Sozialistische Alternative aufbauen

Sonja Grusch

Nach den Wiener Wahlen ist die blauschwarze Regierung geschwächt. Aber auch diese Chance ist - nach anderen im letzten Jahr - vertan worden. Die Regierung ist immer noch da und versucht, mittels Kindergeld wieder an Boden zu gewinnen. Es drängt sich die Frage auf: Gibt es eine ernst zunehmende Opposition?

Die parlamentarische “Opposition” ist inhaltlich de facto keine und beschränkt sich auf Anträge im Parlament und Presseaussendungen. SPÖ und Grüne fielen auf den “Sanktions”-Schmäh der Regierung herein. Gusenbauer mittels Europatour, die Grünen mittels dringlicher Anfrage “an den Bundeskanzler betreffs persönliche und politische Verantwortung für den wirtschaftlichen Schaden und die außenpolitische Isolierung Österreichs auf Grund der Haider-Schüssel-Regierungsbildung”.
Erst langsam wurden von der SPÖ soziale Themen aufgegriffen. Hat gerade jene Partei, die jahrzehntelang Privatisierung und Sozialabbau vorangetrieben hat, nun ihr soziales Gewissen wieder entdeckt? Bei näherem Hinsehen entpuppt sich die SPÖ nach wie vor als Vollstreckerin neoliberaler Politik. Sie hält an der angeblichen Notwendigkeit der Budgetkonsolidierung fest. Auch wenn die SPÖ sich zur Zeit mit “sozialen” Vorschlägen (gegen Ambulanzgebühr, für Grundeinkommen) in die Medien bringt, belehrt uns ein Blick auf ihre konkrete Politik (der Vergangenheit wie auch der Zukunft) eines Besseren. In der Vergangenheit: Ausverkauf der Verstaatlichten, Sparpakete, Bildungsabbau, rassistische ImmigrantInnenpolitik etc. In der Gegenwart in Wien, wo die SPÖ an der Macht ist: Erhöhung des Kindergartengeldes, Erhöhung der Kinderzahl in Integrationsgruppen, teure Gemeindewohnungen, Ausgliederungen etc.
Die Kritik an der Regierung: trotz massiver Belastung würde das Nulldefizit nicht erreicht (Edlinger). Im Klartext heißt das, würde das Nulldefizit erreicht, würde man/frau Belastungen in Kauf nehmen.
Grüne Opposition - wenn überhaupt, dann nur im Parlament
Die Opposition der Grünen konzentriert sich nach wie vor auf das Umweltthema, soziale Fragen stehen am Rand. Von den 13 im März und April eingebrachten Anträgen der Grünen waren zwei zu sozialen Fragen. Das ist nicht verwunderlich, denn letztlich setzten sich bei den Grünen in der Praxis stets die „Pragmatiker“ durch, d.h. der rechte Flügel. Auch wenn Van der Bellen ein netter und integerer Mann ist, ändert das nichts daran, dass er für eine pro-kapitalistische Politik steht. Und das bedeutet Politik auf Kosten der ArbeitnehmerInnen.

Kann Opposition im Parlament funktionieren?

Beide Oppositionsparteien beschränken ihre “Opposition” in parlamentarischer Arbeit. Besonders die SPÖ versucht sich hier noch als besonders konstruktiv zu präsentieren und bietet bezüglich der EU-Erweiterung der Bundesregierung die Bildung einer “Plattform” an. Der Inhalt z.B. “Keine undurchdachten Privatisierungen” – also pro durchdachte – und “Bekämpfung der Schwarzarbeit” – wobei die Täter aber nicht die Unternehmer sind, sondern die von ihnen beschäftigten Schwarz-ArbeiterInnen.
Die außerhalb des Parlaments sehr wohl existierende Opposition nehmen diese Parteien nur mäßig wahr. SPÖ-PolitikerInnen haben sich im letzten Jahr oft genug von den Demonstrationen oder Streikandrohungen der Gewerkschaften distanziert. Seit Februar 2000 gab es eine Vielzahl von Angriffen, auf jene Menschen, von denen SPÖ und Grünen behaupten, sie zu vertreten: auf ArbeitnehmerInnen, Frauen, Jugendliche, Arbeitslose, PensionistInnen. Aber keine der beiden Parteien hat gegen diese Angriffe mobilisiert und Aktivitäten gesetzt. Die Verteidigung von Rechten hat sich für sie auf parlamentarische Arbeit beschränkt. Den Unmut und Widerstand den es gab, wurde nicht aufgegriffen, sondern bestenfalls ignoriert.
Bei den Grünen wurde Van der Bellen nach einer Meldung gegen die Donnerstagsdemonstrationen  zurückgepfiffen. Dort wurde sogar mittels Flugblatt den DemonstrantInnen gedankt. Werbewirksam vor der Wiener Wahl verteilt von Grünen ParlamentarierInnen, die es dann allerdings vorzogen, nicht an der Demo teilzunehmen. Die Grünen, deren Besonderheit in ihren Anfängen ihr “Aktionismus” war, sind zu einer normalen Partei geworden. Inhaltlich stehen sie auf dem selben Boden wie die Regierung – auf dem des Kapitalismus. Und in ihren Methoden haben sie sich angepasst, weg von der Strasse, von Basisinitiativen, hin zur StellvertreterInnenpolitik.

Kein Ersatz für Aktivität

Die Maßnahmen der Regierung können nicht durch Anträge im Parlament zurückgeschlagen werden. Solche Anträge können genutzt werden, um auf ein Thema aufmerksam zu machen, aber nicht als Ersatz für Aktivitäten außerhalb des Parlaments. Die Verbesserungen, die im 20. Jahrhundert erreicht wurden, sind nicht das Produkt von konsequenter parlamentarischer Arbeit. Diese Erfolge sind erkämpft worden, durch Demonstrationen und Streiks, organisiert von ArbeiterInnenparteien und Gewerkschaften. Beschlossen wurden sie zwar im Parlament, aber der Druck bzw. zumindest der potentielle Druck von außerhalb hat das erst möglich gemacht. Auch heute ist die Regierung deshalb noch im Amt, weil die Opposition gegen sie auf wirksame Kampfmittel verzichtet. “Streik” ist weder die Lösung aller Probleme, noch ein einfaches Mittel. Um Zwangsarbeit für Arbeitslose, um Autobahnvignetten, um Studiengebühren, um frauenfeindliche Politik zurückzuschlagen, sind aber Anträge im Parlament offensichtlich auch nicht ausreichend.

Wirkliche Opposition aufbauen?

Echte Opposition braucht die richtigen Ideen und die richtige Methode, um etwas erreichen zu können. Die SPÖ als ArbeiterInnenpartei, die sich in der Vergangenheit für Verbesserungen eingesetzt hat, gibt es in dieser Form nicht mehr. Eine Partei, die ArbeitnehmerInnen, Frauen, Jugendliche und ImmigrantInnen zusammenfasst. Eine Partei, die sich nicht an der Logik des Marktes orientiert, sondern an den Bedürfnissen der Menschen. Eine Partei, die nicht FÜR sondern MIT Menschen Ziele erkämpft. Eine Partei, die sich nicht auf Anträge im Parlament beschränkt, sondern Widerstand mit den Betroffenen organisiert. Eine Partei, die für Solidarität und Sozialismus statt Rassismus und Sozialabbau steht. Eine solche Partei ist notwendig. Nur eine solche Partei wäre eine echte Opposition.

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: