Türkische und kurdische Jungendliche und ArbeiterInnen setzten ein starkes Lebenszeichen

Hunderttausende am istanbuler Taksimplatz

Nach Jahren des Verbots feierten heuer hunderttausende Menschen einen lebendigen kämpferischen Mai. Seit 2009 ist der 1.Mai ein offizieller Feiertag in der Türkei. Doch das Betreten des historischen Taksimplatz war – bis heuer- immer verboten. Letztes Jahr kam es zu Attacken durch die Polizei als ArbeiterInnen und linke Gruppen zum Taksimplatz ziehen wollten.  1977 - am Höhepunkt der revolutionären ArbeiterInnenbewegung in der Türkei - versammelten sich am 1. Mai eine halbe Million Menschen am Taksimplatz. Gleich zu Beginn der Kundgebung schossen Scharfschützen in die Menge. Über 30 Leute starben. Die Polizei verschärfte die Tragödie indem sie die Menge immer wieder auf den Platz zurücktrieb. Wer schoß – ob Geheimpolizisten oder Anhänger der faschistischen Grauen Wölfe - ist bis heute geklärt. 1980 putsche dann das türkische Militär. Und erstickte die revolutionäre Bewegung in der Türkei mit Gewalt. Auch später starben immer wieder Menschen durch Polizeischüsse als sie versuchten, am 1.5. auf den Taksimplatz zu kommen.

Heuer versprach die türkische Regierung einen friedlichen 1. Mai am Taksimplatz. Ein Versprechen, daß auch die Angst vor einer wiedererstarkten ArbeiterInnenbewegung ausdrückt.
Von drei Aufmarschplätzen wurde zum Takismplatz marschiert. Kurz vor dem Platz gab es eine Polizeisperre mit Personenkontrolle  und Taschendurchsuchung - wie man sie sonst von Fussballspielen kennt. Der wichtigste Zumarsch wurde von den linken Gewerkschaften DISK (dem “revolutionären” Gewerkschaftsverband) und der Gewerkschaft KESK organisiert.
An ihm beteiligten sich alle linken Gruppen. Die anderen Zumärsche bildeten der staatsnahe Gewerkschaftsverband Türk-Is und die konservativ-religiöse Hak-Is Gewerkschaft.
Der linke Aufmarsch war ein Meer von roten Fahnen, Liedern, Tänzen, überdimensionalen Transparenten und lauten kämpferischen Parolen.
Über die TeilnehmerInnenzahlen gehen die Meinungen auseinander. Der offizielle Vertreter von Istanbul spricht von 150.000 TeilnehmerInnen die kurdische Zeitung “Gündem” spricht von 500.000. Genaue Schätzungen sind aufgrund der ımmensen Größe des Taksimplatzes schwer. Mit Sicherheit waren alleine am linken Aufmarsch über 100.000. Auffallend waren die vielen jungen DemonstrantInnen und der starke kurdische Block mit über 10.000 TeilnehmerInnen.     

 TekelarbeiterInnen vertrieben Gewerkschaftsvorsitzenden von der Bühne

Starker Auftritt der TekelarbeiterInnen: als der Vorsitzende des größten Gewerkschaftsverband Türk-IS  Mustafa Kumlu seine Rede halten wollte, stürmte eine Delegation von Tekel-ArbeiterInnen die Bühne. Die TekelarbeiterInnen sind in der  LebensmittelarbeiterInnengewerkschaft Tek-Gida Is organisiert, die wiederum zum Gewerkschaftsdachverband Türk-Is gehört. Bei vielen TekelarbeiterInnen ist Kumlu wegen der verräterischen Rolle der Türk-Is extrem verhaßt. Zu Recht fühlen sich die TekelarbeiterInnnen von “ihrem” Gewerkschaftsverband verraten. So wurde Kumlu ausgepfiffen und mußte während des Tumults von der Bühne flüchten.         
In späteren Reden wurde die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie stark kritisiert. Eine Strategie wie  der Tekelkampf gewonnen werden kann - etwa mit gemeinsamen einheitlichen Aktions- und Streiktagen - wurde aber nicht präsentiert. Was eine generelle Schwäche der türkischen Linken ausdrückt.
Insgesamt war der 1. Mai extrem positiv: Seit 1977 das erste Mal ohne Polizeiangriffe und hunderttausende fröhliche aber auch sehr kämpferisch eingestellte Menschen feierten.
Ein starkes Lebenszeichen. Der Wiederaufbauprozeß der türkischen ArbeiterInnenbewegung ist in einer spannenden und dynamischen Phase. Zur Zeit ist die türkische Linke in unzählige (meist stalinistische) Gruppen aufgesplittert. Der Tekelstreik hat das Bewußtsein gestärkt, viele politisiert und zur Aktivität motiviert. Tausende – vor allem junge Leute - sind bereit am Wiederaufbau der türkischen ArbeiterInnenbewegung mit zu arbeiten. Wie schnell daraus eine sozialistische, linke Massenpartei der türkischen ArbeiterInnenklasse wird, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie sehr es marxistischen Kräften gelingt, stärker zu werden, und eine offensive Strategie zu entwickeln. Der Sieg um den Taksimplatz ist ein wichtiges Symbol und ermutigt hunderttausende ArbeiterInnen und Jugendlichen in der ganzen Türkei. Mit dieser Ermutigung im Rücken könnte der Kampf gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise massiv verstärkt werden. Die Kämpfe und der Aufbau linker Kräfte in Griechenland  könnten dafür ein großes Vorbild sein.     

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