Sind Gewerkschaften noch zeitgemäß?

Woher kommt der ÖGB und wohin geht er
Harald Mahrer, Michael Gehmacher und Ali Kropf

Sinkende Mitgliedszahlen und überaltete, teilweise entleerte Strukturen. Das ist das Bild, das viele Gewerkschaften am Beginn des 21. Jahrhunderts bieten. Die rasanten technologischen Entwicklungen und Innovationen haben in den letzten Jahrzehnten die Berufsstruktur nachhaltig verändert. Immer mehr “typische” Beschäftigungsverhältnisse werden in Teilzeit- oder Telearbeit, Geringfügige Beschäftigung, freie Dienstverträge oder Scheinselbständigkeit umgewandelt. Flexibilisierung und Deregulierung sind die Schlagwörter, mit denen GewerkschafterInnen tagtäglich konfrontiert sind. Offenbar tun sich die Gewerkschaften schwer, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen. Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass von bürgerlichen KommentatorInnen bereits vom Ende der Gewerkschaften geschrieben wird.

Gerade der ÖGB scheint sich besonders schwer zu tun, Antworten auf diese neuen Fragen zu finden. Jetzt soll z.B. in einer groß angelegten “Reform” dem Mitgliederschwund Einhalt geboten werden. Administrative Maßnahmen statt Einbeziehung und Mobilisierung der Betroffenen und Mitglieder – das ist ein entscheidendes Merkmal in der Politik und Selbstverständnisses des ÖGB seit seiner Gründung.

ÖGB nach 1945

In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg sah sich die österreichische Bourgeoisie extrem geschwächt. Große Teile der herrschende Klasse waren entweder direkt in das Naziregime integriert oder zumindest Nutznießer der Naziverbrechen. Vor allem die Industrien waren entweder überhaupt Staatsbetriebe oder gehörten zu deutschen Großkonzernen. Die österreichische Bourgeoisie wusste in dieser Situation, dass sie für eine direkte Konfrontation mit der ArbeiterInnenklasse schlecht gerüstet war. Gleichzeitig musste aber das für den kapitalistischen Wiederaufbau nötige Kapital erst aufgetrieben werden. Die Bourgeoisie war sich einig, wer den Wiederaufbau bezahlen sollte: die ArbeiterInnenklasse.
Vor diesem Hintergrund sind in diesen Jahren zwei – für die österreichische Gewerkschaftsbewegung nachhaltig prägende – Besonderheiten entstanden. Erstens die stark institutionalisierte Sozialpartnerschaft und zweitens der hohe Grad an Verstaatlichter Industrie.
Die Bourgeoisie versuchte mit der Gewerkschaftsspitze einen Deal: “Sozialer Frieden” wird gegen Posten und Einfluss getauscht. Verliererin in diesem Deal ist die ArbeiterInnenklasse. Auch wenn die Entstehung der Sozialpartnerschaft von offiziellen GeschichtsschreiberInnen immer als Beispiel für die “Konsensorientierung” der österreichischen Politik nach dem Krieg hingestellt wird, ist diese Geschichte alles andere als konfliktfrei über die Bühne gegangen. Nicht ein “Sieg der Vernunft”, der aus dem “Geist der Lagerstraße” resultiert haben soll, sondern ein Sieg der Gewerkschaftsbürokratie im Verband mit der österreichischen Bourgeoisie über die ArbeiterInnenklasse im offen Klassenkampf, bildete den Grundstein auf dem das Gebäude der Sozialpartnerschaft errichten werden konnte.

Die Niederschlagung des Oktoberstreiks

Bei den Lohn-Preis-Abkommen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren ging es im Wesentlichen darum, dass mittels Inflation das Geld der ArbeiterInnenklasse zur Bourgeoisie umverteilt wurde. Dieses Kapital bildete dann den Grundstock für den “Wiederaufbau” der österreichischen Wirtschaft. In diesen Abkommen wurden Löhne und Preise festgelegt. Da jedoch die Preise schneller stiegen als die Löhne, bedeutete dies eine Umverteilung Richtung Bourgeoisie. Diese Abkommen wurden von der ArbeiterInnenklasse keineswegs – aus Einsicht in eine angebliche Notwendigkeit – seelenruhig hingenommen. Die Antwort waren Streiks und Arbeitskämpfe. Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellte der “Oktoberstreik” im Herbst 1950 dar.
In jenen Tage entwickelten sich Ansätze für eine österreichweite Streikbewegung, mit dem Ziel das 4. Lohn-Preis-Abkommen zu Fall zu bringen. Die Situation war die Nagelprobe für die Gewerkschaftsbürokratie. Sie musste der Bourgeoisie beweisen, dass sie es wert ist mit Posten und Pfründen versorgt zu werden und in den Hinterhof der Macht vorgelassen zu werden. Ihre Aufgabe war es nun, die ArbeiterInnenklasse zurückzuhalten und ruhig zu stellen. In letzter Konsequenz bedeutete das im Oktober 1950 die Streikenden niederzuknüppeln. Um diese Ungeheuerlichkeit ideologisch zu rechtfertigen, erfand sie die “Putschlüge”. Die Streikbewegung sei ein Putschversuch der KommunistInnen gewesen, ist seitdem fester Bestandteil in den Geschichts-   büchern und ÖGB-Geschichtsschreibung.
Die Niederschlagung der Bewegung und die darauffolgende Säuberung des ÖGB von Linken, v.a. KommunistInnen, ebnete erst den Weg für die Sozialpartnerschaftspolitik in den darauffolgenden Jahrzehnten. Die Sozialpartnerschaft war also schon in ihrer Geburtsstunde eine schmerzliche Niederlage für die ArbeiterInnenklasse und die gewerkschaftliche Linke.

Die Sozialpartnerschaft verfestigt sich zum Ideologieersatz für den ÖGB

Im langanhaltenden Nachkriegsaufschwung schien das Unmögliche möglich zu werden: Die Partnerschaft zwischen zwei gesellschaftlichen Klassen mit entgegengesetzten Interessen. Während der durch die Sozialpartnerschaft hergestellte soziale Frieden, die Entwicklung der österreichischen Bourgeoisie unterstützte, konnte die Gewerkschaftsbewegung kampflos zum Teil große Fortschritte für die ArbeiterInnenklasse erzielen. Das war der Preis, den die Bourgeoisie zu zahlen bereit war. Die Errungenschaften erhöhten zwar den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse, sie blieben allerdings hinter dem zurück, was mit einer kämpferischen Politik im Aufschwung möglich gewesen wäre. Die größte Schattenseite dieser Politik ist aber, dass die ArbeiterInnenklasse das Kämpfen verlernt hat.
Die ÖGB-Bürokratie wurde immer stärker in die Schaltzentralen der Macht eingebunden, sie verbreitete unter ihren Mitgliedern, die Illusion, die ÖGB-Spitze müsse nur mit den Fingern schnippen und schon bekäme “die Gewerkschaft” was sie wolle. Der Bourgeoisie gegenüber versicherte die ÖGB-Spitze nicht übermütig zu werden, und das Gesamtwohl der Wirtschaft in ihre Überlegungen einzubeziehen. Das Resultat war und ist eine massive Entpolitisierung und zunehmende Passivität der Gewerkschaftsbasis.
Die Verfestigung der Sozialpartnerschaft zur Ideologie war nur möglich, weil sie in der Aufschwungphase, neben den beiden Hauptzwecken, noch ein angenehmes Nebenprodukt abwarf. Die Sozialpartnerschaft brachte der Bourgeoisie die niedrigste Streikrate in Europa. Die Gewerk- schaftsspitze gewann an Einfluss, Macht, Pfründe und Posten und der Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse stieg, ohne einen Finger dafür rühren zu müssen.

Die  Spielräume werden kleiner

Nachdem der langanhaltende Aufschwung Mitte der 70er Jahre zu Ende ging, fiel aber auch das Fundament auf dem das Sozialpartnerschaftsgebäude zu stehen vermochte weg. Die Situation begann sich grundlegend zu ändern. Während des Aufschwungs war die Bourgeoisie im Ausgleich für sozialen Frieden bereit, die ArbeiterInnenklasse am Kuchen ein wenig “mitnaschen” zu lassen. Kennzeichnend für die neue Situationen war nun der Beginn der Umstrukturierung der Industrie – “Just-in-time-production”, Flexibilisierung, Deregulierung und Privatisierungen wurden zu den neuen Schlagwörtern. Aus kapitalistischer Sicht notwendig wurde das, durch die enger werdenden Spielräume und das Abflachen des Wirtschaftsaufschwungs. Der Konkurrenzdruck auf die einzelnen Unternehmen stieg und der einzige Weg, ihre Profitraten zu sichern, war und ist die verstärkte Ausbeutung und Intensivierung der Arbeitskraft. Ein konkreten Ausfluss dieser Entwicklung sehen wir heute z.B. daran, dass Aktienkurse steigen, wenn Unternehmen größere “Einsparungen” bei den Beschäftigten ankündigen. Im Grunde spiegelt sich hier nur das Verhältnis von eingesetztem Kapital und dem zu erzielenden Profit wieder. In dem Maß wie die optimale Ausnutzung der Arbeitskraft steigt, desto stärker verändert sich die Profitrate zu Gunsten der Unternehmer. Ein amerikanischer Spitzenmanager erhielt so aufgrund seiner rigorosen Arbeitsplatzvernichtungspolitik den Spitznamen “Neutronen-Jack” in Anlehnung auf die in den 70er Jahren entwickelte Neutronenbombe.
Da die ÖGB-Spitze in der kapitalistischen Logik gefangen ist, konnten sie keine wirksamen Gegenstrategien entwickeln. Sogar ganz im Gegenteil, sie waren schließlich auch bereit sich den Argumenten der Bourgeoisie wie z.B. der Standortlogik zu beugen und sie in ihre Politik zu integrieren. So sieht die ÖGB-Führung heute eine stärkere Bedrohung in den osteuropäischen Arbeitskräften, als in der “heimischen” Bourgeoisie.

Die Sozialpartnerschaft wird aufgekündigt

Dazu war die österreichische Bourgeoisie nach dem Nachkriegsboom wieder zu Kräften gekommen. Sie fühlte sich zunehmend kräftiger und ging nun wieder stärker auf Konfrontationskurs. Einerseits zwangen wirtschaftliche Krisen zu einer schärferen Tonart, andererseits wollten sich die erstarkte Bourgeoisie Teile des durch die Sozialpartnerschaft “verlorenen Bodens” zurück holen.
Der erste große Angriff war die Zerschlagung der Verstaatlichten, der mehrere Zwecke erfüllte. Die Wirtschaft brauchte die Verstaatlichte nicht länger als günstigen Grundstofflieferanten (die Verstaatlichte musste unter den Weltmarktpreisen an die österreichische Privat- wirtschaft liefern) und außerdem fühlte man/frau sich stark genug, die Großindustrie jetzt selbst zu übernehmen. Zudem traf die Zerschlagung die Gewerkschaftsbewegung in ihren stärksten Festungen. Jahrzehntelang hat der ÖGB die Verstaatlichte als seine “Spielwiese” benutzt und die Organisierung der Klein- und Mittelbetriebe mehr oder weniger außer Acht gelassen. Mit dem Märchen, dass der Staat ein schlechter Wirtschafter wäre, wurde dieser Angriff politisch hoffähig gemacht. Die Gewerkschaftsführung tauschte in dieser Situation das Schicksal zehntausender Beschäftigten gegen die weitere Integration in den Staats- und Machtapparat.
Die Sozialpartnerschaft hat seit diesem Zeitpunkt ein neues Gesicht. Zwar konnte die Bourgeoisie ihre Interessen mit ihrer Hilfe relativ konfliktfrei durchsetzen und die ÖGB-Bürokratie blieb im Hinterhof der Macht. Für die ArbeiterInnenklasse aber bedeutete die Sozialpartnerschaft ab jetzt Verschlechterungen ihrer Lebenssituation in Kauf nehmen zu müssen. Dass sie bislang noch keine Antwort darauf gefunden hat, liegt hauptsächlich an drei Gründen: Erstens hat sie das Kämpfen verlernt, zweitens sind ihre größten Bastionen, wie die Verstaatlichte oder der Konsum zerschlagen oder zumindest dramatisch geschwächt und drittens klammert sich ihre Führung noch immer an die Sozialpartnerschaft, weil sie der Quell ihrer Privilegien und Macht ist.
Trotzdem ist die Sozialpartnerschaft für die Bourgeoisie zu einem immer größeren Hemmschuh geworden, da sie die ÖGB-Spitze zumindest mitreden lassen muss. Das führt aus Sicht der Wirtschaft dazu, dass viele Angriffe nicht hart genug bzw. nicht schnell genug geführt werden können und konnten. Gerade das Motto der blauschwarzen Regierung “Speed kills”, bringt diesen neuen Kurs auf den Punkt. Die Bourgeoisie ist einerseits wieder stark genug die Konfrontationen mit der geschwächten ArbeiterInnenklasse einzugehen und ist andererseits auch zu diesen Konfrontationen gezwungen, will sie in Zeiten enger werdender Spielräume ihre Profite ins Trockene bringen.

Stell dir vor, es ist Sozialpartnerschaft und nur die ÖGB-Spitze geht hin

Die Bürokratie des ÖGB ist die einzige Gruppe die tatsächlich ein Interesse an der Sozialpartnerschaft hat. Für Teile der Bourgeoisie ist zu einer unnützen Bremse in ihren “Speed-kills-Projekten” geworden. Und der ArbeiterInnenklasse kann es herzlich egal sein, ob Sparpakete und Arbeitsplatzvernichtung mit oder ohne Zustimmung der Gewerkschaft durchgezogen werden. In jedem Fall hat sie die Kosten zu tragen. Die Gewerkschaftsbürokratie ist zwar bereit zur Erhaltung ihrer Pfründe Sparpakete und alles andere mitzuschnüren – nur die Bourgeoisie ist nicht mehr bereit den Preis für diese Privilegien zu zahlen. Sie will diese Posten, die Macht und die Ressourcen, die für die Erhaltung der Gewerkschaftsbürokratie nötig sind, für sich zurück. Der ÖGB wird aus ihrer Sicht im Moment nicht oder in wesentlich geringerem Ausmaß gebraucht. Das Resultat ist die Vertreibung der ÖGB-Bürokratie aus dem Privilegienparadies, die derzeit stattfindet. Kein Wunder also, wenn sich die ÖGB-Bürokratie nach den heimeligen Zeiten der “funktionierenden” Sozialpartnerschaft zurücksehnt.

Neue Schichten

Der ÖGB bezieht seine “Stärke” aus Großbetrieben und der ehemaligen Verstaatlichten. Der Organisationsgrad in Klein- und Mittelbetrieben ist im Vergleich dazu nur sehr gering. Ein weiterer in der Vergangenheit sträflich vernachlässigte Bereich liegt in den “neuen” Beschäftigungsverhältnissen. Sie sind zum größten Teil nicht organisiert und verfügen teilweise noch nicht einmal über Kollektivverträge. Internationale Beispiele zeigen, das es gerade Beschäftigte dieser Bereiche sind, die aufgrund ihrer schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen sehr schnell in Auseinandersetzungen mit der Geschäfts- bzw. Unternehmensleitung geraten. Sie stehen bereits mit dem Rücken zur Wand und haben gar keine andere Möglichkeit mehr, als sich gegen die Angriffe von Wirtschaft und Politik zu wehren.

Die Antwort des ÖGB ist Hilf- und Sprachlosigkeit

Die Spitze des ÖGB kämpft mit einem Rückgang der Mitgliedschaft, was ihre Macht in dem Sinne einschränkt, als die Bourgeoisie wenn überhaupt nur dann bereit ist, die Gewerkschaftsbürokratie an der Macht mitnaschen zu lassen, wenn sie die ArbeiterInnenklasse auch in Zaum halten kann. Sinkende Mitgliedszahlen repräsentieren aber einen sinkenden Einfluss auf die ArbeiterInnenklasse. Bis dato wissen Verzetnitsch & CO darauf keine andere Antwort, als durch Organisationsreformen den Niedergang möglichst gut zu verschleiern und den Versuch mit leeren Versprechungen Mitglie- derwerbung zu betreiben. Nur die ArbeiterInnen haben nicht vergessen, dass der ÖGB beim Sozialabbau mitmacht, dass der ÖGB keinen effizienten Widerstand organisiert, daher funktionieren auch Mitgliedergewinnungskampagnen nur mäßig.

ÖGB links liegen lassen?

Ein Ausdruck dieser eher tristen Analyse findet sich darin, dass sich immer Menschen vom ÖGB abwenden. Sie sehen keinen großen Nutzen mehr in einer gewerkschaftlichen Organisation. Aus ihrer Sicht lassen sich viele Probleme bzw. Fragen auch ohne Gewerkschaft lösen. Teile der Bourgeoisie greifen diese Stimmung auf und setzen zunehmend auf Gewinnbeteiligungs- und Mitbestimmungsmodelle als Konkurrenz zu den Gewerkschaften. Ist es aber einmal gelungen, die Gewerkschaften aus dem Betrieb zu drängen, zeigen sich die Argumente und Modelle der Bourgeoisie sehr schnell als Eigentor für die Beschäftigten. Die Mitbestimmung heißt dann eben, dass sie sich selbst aussuchen dürfen wer im Falle von Kündigungen gehen muss und die Gewinnbeteiligung nicht annähernd die kollektiv- vertragliche Lohnerhöhung ausmacht. Die Unternehmer haben schon Übung im “frisieren” von Bilanzen, um ja keine Gewinnsteuern zahlen zu müssen.
Jetzt den ÖGB links liegen zu lassen, würde genau dieser Entwicklung weiteren Vorschub leisten. Statt die 1,5 Millionen Gewerkschaftsmitglieder als Faustpfand der ÖGB-Spitze für ihre weiteren Verhandlungen mit der Bourgeoisie zu überlassen, muss Alles daran gesetzt werden, eine kämpferische, demokratische Opposition in- und zum Teil auch außerhalb des ÖGB aufzubauen.

Eine gewerkschaftliche Strategie nach vorne

Von Verzetnitsch & Co ist keine Veränderung zu erwarten. Sie haben das vergangene Jahr nicht genutzt. Die Hoffnungen vieler, dass das Argument “wir kämpfen nicht gegen die eigene Partei” mit der blau-schwarzen Regierung wegfallen würde, und sich der ÖGB der kämpferischen Wurzeln der Gewerkschaftsbewegung besinnen würde, wurden entäuscht.
Die Passivität der Gewerkschaften und ihre Akzeptanz der Systemlogik  ist keine österreichische Besonderheit. Ebensowenig ist es der Unmut der Gewerkschaftsbasis. In vielen Ländern haben sich in den letzten Jahren oppositionelle Strukturen in den Gewerkschaften entwickelt bzw. sind neue, kämpferischere Gewerkschaften entstanden. Die Sud in Frankreich und die CFDU (Kampagne für eine kämpferische, demokratische Unison - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) in Britannien gehören zu den bekanntesten. Auch in Österreich erhalten die oppositionelleren, linken Fraktionen Zulauf. Das Forum Henriettenplatz (siehe Seite 3) zeigt die Bereitschaft von Basismitgliedern, sich zu organiseren und in die Offensive zu gehen. Dass es sich bei solchen Initiativen keineswegs um linke Minigrüpchen handelt, zeigt wieder die CFDU. Roger Bannister, Mitglieder der britischen Schwesterpartei der SLP und Kanidat der CFDU für die Funktion des Generalsekretärs der UNISON, erhielt bei den Gewerkschaftswahlen im letzten Jahr 72.000 Stimmen. Der Vertreter der Bürokratie gewann - allerdings nur 120. 000 Stimmen.
In diesen Strukturen können AktivistInnen verschiedener Betriebe, Dienststellen, Regionen und Gewerkschaften gemeinsam Konzepte und Kampagnen entwickeln. Im Gegensatz zur Gewerkschaftsbürokratie, deren “Kampagnen” mittels Medien und Geheimverhandlungen geführt werden, sind die BasisaktivistInnen der Kern dieser Kampagnen. Initiativen wie diese - Kampagnen für kämpferische und demokratische Gewerkschaften - sind ein Schlüssel zur Veränderung der Gewerkschaft.

Erscheint in Zeitungsausgabe: