Tabubrüche begehen

“Was für England Indien war, wird für uns der Ostraum sein,” mit dieser Absichtserklärung stellte Hitler 1941 fest, dass er die Kolonialisierung des Osten plant. Die Wehrmacht sollte das Hauptinstrument sein, um einen rassistisch legitimierten Eroberung
Jakob Rosenberg, SLP-Margareten I

Die ursprüngliche Ausstellung “Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-44” machte zwischen März 1995 und November 1999 in 33 deutschen und österreichischen Städten Station. Rund 850.000 Menschen haben die Ausstellung gesehen.
1433 Fotos (größtenteils von beteiligten Soldaten selbst geschossen) dokumentierten
Verbrechen der Wehrmacht an drei zentralen Kriegsschauplätzen, dem Balkan, Weißrussland und in der Sowjetunion.

Vernichtungskrieg

Der Krieg, zuerst gegen Polen und vor allem gegen die Sowjetunion, unterschied sich von allen bisherigen Kriegen: Vom ersten Tag an waren Kriegsverbrechen die “Normalität”. Der sogenannte Kommissarbefehl des Oberkommando der Wehrmacht befiehlt die sofortige Tötung von politischen KommissarInnen. Allein dieser Befehl drückt den Vorsatz für spätere Verbrechen aus. Über 2 Millionen sowjetische Kriegsgefangene starben in deutscher Gefangenschaft zwischen Sommer 1941 und Frühling 1942. Entscheidende Schritte Richtung Holocaust wurden damit gesetzt: z.B. wurden Massenvergasungen im Zusammenhang mit dem “Rußlandfeldzug” erstmals durchgeführt. Auch der Mord an sechs Millionen JüdInnen ist ohne die Präsenz und Unterstützung der bei weiten größten Institution des NS-Staates - der Wehrmacht - undenkbar.

Massaker am Balkan

Den Balkanfeldzug prägten Täter aus Österreich: Hier gab es den höchsten Anteil von Österreichern an Mannschaft und Offizieren. Wenige Tage nach der Kapitulation Jugoslawiens (April 1941) wurden in Pancevo 18 Personen erschossen und weitere 18 gehängt und drei Tage lang zur Abschreckung ausgestellt. In einem Wehrmachtsbefehl heißt es: “Tritt in einem Gebiet eine bewaffnete Bande auf, so sind auch die in der Bande ergriffenen wehrfähigen Männer zu erschießen...”- eine Anordnung die noch vor der entsprechenden Weisung Hitlers erfolgte. Im sogenannten Geiselmordbefehl der Wehrmacht hieß es: “Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muss in diesen Fällen im allgemeinen die Todesstrafe für 50-100 Kommunisten als angemessen gelten. Die Art der Vollstreckung muss die abschreckende Wirkung noch erhöhen.” Der kommandierende General in Serbien Franz Böhme - ein österreichischer Offizier - radikalisierte diese Befehle weiter: Im Oktober 1941 führte das zu der standrechtlichen Erschießung von 7000 Geiseln in Kragujevac, unter ihnen über 300 SchülerInnen und 18 Lehrende des Stadtgymnasiums. Die Wehrmacht war am Balkan die zentrale Stütze für die Politik die zur Vertreibung von 160000 und der Ermordung von 200000 SerbInnen führte.

Die Debatte

Kaum eine Ausstellung hat im deutschsprachigen Raum für so viel Gesprächsstoff gesorgt, wie die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Die Ausstellung hatte einen Tabubruch begangen. Die Abgrenzung der “sauberen” Wehrmacht zu anderen Verbänden (wie z.B. der SS) wurde relativiert. Die Hauptthese, dass die Wehrmacht ein Hauptinstrument in einem verbrecherischen Krieg war, wurde bewiesen. Der Aufschrei gegen die Ausstellung war laut, rechtsextreme Gruppen mobilisierten ebenso dagegen wie rechts-konservative Parteien und Medien. Unter dem Druck der Proteste wurde die Ausstellung einer Prüfung durch eine HistorikerInnenkommission unterzogen, jedes einzelne Foto wurde überprüft. Auch ein Promillesatz an falsch zugeordneten Bildern, ändert an der Grundthese über die Wehrmachtsverbrechen nichts. Trotzdem: Eine völlig neue Ausstellung wurde konzipiert, sie soll - lt. den Verantwortlichen - weniger polarisieren. Doch darin bestand die Stärke und Wirksamkeit der alten Ausstellung. In der Abteilung “öffentliche Auseinandersetzung” fehlen weitgehend Artikel von links. Ebenso werden Fragen der Verbindung zwischen ökonomischen, strategischen, antisemitischen und rassistischen Motiven des deutschen Kapitals, der Nazieliten und des Militärs weitgehend ausgeblendet. Die neue Ausstellung wird vom 9.April bis zum 26.Mai im Wiener Semper Depot der Akademie der bildenden Künste (Lehargasse 6-8; 1060 Wien) zu sehen sein.

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