StudentInnenproteste in Deutschland

‘Seminarleiter statt Eurofighter’
Claus Ludwig, Sozialistische Alternative (SAV), Deutschland

In den letzten Jahren hatten die Angriffe der Kohl-Regierung auf das Bildungswesen in Deutschland immer wieder tausende SchülerInnen und StudentInnen auf die Straße gebracht. Mit dem neuen Hochschulrahmengesetz (HRG) soll nun endgültig der Schritt zur Eliten-Uni gemacht werden. Das führte zur größten Jugendbewegung seit den 70er Jahren.
Schon bisher war Studieren in Deutschland teuer. Gerade 15 % der Studierenden erhalten  BAFöG (einen “günstigen Kredit”) - durchschnittlich gerade 4500.- Schilling. Mit dem neuen Hochschulrahmengesetz wird aber alles noch schlimmer. “Das neue HRG bietet viel mehr Entscheidungsfreiheit”, meinen die Politiker. Die “Autonomie” des HRG ist vor allem die Autonomie der Hochschulen, zu entscheiden, in welcher Höhe sie Studiengebühren kassieren wollen. Die Studierenden können dann “frei” wählen: Ob sie im mit staatlichen Almosen notdürftig zusammengehaltenen geisteswissenschaftlichen Bereich den Kampf um die knappen Sitzplätze im Hörsaal aufnehmen. Oder ob sie zukunftsorientiert bezahlt und im Interesse der Wirtschaft “forschen” (wie wenig umweltschädlich ein Produkt ist, wie sehr der Mensch Streß braucht, wie gut das ganze System ist...).
“Die Kassen sind leer, der Staat muß sparen”, das Argument wird in Österreich genauso gebracht wie in Deutschland. Für ihre Lieblingsprojekte haben jene, die das sagen, aber immer Geld. So erhöhte der Berliner Senat die Zuschüsse für die private Europäische Wirtschaftshochschule EAP um 9 auf 39 Millionen Schilling. Dort wird eine Eliteausbilung für 500 Studierende organisert. Allein mit dem, was der Eurofighter, das teuerste Rüstungsprojekt in der Geschichte der BRD, kostet, wäre der gesamte Bildungs- und Forschungsetat für zwei Jahre gesichert! Mit dem selben Geld könnte allen Studierenden eine elternunabhängige Mindestsicherung von rund 10.000 Schillingen pro Monat für fast ein Jahr bezahlt werden.

In Gießen beginnts’

Ende Oktober trat die Uni Gießen in einen unbefristeten Streik - der Auslöser war ein überfülltes Seminar, das den Unmut über die mieserable Situation an der Uni endgültig überkochen ließ. Darauf schlossen sich auch andere hessische Unis an. Unabhängig davon hatten in Bremen die StudentInnen einen Streik begonnen, als sie herausfanden, daß im Haushalt für 1998 Studiengebühren eingeplant waren. Ihre Aktionen haben das bereits verhindert!
Nachdem sich auch Universitäten aus anderen Bundesländern einklinkten und das ganze dann noch mit einer schon länger geplanten Aktionswoche zusammenfiel, weitete sich die Bewegung aus: Am 27. November gingen über 40.000 Studierende in Bonn auf die Straße, Anfang Dezember waren 70 Unis in ganz Deutschland im Streik.
Um die Bewegung abzuschwächen, aber auch um die “braven” Student-Innen von den bösen Linken zu spalten, heucheln die Politiker nun freundliche Zustimmung. Überall wird verkündet, es sei nicht wie ‘68, sondern das wären nur StudentInnen, die anständig studieren und “etwas leisten” wollen. Tatsache ist aber, daß die Bewegung duchaus ein einheitliches Ziel hat: Weg mit dem Hoschulrahmengesetz! Der aktiven Basis der Bewegung geht es nicht einfach um die eigene Brieftasche, sondern v.a. auch darum, zu verhindern, daß Bildung Eliten-Sache wird. Es wird versucht, Verbindung zu SchülerInnen und Azubis (Lehrlinge) aufzubauen, die StudentInnen schicken Delegationen an Schulen und in Betriebe (z.B. Ford-Köln), um die Bewegung zu verbreitern.
Die Regierenden sind sehr beunruhigt über diese Entwicklung (1998 sind Wahlen!). Ein erstes - wenn auch eher lächerliches - Zugeständnis gibt es bereits: plus 560 Millionen Schilling für die Universitätsbibliotheken (das sind 280.- Schilling pro StudentIn). Der Druck auf die Regierenden ist groß, aber auch jener auf die Studierenden -. für Gießen, Frankfurt und Köln droht der Verlust des Semesters. Aber wie auch immer die Bewegung ausgeht - tausende StudentInnen haben sich an Streiks und Demosntrationen aktiv beteiligt - und damit eine hervorragende Basis für die nächsten Bewegungen gelegt.

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