Sensation in Seattle

Bei den Wahlen am 6.11.2013 schaffte die Sozialistin Kshama Sawant den Einzug in den Stadtrat von Seattle/USA.

Kshama Sawant, Aktivistin von http://www.socialistalternative.org (Schwesterorganisation der SLP in den USA) wurde in den Stadtrat von Seattle gewählt. „Vorwärts“ interviewte Jess Spear, die mithalf, die Kampagne zu koordinieren.

Euer Wahlerfolg wird in zahlreichen Medien als „Historisch“ bezeichnet – warum?

Wir waren die erste sozialistische Wahlkampagne in Seattle seit 30 Jahren, die es über die Vorausscheidungen für die Stadtratswahlen schaffte, und die erste seit über 100 Jahren, die einen Sitz im Rat erreichte. In diesem Sinne war dies also historisch.
Es gibt einen wachsenden Hunger nach einer politischen und ökonomischen Alternative zum Bestehenden. Wir haben ein Zwei-Parteien-System, das völlig kaputt und unfähig ist, grundlegende Leistungen für die Bevölkerung zu garantieren. In diesem Kontext konnten wir der steigenden Wut Ausdruck geben und Wege aufzeigen, wie wir Dinge radikal ändern können.

Die Kampagne war auch historisch, weil sie zeigte, dass es möglich ist, mit einer Kampagne zu gewinnen, die sich nur auf ArbeiterInneninteressen stützte, keine Unternehmensspenden annahm und die nicht nur unabhängig von den Demokraten antrat, sondern sich als offen sozialistisch präsentierte.

Was waren eure zentralen Forderungen und wie habt ihr sie präsentiert?

Unsere Hauptforderungen konzentrierten sich darauf, die Stadt leistbar für alle zu machen, zum Beispiel: 15 $ Mindestlohn, leistbares Wohnen und Mietdeckelungen sowie eine Millionärssteuer, um Bildung und öffentlichen Verkehr zu finanzieren. Wir verbündeten uns mit streikenden Fast Food- ArbeiterInnen. Unsere Kampagne wurde die 15 $-Kampagne.

Kshama wiederholte immer wieder, wie wichtig es ist, dass normale Menschen sich einbringen. Es gibt die Illusion in den USA, dass Wahlen Wandel bedeuten. Wenn du 15 $ Mindestlohn haben willst, wähl Kshama Sawant. Die macht das für dich. Wir waren uns dessen bewusst und haben hart daran gearbeitet, den ArbeiterInnen und UnterstützerInnen der Kampagne klarzumachen, dass dies ein langer Kampf wird, dass sie weiter aktiv bleiben müssen. Egal wo wir hinkamen, unsere Kampagne wurde positiv aufgenommen. Egal ob wir auf der Seattle Pride marschierten, vor einer Moschee Flyer verteilten oder auf all den KandidatInnen-Hearings: Überall waren die Menschen fasziniert von der Kampagne.

Wie baute sich die Kampagne auf?

Unsere Kampagne inspirierte. Das war die häufigste Antwort, die ich bekam, wenn ich Freiwillige fragte, warum sie dabei sind. Für sie war es völlig klar. Du willst, dass diese Art Politik sich gegen die Politik der Banken und Konzerne durchsetzt? Dann tu was dafür. Nach den Vorausscheidungen kontaktierten uns rund um die Uhr Menschen und fragten, wie sie helfen könnten. Wir organisierten Freiwilligen-Trainings. High School-SchülerInnen müssen von der Schule aus in ihrem letzten Jahr bei einer Kampagne mitarbeiten – also hatten wir plötzlich zwei Dutzend High School- SchülerInnen, die sich freiwillig meldeten. Viele von ihnen sahen ihre Beteiligung an der Kampagne als Beitrag, Geschichte zu schreiben. Zurecht.

Was werden eure nächsten Schritte sein?

Gerade konzentrieren wir uns auf die 15 $-Mindestlohnkampagne. In einer Nachbarstadt, Seatac, erreichte eine Initiative eine Volksbefragung über einen 15 $-Mindestlohn für Flughafen- und HotelarbeiterInnen und gewann. Gemeinsam mit unserer Kampagne hat das das Thema enorm populär gemacht. Wir arbeiten mit Gewerkschaften zusammen, um Anfang nächsten Jahres eine Kundgebung mit 10.000 Menschen zu organisieren. An ihrem ersten Tag im Amt wird Kshama einen Antrag auf 15 $ Mindestlohn einbringen. Allerdings glauben wir nicht, dass die anderen Mitglieder des Stadtrats dem Antrag zustimmen werden. Deswegen wollen wir Unterschriften für eine Volksbefragung 2014 sammeln.

Was bedeutet der Sieg im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, eine Alternative zu den zwei Parteien des Big Business im ganzen Land aufzubauen?

Eine neue Umfrage zeigt, dass 60 % der US-AmerikanerInnen denken, dass das Zwei-Parteien-System nicht funktioniert und wir eine dritte Partei brauchen. Socialist Alternative ruft andere sozialistische Organisationen, die Green Party und unabhängige Linke dazu auf, 2014 Kampagnen wie unsere zu starten. 100 unabhängige, linke Kampagnen 2014 wären ein Riesenschritt nach vorne und könnten Millionen inspirieren. Nur durch die Stärke vereinter Bewegungen können wir beginnen, die Kürzungen zurückzuschlagen, eine unabhängige ArbeiterInnenpartei schaffen und den Kampf für eine gerechtere und nachhaltigere, für eine sozialistische Welt ausweiten.

Das Interview führte Sebastian Kugler

 

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