratisch geplanten Wirtschaft möglich wäre – im Gegensatz zu der derzeitigen Politik, die versucht die chaotischen Markt-Kräfte durch eingeschränkte staatliche Regulierung und Intervention zu kontrollieren. Auf der Basis von ArbeiterInnenkontrolle und -verwaltung der Schlüsselbereiche der Wirtschaft wäre es möglich, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt zu planen. Der übergroße Anteil des Ölreichtums würde für den Wiederaufbau des Lebens der einfachen VenezolanerInnen genutzt, anstatt in den Taschen der privaten Vertragspartner zu landen. Eine demokratische Planwirtschaft könnte die venezolanische Gesellschaft und das Leben von Millionen ArbeiterInnen und Armen radikal verändern. ArbeiterInnendemokratie kann nur erreicht werden auf der Basis massenhafter Beteiligung der ArbeiterInnenklasse an den politischen Prozessen und durch den Aufbau von Instrumenten zur Kontrolle, Verwaltung und Planung der Wirtschaft und vorhandenen natürlichen Ressourcen. In allen Betrieben, Universitäten und Stadtteilen müssten Komitees gebildet werden. Diese würden VertreterInnen wählen, die jederzeit abwählbar sind und nicht mehr als einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn verdienen würden. Diese VertreterInnen würden sich dann in lokalen, regionalen und nationalen Strukturen treffen. Die Verbindung dieser Komitees auf Stadt-, Regional- und Landesebene wäre die Basis für die Bildung einer Regierung der ArbeiterInnen und Bauern / Bäuerinnen.

Ein sozialistischer gesellschaftlicher Fortschritt würde eine elektrisierende Wirkung auf die Massen in Lateinamerika haben und eine neue Sprache des Sozialismus verbreiten. Dies wäre die Sprache von sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt, die sich in den gebauten Wohnungen, der Menge an verteilten Nahrungsmitteln, den geschaffenen Arbeitsplätzen und gesicherter Demokratie artikulieren würde. Das wäre der beste Garant für die nationale und internationale Verteidigung der venezolanischen Revolution und die Basis für die Verbindung mit anderen lateinamerikanischen Staaten zur Bildung einer sozialistischen Föderation Lateinamerikas als erstem Schritt zu einer weltweiten Föderation demokratisch-sozialistischer Staaten.

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