Sind die US-“Demokraten” reformierbar?

Bernie Sanders setzt auf einen Wandel der Partei
Tony Wilsdon and Tom Crean, „Socialist Alternative“ (Schwesterorganisation der SLP und Sektion des CWI in den USA)

In den letzten Wochen geht Bernie Sanders immer kritischer auf den Zustand der „Democratic Party“ ein. In einer Reaktion auf Vorwürfe, AnhängerInnen von ihm seien beim Parteikongress im Bundesstaat Nevada gewalttätig geworden, sagte Sanders: „Die >Democratic Party< hat die Wahl: Sie kann die Tür aufstoßen und Menschen in der Partei begrüßen, die bereit sind, für wirklichen ökonomischen und gesellschaftlichen Wandel zu kämpfen. Es geht um Menschen, die es mit der Wall Street aufnehmen wollen, die gegen die Gier der Konzerne vorgehen und sich mit den herkömmlichen Energieunternehmen anlegen wollen, die unseren Planeten zerstören. Oder die Partei entscheidet sich dafür, ihre bisherigen Strukturen aufrecht zu erhalten, sich weiterhin abhängig zu machen vom großen Geld der Wahlkampfspenden von Konzernen und eine Partei zu bleiben, die sich durch begrenzte Partizipation und begrenzte Energie auszeichnet.“

Wir stimmen zwar darin überein, wie Sanders das Partei-Establishment der „Demokraten“ beschreibt. Er scheint aber zu glauben, dass es möglich ist, die Partei zu reformieren und sie an den Interessen der viel zitierten „99 Prozent der Bevölkerung“ auszurichten. Ist das aber einer tragfähige Strategie? Kann die „Democratic Party“ wirklich zu einem Werkzeug für die „politische Revolution gegen die gesellschaftliche Klasse der Milliardäre“ (O-Ton Sanders) gemacht werden?

Bevor Sanders sich entschieden hat, zu kandidieren, haben wir von „Socialist Alternative“ ihn dazu aufgefordert, als unabhängiger Kandidat ins Rennen zu gehen. Wir haben davor gewarnt, dass die Partei eine Partei der Konzerninteressen bleibt – auch wenn eine Kandidatur im Rahmen der Vorwahlen bei den „Demokraten“ scheinbar als der einfachere Weg wirken mochte. Trotz ihres progressiven Auftretens, hat sie jede stärkere soziale Bewegung immer wieder verraten. Zuerst wurden solche Bewegungen begrüßt, um sie dann keimfrei zu machen und den Bedürfnissen der parteiinternen Agenda unterzuordnen, die ganz im Sinne der Konzerninteressen ausgerichtet ist. Deshalb wird die „Democratic Party“ auch als „Friedhof der sozialen Bewegungen“ bezeichnet.

Historisch war die Partei eine Formation der gesellschaftlichen Klasse, die als Unterdrückerin aufgetreten ist. Zuerst war sie die Partei der Klasse der SklavenhalterInnen, dann – nach der Abschaffung der Sklaverei – wurde sie zu der politischen Partei, die von den Großkonzernen finanziert und dominiert worden ist. Erst in den 1930er Jahren wurde sie als Partei betrachtet, die sich am ehesten den Interessen der organisierten Arbeiterschaft, der Dunkelhäutigen und Frauen verschrieben hat. Bis in die 1960er Jahre hinein existierte aber weiterhin ein Flügel aus „Dixiekraten“ (Bezeichnung für bestimmte Mitglieder der „Demokratischen Partei“, die aus den Südstaaten stammten; Anm. d. Übers.), der die „Rassentrennung“ im Süden der USA auf´s Heftigste verteidigte. In der gesamten Geschichte ihres Bestehens hat sich diese Partei immer dann, wenn die ureigensten Klassen-Interessen der Konzern-Eliten zur Disposition standen, auf die Seite der gesellschaftlichen Klasse geschlagen, die gegen die Interessen der „99 Prozent der Bevölkerung“ kämpft.

In entscheidenden Phasen US-amerikanischer Außenpolitik, sind die „Demokraten“ immer loyale FürsprecherInnen der Konzerninteressen in Übersee gewesen. Es waren die „Demokraten“, die die imperialistischen Kriege der USA in Vietnam und Korea begonnen haben. Sie haben Bushs Invasionen in Afghanistan und dem Irak unterstützt. Obama hat die Beteiligung der USA an diesen Kriegen fortgesetzt. Am 15. Mai 2016 schrieb die „New York Times“: „Präsident Obama, der als Antikriegs-Kandidat angetreten war, befindet sich nun länger im Krieg als irgendein amerikanischer Präsident vor ihm“.

Aktuell setzt Hillary Clinton auf die Angst, die viele vor einer Nominierung von Donald Trump haben. Sanders und die meisten Liberalen werden einwenden, dass die „Republikaner“ die größte Hürde auf dem Weg zum Fortschritt darstellen. Es ist völlig richtig, dass die „Republican Party“ seit den 1970er Jahren kontinuierlich eine Politik vorangetrieben hat, die dem öffentlichen Dienst schadet, die Reichen noch reicher macht und die Errungenschaften der ArbeitnehmerInnen, Dunkelhäutigen, Frauen und der LGBTQ-Community ins Visier nimmt. Was dabei allerdings außer Acht gelassen wird, ist, dass in den letzten 40 Jahren in Washington D.C. größtenteils der Zustand der Machtteilung zwischen „Demokraten“ und „Republikanern“ vorgeherrscht hat. Zur Umsetzung der meisten Gesetzesvorhaben brauchte es die Unterstützung von Teilen beider Parteien. Mit anderen Worten: In den letzten vier Jahrzehnten waren die Stimmen der „Demokraten“ nötig, um eine sogenannte „republikanische Politik“ durchzusetzen.

Wie progressiv war Roosevelt?

Bei liberalen Linken herrscht die verbreitete Ansicht, dass die „Democratic Party“ wieder „zu ihren Wurzeln“ als angeblich progressive Partei zurückfinden muss. Verwiesen wird dabei im Allgemeinen auf die Roosevelt-Administrationen der 1930er und -40er Jahre sowie die Regierungen unter Kennedy bzw. Johnson in den 1960ern.

Die Meinung der Liberalen zu Roosevelt basiert in erster Linie auf einer ganzen Reihe von Reformen, die zusammenfassend als „New Deal“ bezeichnet werden und in seine erste Amtszeit fallen. Dazu zählten die Erwerbslosenunterstützung, ein recht umfangreiches Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen, Sozialversicherungen, die gesetzlich festgelegte 40-Stundenwoche und ein gewisses Maß an Kontrolle über das Finanzkapital z.B. durch das Gesetz namens „Glass Steagall Act“. Letzteres ist übrigens von einem anderen Präsidenten der „Demokraten“, von Bill Clinton nämlich, wieder aufgehoben worden. Was jedoch immer ausgelassen wird, wenn vom „New Deal“ die Rede ist, ist die Frage, aus welchem Grund diese Politik umgesetzt worden ist.

Roosevelt ist im November 1932 ins Amt gewählt worden. Das war vier Jahre nach Einsetzen der „Großen Depression“, die auf den Kollaps an den Finanzmärkten der 1920er Jahre zurückzuführen ist. Er galt damals als finanzpolitischer Konservativer. Überall im Land brodelte es immer mehr, da rund zehn Millionen erwerbsloser Menschen und ArbeiterInnen dem Hungertod nahe waren. Es kam zu immer mehr entschlossenen Demonstrationen und Streiks – darunter auch örtliche Generalstreiks –, und eine zunehmende Zahl an ArbeiterInnen begann damit, das kapitalistische System zu kritisieren, dass sie auf so grobe Weise und bewusst ausgesondert hatte.

Roosevelt betrachtete die Radikalisierung der ArbeiterInnenbewegung und den wachsenden Einfluss von SozialistInnen als potentielle Gefahr für das kapitalistische System. Er gab seine Position des fiskalpolitischen Konservatismus auf, die die Lebensbedingungen für die „einfachen“ Leute nur noch schlimmer gemacht und eine Erholung der Wirtschaftslage verhindert hätte. Stattdessen verfolgte er nun eine Politik, die darauf gründete, Geld in die Wirtschaft zu pumpen, um die Nachfrage zu stärken. Für diesen Ansatz hatte der britische Ökonom John Meynard Keynes sehr prominent geworben, weshalb eine solche Politik häufig auch als „Keynesianismus“ bezeichnet wird. Teile der herrschenden Klasse widersetzten sich der Politik von Roosevelt und bezeichneten sie als „Sozialismus“. Seine Intention, so meinte er, bestand hingegen darin, das System zu retten und eben nicht zu unterminieren.

Während die Politik des „New Deal“ dazu führte, dass die US-amerikanische Wirtschaft vorübergehend einen Aufschwung erlebte – wodurch rund zehn Millionen ArbeiterInnen neue Hoffnung schöpften – war Roosevelt alles andere als ein Freund der ArbeiterInnenklasse. Sobald die Wirtschaft erste Anzeichen einer begrenzt bleibenden Erholung aufwies, begann Roosevelt mit der Demontage der Arbeitsplatz-Programme und löste somit einen neuen ökonomischen Abschwung aus. Unter Roosevelt ist die Nationalgarde öfter gegen die ArbeiterInnenbewegung eingesetzt worden als unter irgendeinem anderen Präsidenten. In den 1940er Jahren kam es zum ersten Einsatz von US-amerikanischen Soldaten – nicht gegen japanische oder deutsche Truppen sondern – gegen Gewerkschaftsmitglieder in Kalifornien. Unterdessen sind japanischstämmige AmerikanerInnen verhaftet und in Lagern interniert worden.

In der gesamten Zeitspanne des Zweiten Weltkriegs ist Roosevelt hart gegen Streikaktionen von ArbeiterInnen vorgegangen und kurz vor seinem Tod, in den Jahren 1945 und -46, versuchte er noch, eine Welle von erfolgreichen Streiks niederzuhalten. Als einmal klar war, dass die neuen Industriegewerkschaften nicht allein mit Gewalt in Zaum zu halten waren, unterzeichnete Harry Truman, der Roosevelt als Präsident folgte und ebenfalls den „Demokraten“ angehörte, das arbeitnehmerInnenfeindliche Gesetz mit dem Namen „Taft-Hartley Act“. Dieses Gesetz ist mit der Mehrheit der „demokratischen“ SenatorInnen und VertreterInnen im Kongress angenommen worden. Der berüchtigte „Taft-Hartley Act“ sorgte dafür, dass die meisten erfolgreichen Streiktaktiken der ArbeiterInnenschaft für illegal erklärt wurden. Darüber hinaus wurde das Vorgehen der ArbeiterInnenschaft an strenge rechtliche Vorgaben geknüpft. Die Führung der Gewerkschaften akzeptierte die neue Situation auf Grundlage anderer Zugeständnisse, die in der Nachkriegsperiode gemacht worden sind. Dazu zählte u.a. das „GI Bill“ (zur Wiedereingliederung von SoldatInnen ins Berufsleben; Erg. d. Übers.). Sie nahmen es aber auch deshalb hin, weil man ihnen „einen Platz am Verhandlungstisch“ mit den Konzernen in Aussicht gestellt hatte. Letzteres wurde jedoch davon abhängig gemacht, dass die ArbeiterInnenbewegung davon absehen würde, ihre eigene politische Partei zu gründen und stattdessen im Dunstkreis der „Democratic Party“ verbleiben würde. Das war ein schwerer Fehler.

Die Ära Kennedy/Johnson

Der „Democratic Party“ wird auch zugute gehalten, dass sie in den 1960er Jahren unter den Präsidenten Kennedy und Johnson liberale Gesetze durchgebracht hätte. Dabei handelte es sich auch bei John Kennedy und Lyndon Johnson nicht gerade um Freunde der ArbeiterInnenschaft, der Bürgerrechtsbewegung oder der „einfachen“ Leute dieser Welt. Kennedy begann die US-amerikanische Militärintervention, die im Vietnam-Krieg mündete, und er organisierte die Invasion in der Schweinebucht auf Kuba. Johnson ließ den Vietnam-Krieg zu einem voll ausgewachsenen Konflikt eskalieren.

Es waren auch nicht die „Demokraten“ sondern die heldenhafte Bürgerrechtsbewegung und schließlich die Antikriegsbewegung, die in den 1960er und -70er Jahren, als eine radikale Protestwelle nach der anderen über das Land schwappte, die Politik veränderte. Dies veränderte das politische Klima und zwang die PolitikerInnen beider Parteien, bedeutende Reformen umzusetzen. In diesem Zusammenhang steht z.B. der „Civil Rights Act“ von 1964 (u.a. Aufhebung der „Rassentrennung“ in öffentlichen Einrichtungen ; Erg. d. Übers.). Wie im Falle des „New Deal“ wurden diese und weitere Reformen in den 1960er und -70er Jahren allerdings nur deshalb umgesetzt, weil man zumindest teilweise dachte, damit eine weitere Radikalisierung und Forderungen nach grundlegendem Wandel zu verhindern.

Wenn es jemals eine Zeit gab, in der die „Demokraten“ eine progressive Agenda wie die von Sanders hätten durchbringen können, dann wären es die 1960er Jahre gewesen. Die US-amerikanische Wirtschaft boomte. Doch der sogenannte „Krieg gegen die Armut“ und die Bürgerrechtsagenda blieben beschränkt. Anstatt umfassende Arbeitsplatz-Programme auf den Weg zu bringen und den strukturellen Rassismus zu bekämpfen, handelte es sich um zeitlich befristetes politisches Flickwerk, das dazu diente, die wachsenden sozialen Bewegungen zu besänftigen. In den Folgejahrzehnten sind diese Maßnahmen dann auch Schritt für Schritt wieder zurückgenommen worden.

Stattdessen legte der mit Recht verhasste Johnson seine Priorität auf eine weitere Eskalation des Vietnam-Kriegs und wurde durch eine massenhafte Antikriegsbewegung aus dem Amt gedrängt. Ironischer Weise führte der Druck von unten ausgerechnet unter einem Präsidenten der „Republikaner“ (Nixon) zu den größten rechtlichen Errungenschaften. So wurden Maßnahmen gegen Diskriminierung, zur Erhöhung der Sicherheit am Arbeitsplatz und grundlegende Umweltschutzprojekte umgesetzt.

Der Weg in den Neoliberalismus

Die enorme ökonomische Expansion des US-amerikanischen Kapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg endete mit der schweren Rezession der Jahre 1974 und -75. Dies leitete den Beginn einer neuen Krise des Kapitalismus ein. Die Wirtschaftspolitik von 1940 bis 1974 hatte – mit einer bedeutenden Rolle, die die Regierung mit ihren Infrastrukturprogrammen und Programmen für grundlegende Sozialleistungen spielte, – noch auf dem keynesianistischen Ansatz basiert. Die Übernahme der keynesianistischen Ausgabenpolitik hing direkt mit dem Wunsch der kapitalistischen Elite zusammen, die Wirtschaft vor einem Abfall in die Rezession zu bewahren und zu erreichen, dass die Fabriken in einer Phase US-amerikanischer Dominanz weiterhin für den Weltmarkt produzieren konnten.

Das Ende des kräftigen Wirtschaftsaufschwungs, der von 1950 bis 1974 angedauert hatte, war gleichzeitig der Beginn einer neuen Krise des Kapitalismus. Gesteigerte Ausgaben à la Keynes führten zu diesem Zeitpunkt, der durch eine verlangsamte Wirtschaftsleistung gekennzeichnet war, zu einem massiven Ansteigen der Inflation. Dies zwang die herrschende Elite, die im Interesse der Konzernspitzen agierte, dazu, das Ruder herumzureißen und sich in Richtung des Neoliberalismus zu begeben.

Neoliberale Politik zielt darauf ab, den Anteil des Vermögens, der an die ArbeitnehmerInnen geht, zurückzufahren, um die Profitrate der Konzerne zu steigern und den US-amerikanischen Unternehmen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ihrer internationalen Konkurrenz zu verhelfen. Da auch die anderen Länder den Weg des Neoliberalismus einschlugen, wurde daraus jedoch ein Wettlauf, um herauszubekommen, wer die Lebensstandards der eigenen ArbeiterInnen am schnellsten abzusenken im Stande ist.

Die neoliberale Politik führte in den USA zu einem umfassenden Anschlag auf die Löhne, die Gesundheitsleistungen, Arbeitsrichtlinien, Sicherheitsstandards, Renten und die bis dato geltende Unverletzlichkeit des Acht-Stunden-Tages. Um diese Politik zu bekräftigen, wurden Sozialprogramme gekürzt, und die Ausgaben für den öffentlichen Wohnungsbau wurden zurückgefahren. Die Zunahme der Erwerbslosenzahlen und der Anzahl an Obdachlosen wurde dann als Warnung an diejenigen ArbeiterInnen benutzt, die mit dem Gedanken spielten, Streikmaßnahmen zu ergreifen oder sonstwie gegen die Offensive der Konzerne vorzugehen. Letztere gingen wieder dazu über, unverzüglich StreikbrecherInnen anzuheuern, und ArbeitgeberInnen, die auf die entsprechende Gesetzgebung schon zurückgreifen konnten, begannen damit, Beschäftigte, die sich an Streiks beteiligten, auszutauschen. Dies ging mit einem systematischen Angriff auf die Errungenschaften einher, die von den Afro-AmerikanerInnen und anderen unterdrückten Minderheiten gewonnen worden waren. Die Medien, die sich im Besitz der Konzerne befinden, heizten die rassistische Propaganda an, um in der ArbeitnehmerInnenschaft für Spaltungen zu sorgen.

„Demokraten“ oder „Republikaner“? – Beide sind schuld an der Krise!

Liberale versuchen diese neoliberale Wirtschaftspolitik den „Republikanern“ und vor allem Ronald Reagan anzulasten, der 1980 zum Präsidenten gewählt worden war. Dabei handelte es sich beim Neoliberalismus von Anfang an um ein Projekt beider Parteien. Zuerst sind neoliberale Maßnahmen vom Präsidenten Carter, einem „Demokraten“, angewendet worden, die dann von Reagan institutionalisiert und von allen folgenden Präsidenten – unabhängig ihrer Parteizugehörigkeit – fortgeführt worden sind.

Die Konsequenzen dieser Politik bekamen die Menschen dann im Zuge der großen Rezession von 2008 mit voller Wucht zu spüren. Die enorme Einkommensungleichheit, die Aufhebung der sozialpolitischen Programme, die Schwächung der Gewerkschaften, Freihandelsabkommen, die zu Arbeitsplatzabbau führten, und eine zunehmend repressive Politik – all das zählte zum Erbe des Neoliberalismus und verschärft bis heute die Krise des Kapitalismus.

Während beide Parteien diese Politik weiter eskalierend angewendet haben, besteht der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Parteien darin, dass die „Republikaner“ diese Agenda ganz offen begrüßt haben, während die „Demokraten“ mit ihrer Unterstützung dafür eher hinterm Berg halten. Mehrere aufeinander folgende Präsidentschaftskandidaten der „Democratic Party“ haben öffentlich versichert, diese Politik ändern zu wollen. Trotz der Versprechungen, die Wirtschaftspolitik, die unter dem Begriff „Reaganomics“ bekannt geworden ist, zu beenden, sorgte Bill Clinton für Freihandelsabkommen wie NAFTA, setzte Sozialprogramme außer Kraft, eskalierte die Politik der Massenverhaftungen und richtete seine Wirtschaftspolitik darauf aus, der Wall Street und dem Finanzsektor zu größeren Gewinnen zu verhelfen.

Das soll nicht heißen, dass beide Parteien gleich wären. Jede Partei baut auf die Unterstützung unterschiedlicher WählerInnengruppen und gibt somit Erklärungen ab, die darauf abzielen, die jeweilige Wählerbasis bei der Stange zu halten. So ist der Flügel der o.g. „Dixiekraten“ in den 1970er bzw. -80er Jahren fast geschlossen von den „Demokraten“ zu den „Republikanern“ übergetreten. Das heißt, dass die „Demokraten“ nun noch stärker von den WählerInnen abhängig sind, die eher dem progressiven Lager zuzurechnen sind: ArbeiterInnen und junge Leute. Obwohl sie in keinster Weise als wirkliche Verteidigerin der Rechte von Frauen, dunkelhäutigen Menschen, EinwanderInnen oder Leuten aus der LGBTQ-Community bezeichnet werden kann, schafft es die „Democratic Party“, zu einer Reihe von Themen weiterhin als progressive Kraft rüberzukommen. Das liegt an der durch und durch reaktionären Politik, für die sich die „Republikaner“ stark machen.

„Demokraten“ – eine Partei für das viel zitierte „eine Prozent der Bevölkerung“

Der bei sozialen Fragen manchmal starke Unterschied zu den „Republikanern“ ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass es sich bei der „Democratic Party“ um eine politische Partei des viel zitierten „einen Prozent der Bevölkerung“ handelt. Präsident Obama ist dafür nur das jüngste Beispiel. Trotz der Begeisterung, für die er sorgen konnte, als er den Bruch mit der Politik von Bush versprach, bestand seine erste Aktion darin, den Banken der Wall Street zu einem Rettungspaket im Wert von mehreren Milliarden Dollar zu verhelfen. Seine Politik ist im Wesentlichen darauf ausgerichtet, den US-amerikanischen Kapitalismus wiederzubeleben – und nicht, sich an den Bedürfnissen der „99 Prozent“ zu orientieren, die weiterhin unter den Folgen der neoliberalen Politik der letzten 30 Jahre zu leiden haben. Vielsagend ist die Tatsache, dass Obama darin versagt hat, für ein ernstzunehmendes Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen, eine echte Entlastung für von der Wohnungskrise schwer getroffene private HausbesitzerInnen und MieterInnen, ein Ende der Massenverhaftungen oder vernünftige Drogengesetze zu sorgen. Ebenso auf sein Konto gehen eine rekordverdächtige Anzahl an Abschiebungen und Drohnenangriffen im Ausland.

In der momentanen Phase der kapitalistischen Krise sind die herrschende Elite und das Parteiestablishment der „Democratic Party“ entschlossen, die progressive Agenda von Sanders zurückzuweisen. Die Art keynesianistischer Strukturreformen, wie sie während des massiven Nachkriegsaufschwungs vom Kapitalismus gewährt worden sind, sind nicht mehr möglich. Aus diesem Grund stehen die Eliten entschlossen hinter Hillary Clinton, die auf eine lange Bilanz der Unterstützung für sie verweisen kann. Die Politik der „Democratic Party“ geht mit den Konzernen Amerikas Hand in Hand, nicht mit den „99 Prozent der Bevölkerung“. Sanders selbst weist darauf hin, dass echter Wandel nur von unten kommen kann. Es braucht aber massive Bewegungen, die sich auf die gesellschaftliche Macht der ArbeiterInnenklasse gründen, die Gründung einer Partei der „99 Prozent der Bevölkerung“ anstreben und definitiv bereit sind, die Grenzen des Kapitalismus zu überschreiten, um zu einer sozialistischen Transformation der Gesellschaft zu kommen, damit die politische Revolution wahr werden kann.

Wie die Konzerne mit ihren Interessen die Kontrolle beibehalten

Die Konzerne mit ihren besonderen Interessen haben eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um ihre Kontrolle über die „Democratic Party“ aufrechtzuerhalten:

Zuallererst sind da die Milliardenbeträge zu nennen, die sie in die Wahlkämpfe stecken, um sicherzustellen, dass gewählte VertreterInnen ihren Forderungen nachkommen. Keine Partei, die den Großteil ihrer Einnahmen aus den Konzernspenden bestreitet, kann jemals im Interesse der „99 Prozent der Bevölkerung“ handeln. Der Wahlkampf von Bernie Sanders steht kurz davor, 250 Millionen Dollar allein aus Spenden von „einfachen Leuten“ zu bekommen und hat ein für allemal gezeigt, dass tragfähige und bundesweit geführte Kampagnen unabhängig vom Geld der Konzerne geführt werden können. Wo aber ist der Mechanismus zu finden, mit dem die Konzerngelder aus der „Democratic Party“ wieder herausgeholt werden können? Eine solche „Reform“ würde von der Masse der gewählten ParteivertreterInnen niemals akzeptiert werden.

An zweiter Stelle ist das undemokratische Prozedere der Vorwahlen zu nennen. Millionen von Menschen haben in den letzten Monaten eine schnelle Einführung darüber bekommen, wie das Parteiestablishment in sich geschlossene Vorwahlen, nicht gewählte „Super-Delegierte“, einen besonderen Zeitplan und die konzernfreundlichen Medien nutzt, um widerspenstige Kandidaten wie Sanders niederzuhalten.

Sanders will nun beim Partei-Konvent (in dessen Rahmen die/der SpitzenkandidatIn gekürt wird; Erg. d. Übers.) für einen Wandel der Partei kämpfen. Ja, möglicherweise kann er einige Veränderungen beim Parteiaufbau erreichen. Das Problem ist nur, dass der Aufbau der Partei noch nie eine Rolle gespielt hat. Dieser dient nur zur Dekoration und um die UnterstützerInnen zufriedenzustellen. Es gibt keinen Mechanismus innerhalb der „Democratic Party“, mit dem KandidatInnen dazu gezwungen werden könnten, sich nach dem Willen ihrer Mitglied- oder gar WählerInnenschaft zu richten. Es handelt sich stattdessen nur um eine Wunschliste, die gleich nach dem Konvent wieder in irgendwelchen Schubladen verschwindet.

Was ist von Sanders´ Aufruf zu halten, die Statuten der „Democratic Party“ zu ändern? Wie sich an den wiederholten Manövern der Parteiführung (DNC) gegen Sanders und auch daran gezeigt hat, dass beim Parteikonvent der „Demokraten“ in Nevada Regeln missachtet worden sind, um Delegierte von Sanders einfach auszuschließen, handelt es sich bei dem Begriff Demokratie innerhalb der „Demokraten“ um nichts als Augenauswischerei. Statuten werden ignoriert und nach Gutdünken neu formuliert oder umgeschrieben.

Bei der „Democratic Party“ handelt es sich nicht um eine Kanne Tee, die man so einfach mit frischem, progressiven Inhalt füllen könnte. Sie ist ein brutales Instrument der Konzerneliten zur Durchsetzung ihrer Interessen und einer Politik, die diesen entspricht. Die Konzerneliten wie auch die fest verwurzelte Parteiführung der „Democratic Party“denken gar nicht daran, ihre Kontrolle über eine Partei, die sich den Konzerninteressen verschrieben hat, aufzugeben. Und wenn sie dabei ein paar Statuten brechen müssen, dann stört sie das wenig. Die Macht, die den nicht gewählten „Super-Delegierten“ zugestanden wird, ist ein deutliches Beispiel dafür, wie weit die Führung zu gehen im Stande ist, wenn es darum geht, die Interessen der spendenden Konzerne zu verteidigen.

Auch wenn es bereits unmöglich erscheint: Sollte Sanders die Nominierung trotz all der undemokratischen Hürden, die ihm in den Weg gestellt worden sind, für sich entscheiden, dann bliebe ein schwerwiegendes Problem ungelöst. Die „politische Revolution“ bis in den Präsidentschaftswahlkampf und darüber hinaus auf Grundlage seines Programms und ohne Konzerngelder weiterzuführen, würde eine offene Kriegserklärung gegen das Parteiestablishment der „Democratic Party“ bedeuten. Obwohl er der Kandidat der „Demokraten“ wäre, müssten er und seine AnhängerInnen in der Praxis erst einmal dazu übergehen, im Endeffekt die Infrastruktur einer ganz neuen Partei zu schaffen. Seit Sanders in den Vorwahlen der „Democratic Party“ blockiert worden ist, ist der Aufbau einer neuen Partei der „99 Prozent der Bevölkerung“ die Kern-Aufgabe für all jene, die für eine politische Revolution kämpfen wollen. Sie sollten sich die Tortur sparen, innerhalb der „Democratic Party“ einen Reformversuch zu unternehmen.

Was haben ArbeiterInnen-Parteien erreichen können?

Wieso hat jedes entwickelte kapitalistische Land außer den USA irgendeine Art von allgemeiner Krankenversicherung? In den Debatten mit Hillary Clinton hat Bernie Sanders diese Frage wiederholt gestellt. Ein Teil der Antwort darauf besteht darin, dass es in fast allen dieser anderen Länder irgendeine Art von unabhängiger Partei der ArbeiterInnenklasse gegeben hat. Am bekanntesten dürfte das Beispiel Großbritanniens sein, wo eine „Labour“-Regierung nach dem Zweiten Weltkrieg den „National Health Service“ durchgesetzt hat. Und es war die „Cooperative Commonwealth Party“, eine sozialdemokratische Partei, die das erste allgemein zugängliche Gesundheitssystem in Nordamerika (nämlich in der kanadischen Provinz Saskatchewan) eingeführt hat. Darüber hinaus sind in Folge der Stärke der dortigen ArbeiterInnenbewegungen und aufgrund der Tatsache, dass es Parteien gab, die deren Interessen zumindest teilweise vertreten haben, in vielen dieser Länder ein angemessenes Rentensystem, kostenlose Hochschulbildung und andere Reformen realisiert worden. Die ArbeiterInnen und jungen Leute in Frankreich kämpfen momentan dafür, dass die Errungenschaften, die im Laufe des letzten Jahrhunderts erstritten worden sind und die die Belegschaften vor willkürlichen Entlassungen bewahrt haben, jetzt nicht abgeschafft werden.

In den 1930er und -40er Jahren hat die mächtige ArbeiterInnenbewegung in diesem Land eine ganze Reihe von wichtigen Reformen durchsetzen können. In den 1950er und -60er Jahren errang man in vielen Industriebranchen beeindruckende Lohnerhöhungen und Sozialleistungen. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass noch viel mehr drin gewesen wäre, wenn wir auf Bundesebene unsere eigene Partei gehabt hätten. Während Bernie Sanders sein Augenmerk darauf lenkt, die „Demokraten“ reformieren zu wollen, besteht die Ironie der Fragen, die er aufwirft, darin, dass sie exakt in die eine Richtung weisen: Wir brauchen eine unabhängige Politik von und für die ArbeiterInnenklasse.

In der vergangenen Zeit hat sich überall auf der Welt die neoliberale Politik durchgesetzt. Fast alle ArbeiterInnenparteien – vor allem die sozialdemokratischen Parteien, die über eine lange Zeitspanne hinweg schon eine pro-kapitalistische Führung hatten – sind zu durch und durch pro-kapitalistischen Parteien geworden.

Unter den heutigen Bedingungen des kapitalistischen Niedergangs ist es wesentlich schwieriger, die Errungenschaften zu gewinnen, die in der Phase des Nachkriegsaufschwungs erreicht werden konnten. Doch die politische Unabhängigkeit der ArbeiterInnenklasse ist heute von größerer Bedeutung als jemals zuvor.