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Finanz- und Wirtschaftskrise: Von Lösungen und Scheinlösungen
Sonja Grusch

Die Finanz- und Wirtschaftskrise betrifft konkret unser aller Leben. Viel wird über Ursachen und Lösungen debattiert. Wir meinen: Die meisten Lösungen, die angeboten werden, gehen leider am Ziel vorbei. Oder würden Sie einem Arzt vertrauen, der nicht nach den Gründen für eine Krankheit sucht, sondern nur oberflächlich ein paar Symptome behandelt? Er würde sie nicht heilen, sondern vielleicht sogar das Leiden verlängern. So ist es auch mit den angebotenen Lösungen - sie bleiben an der Oberfläche.

Den "Rückzug des Staates" fordert inzwischen kaum jemand mehr. Rückenwind hingegen haben Attac & Co, deren vermeintlich radikale Forderungen plötzlich salonfähig sind. ÖGB, Grüne, teilweise auch SPÖ und FPÖ greifen die Idee der Staatsintervention und Regulierung massiv auf. Und zweifellos werden hier eine Reihe von schwerwiegenden Problemen aufgezeigt - aber wie gesagt: man bleibt an der Oberfläche.

Ihre Lösung: "Steueroasen trockenlegen" (Attac, 4 Forderungen für stabile Finanzmärkte)

Unsere Lösung: Nicht nur Finanzkapital, sondern Kapitalismus an sich bekämpfen

Die Erklärungen von Attac & Co. lassen sich in etwa so zusammenfassen: Der Kapitalismus ist aus dem Ruder gelaufen, das Finanzkapital hat zu viel Einfluss und ist zu wenig reguliert. Gierige Spekulanten machen das ganze Krisenanfällig und unfair." Beim ÖGB liest sich dass so: "Jahrzehntelang ging es im Kapitalismus nur darum, möglichst schnell möglichst viel Geld zu machen." (aus: Solidarität 912, 11.08)
Unserer Ansicht nach liegt der Denkfehler in der Annahme, es hätte jemals einen "besseren", weniger "gierigen" Kapitalismus gegeben. Im Kapitalismus ging es immer schon darum, Gewinne zu machen. Das Ziel war nie Wohlstand für alle, oder die Schaffung von Arbeitsplätzen. Produziert wurde und wird um das eingesetzte Kapital zu vermehren - und zwar egal, ob dabei Mensch und Natur auf der Strecke bleiben. Die unmenschlichen Produktionsbedingungen, die heute in Asien und Lateinamerika kritisiert werden, waren im 19. Jahrhundert in Europa die Normalität des Kapitalismus.

Die Finanzkrise nur Ausdruck einer allgemeinen Krise des Kapitalismus

Dass es heute zur "Finanzkrise" kommt, liegt an tiefer liegenden Problemen des Kapitalismus. Im Kapitalismus kommt es zwangsläufig - auf Grund seiner inneren Widersprüche - immer wieder zu Krisen. Doch warum?

  • Die Unternehmer bereichern sich an den Beschäftigten und bezahlen nicht die von den Beschäftigten geschaffenen Werte (sie streifen sich den von Marx definierten Mehrwert ein).
  • Eine kleine Schicht profitiert von den Reichtümern der Gesellschaft, der von allen geschaffen wird (der gesellschaftlichen Produktion steht die private Aneignung gegenüber)
  • Und weil Technologien ohne Menschen keine neuen Werte schaffen können, aber immer weniger Menschen immer "mehr" an Technologie gegenüber stehen, sinkt die Rentabilität des eingesetzten Kapitals (Marx und Engels sprechen vom Tendenziellen Fall der Profitrate).

Ein Blick zurück: Bretton Woods und der Nachkriegsaufschwung

Manche meinen: Aber in den 1950er und 1960er Jahren, gab es doch eine goldene Ära, damals stieg der Lebensstandard aller, damals gab es keine Krisen. Als Argument wird dafür u.a. die Existenz des Währungssystems von Bretton Woods (errichtet 1944) angeführt. Es gab eine Golddeckung des Dollar und eine Wechselkursbindung anderer Währungen an den Dollar. Bretton Woods machte den Dollar zur Leitwährung und nur die USA autonom in ihrer Währungs- und Geldpolitik. Das entsprach der Dominanz der imperialistischen Hauptmacht, den USA, nach dem 2. Weltkrieg. Zweifellos gab es damals stabile Wechselkurse und einen enormen Wirtschaftsaufschwung. Die Grundlage dafür war nicht das System von Bretton Woods, sondern der 2. Weltkrieg - die größte Zerstörungsorgie in der Geschichte.
Es mag zynisch klingen, aber der beispiellose Aufschwung der 1950er und 1960er Jahre hat seine Ursache in den Zerstörungen und den Toten des 2. Weltkrieges. Arbeitskräfte waren billig, Geld wurde vom Kriegsgewinnler USA zur Verfügung gestellt um eine Bastion gegen die "rote Gefahr" zu finanzieren und es mussten Häuser, Strassen und ganze Industriezweige neu aufgebaut werden.

Niedergang des Kapitalismus

In den 1970er Jahren traten demgegenüber die Widersprüche wieder offen zu Tage. Im Gegensatz zur oft verklärten Sichtweise auf diese Periode, gab es damals erstmals wieder gravierende Probleme: Hohe Inflation (1974 im OECD-Raum: 13%), Zahlungsunfähigkeit der USA (1969 in Folge mangelnder Goldreserven) und die Weltwirtschaftskrise Mitte der 1970er Jahre. Bretton Woods zerfiel, es kam zur ersten Nachkriegskrise und spätestens seit den 1980er Jahren versuchte man mit neoliberalen (damals hieß das "monetaristischen") Konzepten den nun permanenten Krisenerscheinungen entgegen zu wirken.
Die Ursache für die "neuen" Konzepte der Wirtschaftspolitik, die ausgehend von den USA (Reagan) und Britannien (Thatcher) weltweit umgesetzt wurden lagen aber nicht in plötzlich durchgeknallten PolitikerInnen oder plötzlich besonders gierig gewordenen KapitalistInnen. Die Ursache lag darin, dass es für das Kapital immer weniger profitabel geworden war, in die "klassischen" Bereiche (Industrieproduktion) zu investieren und daher neue Investitionsfelder gesucht werden mussten. Schon Marx wies darauf hin, dass es im Kapitalismus aufgrund seiner inneren Widersprüche immer wieder zu einer Überakkumulation (übermäßige Anhäufung) von Kapital kommt.
Um für dieses Kapital neue Anlagemöglichkeiten zu finden gab es zwei Maßnahmenpakete:

  1. wurden Bereiche, die bisher vom Staat ohne Gewinnziel betrieben wurden privatisiert. So konnte das Kapital in neue Bereiche wie Pensionen, Gesundheit und Bildung "investieren"; mit allen bekannten negativen Folgen für die Bevölkerung.
  2. wurden die Finanzmärkte dereguliert um das Kapital, das im produktiven Bereich keine ausreichende Gewinnmöglichkeit mehr sah, im spekulativen Bereich gewinnbringend "arbeiten" zu lassen. Es folgten immer absurdere Finanzkonstrukte, die sich zu immer größeren Blasen aufbliesen.

Finanzwirtschaft ist Teil der Realwirtschaft

Die immer größere Bedeutung der Finanzmärkte ist also nicht das Ergebnis einer "Verschwörung" oder wildgewordener unvernünftiger geldgieriger SpekulantInnen. Sie war eine logische Folge und Notwendigkeit der sich ausweitenden Krise des Kapitalismus - letztlich ein Ergebnis des Endes des Nachkriegsaufschwunges. Wir sind nicht gegen die geforderte verstärkte Kontrolle der Finanzmärkte. Aber diese würde die Probleme nicht lösen, da die Ursache in den Widersprüchen des Kapitalismus liegt. Die Finanzwirtschaft ist kein Geschwür sondern ein integraler Teil des Systems Kapitalismus. Versuche, in "gutes" produzierendes und "böses" spekulierendes Kapital zu teilen müssen daher auch scheitern. Diese Trennung wird häufig von nur scheinbaren AntikapitalistInnen formuliert, die damit Argumente untermauern wollen, warum es nicht nötig ist, den Kapitalismus abzuschaffen. Auch wenn die Beweggründe natürlich völlig andere sind, gilt das für fortschrittliche, reformistische Ansätze ebenso wie rechtsextreme und faschistische (die Nazis haben in "raffendes" und "schaffendes" Kapital unterteilt um das angeblich jüdische, "raffende" Kapital zu vernichten). Tatsächlich sind Finanzwirtschaft und produzierender Bereich untrennbar miteinander verbunden - nicht zuletzt durch ein dichtes Geflecht wechselseitiger Beteiligungen.

“Ich möchte so gerne Kreisky sein …”

In Anlehnung an Kreisky meint Faymann da “sei ein halber Prozentpunkt an Defizit mehr oder weniger nicht so entscheidend" um zu verhindern, dass "wir in zwei bis drei Jahren mit einem Heer von Arbeitslosen dastehen". Bei den Grünen liest sich dass folgendermaßen: "1,5 Prozent mehr Defizit wäre für Konjunkturstützung zulässig".
Die 1970er Jahre werden von vielen heute sehr verklärt gesehen. Tatsächlich war Kreiskys Politik keineswegs "links" und hat nicht zu einer Umverteilung von oben nach unten geführt. Im Gegenteil hat die Sozialdemokratie in dieser Periode ganz im Sinne des Großkapitals eine Modernisierung der österreichischen Wirtschaft vorangetrieben. Die Rezession der 1970er Jahre hatte in Österreich kurzfristig relativ geringe Folgen. Das lag aber nicht in Kreiskys "Austrokeynsianismus" sondern in einer günstigen Ausgangssituation und der Anhäufung von Staatsschulden.
Österreich profitierte überdurchschnittlich von der Ostorientierung der europäischen Wirtschaft und die Privatwirtschaft konnte auf - im europäischen Vergleich billige - Arbeitskräfte zurückgreifen (verstärkt wurde das noch durch den Einsatz noch billigerer migrantischer Arbeitskräfte). Die Tatsache, dass die Verstaatlichte Industrie die österreichische Privatwirtschaft mit Unter-Weltmarktpreisen unterstützte und gleichzeitig durch relativ hohe Löhne die Nachfrage stabilisierte sowie die Arbeitslosigkeit relativ niedrig hielt tat ein Übriges. Hinzu kam eine gezielte Hartwährungspolitik, die der Exportwirtschaft mit staatlicher Hilfe versüßt wurde.
Die staatlichen Maßnahmen zum Gegensteuern der Krise wurden nicht durch Gewinnbesteuerung - und damit Senkung der Profite - finanziert, sondern durch eine längerfristige Erhöhung der Staatsverschuldung, die ihrerseits als Grundlage für Sozialabbau diente. Bereits ab Mitte der 1970er Jahre beschränkten sich Kreiskys Reformen auf solche, die "nichts kosten".
Tatsache ist also, dass Kreisky nicht einmal Keynes’ Wirtschaftskonzept vollständig umsetzte, das vorsah, dass sich der Staat in Aufschwungzeiten die in Krisenzeiten getätigten Ausgaben durch erhöhte Gewinnbesteuerung von der Wirtschaft zurückholt. Was logisch ist, da das Konzept von Keynes einen wesentlichen Haken hat: In Summe klingt es logisch, aber in der Praxis setzt jeder einzelne Unternehmer - und damit die KapitalistInnen in Summe, alles dran, um eben nichts von ihren Gewinnen hergeben zu müssen (und muss das aus seiner Sicht auch, um konkurrenzfähig zu bleiben).
Konjunkturpaket
Abgesehen davon, dass man sich die Frage stellen kann, warum bisher angeblich kein Geld da war und überall gekürzt wurde, ist die Frage in, welche Bereiche investiert wird. Der Grundtenor ist hier das falsche aber immer wieder wiederholte Credo "Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut". So sollen z.B. Investitionen von Unternehmen durch vorzeitige Abschreibungen gefördert werden. Nicht einmal Arbeitsplatzgarantien werden für solche Geschenke gefordert. Allein 240 Millionen fließen in den Straßenausbau - und damit direkt in die Taschen von Großunternehmen. Wir sind für die steuerliche Entlastung von unselbstständig Erwerbstätigen, weisen aber darauf hin, dass jeder Entlastung Steuergeschenke an die Unternehmen und Kürzungen im Sozialstaat gegenüber stehen werden.
Wir sind für ein massives Investitionspaket in Bildung Gesundheit, Pflege, Umweltschutz etc. Aber wir wollen dass nicht der Logik des Kapitalismus und den Interessen von Privatunternehmen überlassen. Gerade wenn der Staat viel Geld in die Wirtschaft steckt wird deutlich, woher die Werte kommen: nicht von den "fleißigen Unternehmern" sondern aus unseren Steuergeldern und der Arbeit der KollegInnen in den Betrieben. Daher sollte die Wirtschaft auch demokratisch kontrolliert werden, und nicht dem kapitalistischen Chaos überlassen werden.

Kapitalismus nicht regulieren, sondern überwinden

Wir sind nicht gegen stärkere Kontrollen im Rahmen des Kapitalismus. Wir denken aber, dass diese die Probleme nicht lösen werden, da die Ursache nicht zuwenig Kontrolle sondern der Kapitalismus an sich ist. Daher treten wir auch für die Überwindung des Kapitalismus und den Ersatz durch eine sozialistische Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ein.

Ihre Lösung: "Steueroase Österreich schließen" (KPÖ-Pressedienst vom 6.11.08)

Unsere Lösung: Widerstand organisieren und sozialistische Gesellschaft aufbauen

Österreich ist ein Steuerparadies für Unternehmen und Wohlhabende. Vermögen werden kaum besteuert, die Hauptlast der Staatseinnahmen tragen ArbeitnehmerInnen und ihre Familien. Unternehmen wurde in den letzten Jahren systematisch steuerlich "entlastet". Darauf hinzuweisen ist gut und richtig. Attac, der ÖGB, die KPÖ und andere haben hier viele nützliche Informationen zusammen getragen. Die Forderungen nach einem Ende dieser Steuerprivilegien und Geschenke für Reiche und Unternehmen sind natürlich keineswegs falsch. Die Frage ist allerdings: An wen richten sich diese Forderungen und wer soll sie umsetzen?
Attac fordert "Die österreichische Bundesregierung muss sich auf europäischer Ebene nachdrücklich für eine wirksame demokratische Kontrolle der Finanzmärkte einsetzen!".
Der KPÖ-Wirtschaftssprecher Graber fordert Österreich auf "seine steuerpolitischen Hausaufgaben zu machen".
Und die Grünen zum Thema: "Die EU muss mit gutem Beispiel vorangehen und auf europäischer Ebene Nägel mit Köpfen machen."

Diener welcher Herren?

Klingt ja alles sehr gut - aber glauben sie wirklich, dass genau jene PolitikerInnen-Kaste, die die Finanzmärkte dereguliert haben, die die Steuerparadiese geschaffen haben nun zum Gegenschlag ausholen werden? Offenbar schon; denn in zahlreichen Staaten streben auch grüne und "linke" Parteispitzen die Regierungsbeteiligung mit Vertretern dieser Kaste an, bzw. sind bereits selbst Teil von Sozialabbauregierungen. Doch warum sollten ausgerechnet jene, die bisher nur der verlängerte Arm der Wirtschaft in der Politik sind, plötzlich Politik im Interesse der Allgemeinheit machen? Weil es vernünftiger ist, die Finanzmärkte zu regulieren? Weil sie gewählt werden wollen? Natürlich kann Druck von unten aufgebaut werden, der PolitikerInnen dazu zwingt, Maßnahmen zu setzen, die Unternehmen nicht begrüßen. Und natürlich gibt es Teile des Kapitals die nun nach Staatsintervention schreien; vor allem freilich wenn sie selbst unmittelbar davon profitieren. Aber es wird weder beantwortet, wie dieser Druck aufgebaut werden soll, noch was zu tun ist, wenn sich die Situation wieder ändert, und eventuell eingeführte Spekulationssteuern und Kontrollen wieder abgeschafft werden.

Der Staat ist nicht neutral

Wir halten den Glauben an einen neutralen Staat für eine Illusion. Der österreichische Staat - wie auch jeder andere - ebenso wie die EU, die UNO und andere internationale Institutionen sind die politischen Werkzeuge, um die Interessen der herrschenden Klasse umzusetzen. Innerhalb gewisser Spielräume kann die ArbeiterInnenschaft durch Druck Verbesserungen für sich erreichen, aber geht das zu weit, dann ist "Schluss mit Lustig". Dann gibt es blutige Unterdrückung, Verfolgung und Diktatur. Als sich britische Bergarbeiter in den 1980er Jahren gegen die Schließung ihrer Zechen wehrten, ging die britische Regierung mit brutaler Gewalt gegen sie vor und beschlagnahmte die Streikkasse der Gewerkschaft. Der italienische - und übrigens auch der österreichische Staat - legten in den 1950er Jahren im Rahmen des NATO-Geheimplans "Gladio" Waffenlager gegen die "kommunistische Gefahr" an. Sollten die KPn bei Wahlen an die Macht kommen, würde die Macht mit Waffengewalt übernommen werden - und zwar nicht durch die KP, sondern durch rechte, teilweise faschistische, Kräfte.

Lösung durch internationale Organisationen?

Den meisten Menschen ist klar, dass es keine nationale Lösung für die Probleme der Weltwirtschaft gibt. Gleichzeitig macht sich nach vor kaum jemand Illusionen über die diesbezüglichen Fähigkeiten der EU. Überdeutlich wurde in den letzten Jahren, worum es bei der EU geht: dem europäischen Kapital in- und außerhalb Europas verbesserte Bedingungen zu schaffen.
Die UNO war in diverse Kriege involviert, häufig als verlängerter Arm von US-Interessen. IWF und Weltbank sind bekannt für den Druck den sie auf sogenannten 3. Welt Länder ausüben, bei Lebensmittelsubventionen und Löhnen zu "sparen". Nirgends Politik für die Bevölkerung, die Armen, die ArbeitnehmerInnen, überall Politik für die Reichen und Mächtigen. Von diesen Institutionen und Staaten können wir uns nicht erwarten, dass sie umfangreiche Maßnahmen setzen, die unser Leben verbessern.

Das beste Rettungspaket: Sozialismus

Die jetzigen "Rettungspakete" sind gute Beispiele dafür. Milliarden für die Banken, nichts für kleine KreditnehmerInnen, die nun von Zwangsverkäufen betroffen sind. Für die Constantia Privatbank gab es ein Rettungspaket über 450 Millionen Euro - die bisherige Besitzerin Christine de Castelbajac soll ihr Vermögen von rund 400 Millionen Euro kurz vorher aus der Bank abgezogen haben. Die Menschen aber, die von den früheren Regierungen in private Pensionsvorsorgen getrieben wurden, und nun zusehen müssen, wie sich ihr mühsam Gespartes in nichts auflöst, kriegen bestenfalls tröstende Worte. In den USA geht man davon aus, dass zumindest 40 der 700 Milliarden Dollar aus dem Rettungspaket für Bonus- und Pensionszahlungen der TopmanagerInnen verwendet werden. Die Erste Bank erhält vom Staat 2,7 Milliarden Euro zu europaweit einzigartig günstigen Bedingungen. 2007 hatte die Erste einen Gewinn von knapp 1,5 Milliarden Euro gemacht, der Erste General Treichl hat rund drei Millionen Euro verdient.
Der ehemalige SPÖ-Finanzminister Lacina (er hat übrigens die Vermögenssteuer abgeschafft und das Stiftungs-Unwesen eingeführt) meint: "Naiv ist jedenfalls die Vorstellung, das der Staat ‚ein Geschäft' machen wird, wenn er als Eigenkapitalersatz eingegangene Beteiligungen wieder verkauft." (aus: Solidarität 912, 11.08)

Wessen Staat?

Wir meinen, es ist gut, dass der Kapitalismus wieder hinterfragt wird. Sogar der ÖGB traut sich nun, diesen zu kritisieren. Wichtig ist es nun, die Kritik in Widerstand zu verwandeln.
Widerstand kann über Bewegungen für mehr Kontrolle und Spekulationssteuern beginnen, muss dann aber weiter gehen. Den Gewerkschaften kommt hier eine ganz zentrale Rolle zu. Eine wichtige Forderung ist z.B. dass Belegschaft und Gewerkschaft die vollständigen Unterlagen der Unternehmen kontrollieren können, wenn Beschäftigte entlassen werden, wenn Betriebe geschlossen werden, wenn staatliche Hilfe kassiert wird. Solche Forderungen werden von diesen Regierungen nicht umgesetzt werden, dazu braucht es eine kämpferische Bewegung von unten. Solange der Staat der verlängerte Arm der Unternehmen ist, können wir uns nichts von ihm erwarten.
Wenn wir von einer anderen Gesellschaft sprechen, dann immer auch von einem anderen Staat. Einem Staat, der die Interessen der ArbeitnehmerInnen und ihrer Familien vertritt, von ihnen gelenkt und kontrolliert wird. Ein solcher Staat wird nicht durch einige kleinere Veränderungen oder "gute Argumente" entstehen, sondern ist das Ergebnis von politischen Kämpfen, von Wut und Widerstand gegen den Kapitalismus, der sich organisiert und dieses ungerechte System ein für alle mal abschafft und durch eine andere, eine sozialistische Gesellschaft ersetzt.
Eine sozialistische Gesellschaft entsteht nicht über Nacht. Der Sturz des Kapitalismus durch eine Revolution, wie es sie z.B. 1917 in Russland gab, wie sie 1918 in Österreich und 1968 in Frankreich begonnen wurde, ist erst der Anfang für den Aufbau einer solchen neuen Gesellschaft, in der nicht die Profite, sondern die Bedürfnisse im Zentrum stehen.

Ihre Lösung: "So notwendig die Verabschiedung des Bankenpaketes gewesen ist, so notwendig ist nun ein Konjunkturpaket" (ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer)

Unsere Lösung: Demokratisch geplante Wirtschaft statt kapitalistischem Chaos

Wir sind nicht gegen die "Rettung" der Banken - nur ist die Frage wer rettet zu welchen Konditionen und mit welchem Ziel. Wenn die Rettung so aussieht, dass unser Geld hineingebuttert wird, um die ManagerInnenprivilegien weiter zahlen zu können und weiter spekulieren zu können, gleichzeitig aber bei den Beschäftigten gekürzt wird, die Bankgebühren steigen und kleine KreditnehmerInnen gepfändet werden, dann sagen wir NEIN. Wir sind dafür, dass der Staat die Banken übernimmt und sie weiterführt - aber zum Wohle der Allgemeinheit. Wir finden nicht, wie ÖGB-VertreterInnen und Grüne, dass dieses Bankenpaket "notwendig" war. Es war ein Kniefall von der Interessen und Privilegien der Reichen und Mächtigen. Und das ganze auf unsere Kosten. Denn das Geld, das den Banken nun gegeben wird, muss ja irgendwoher kommen.

Demokratisch geplante Wirtschaft

Wir meinen, dass der Kapitalismus sehr deutlich gezeigt hat, dass er nicht funktioniert. Aber wie sieht unsere Alternative aus? Wir stellen dem kapitalistischen Chaos das Konzept einer demokratisch geplanten Wirtschaft entgegen. Eine gesamtgesellschaftliche Planung würde mit einer Bestandsaufnahme beginnen: Welche Aufgaben sind am dringendsten? In welchen Bereichen gibt es den meisten Bedarf? Wie viele Menschen mit welchen beruflichen Fähigkeiten haben wir? Welche Fabriken, Maschinen, etc. stehen zur Verfügung? Zentral würde man insbesondere die grundsätzliche Richtung entscheiden. Zum Beispiel würde man es als oberste Prioritäten ansehen, Hunger zu beseitigen, Krankheiten soweit wie möglich einzudämmen und die gesamte Energieversorgung auf erneuerbare Energie umzustellen. Planung findet schon jetzt in jedem Unternehmen statt - nur anstatt gesamtgesellschaftlich an einem Strang zu ziehen, wird gegeneinander gearbeitet. So werden Forschungsergebnisse geheim gehalten, anstatt sie zu vernetzten um so z.B. rascher Impfstoffe entwickeln zu können.

Planung muss - um funktionieren zu können - demokratisch sein. Fehlt die Demokratie, dann ist sie ab einer gewissen Ebene zum Scheitern verurteilt, dass hat sich in den stalinistischen Staaten gezeigt. In einer demokratischen Planwirtschaft würde jede Frage auf der Ebene entschieden, auf der es sinnvoll ist. Eigeninitiative, Engagement, selbständiges Denken würden nicht unterdrückt, sondern gefördert. In den stalinistischen Staaten waren die Personen in Leitungsfunktionen grundsätzlich privilegiert. Schafft man die Privilegien ab, dann schafft man das entscheidende Motiv ab, an einem Posten zu kleben, Kritik niederzubügeln und für Leitungsaufgaben talentiertere Menschen auszubremsen. In einer Atmosphäre freier Kritik können Fehler, die unvermeidlich sind, rasch korrigiert werden, statt sie stur zu wiederholen. Auf solch einer Grundlage kann man eine hochkomplexe Wirtschaft mit Millionen Menschen organisieren und koordinieren. Eine Wirtschaft bei der die Bedürfnisse der Menschen im Vordergrund stehen und private Profit keine Rolle mehr spielen. Dass ist unsere Antwort auf die Finanz- und Wirtschaftskrise. Denn wer geht schon gerne zu einem schlechten Arzt…