Seelenlose Geisterspiele

Die Corona-Krise zwang Christian Seifert, Chef der „Deutschen Fußball Liga“ (der Zusammenschlusses der deutschen Profivereine) zur Selbsterkenntnis. In einer Pressekonferenz meinte er: „Vielleicht kommen wir nun an einen Punkt, an dem wir uns eingestehen müssen, dass wir ein Produkt herstellen. Wenn es dieses Produkt nicht mehr gibt, gibt es uns nicht mehr.“ Konsequenterweise versuchte die Fußballindustrie im Frühling alles, um ihr Produkt wieder auf den Markt zu bekommen. Einnahmen aus Fernsehverträgen sind die Haupteinnahmequelle der meisten großen Clubs. So verdienen sich die Chefetagen der Clubs und privater Pay-TV-Sender wie Sky dumm und dämlich. Daher kam der Druck, die Ligen mit Geisterspielen fortzuführen. Um Sorge um die Begeisterung für das Spiel kann es sich nicht gehandelt haben: International stellten sich zahlreiche organisierte Fanszenen gegen eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs. In einem gemeinsamen Statement zeigen die österreichischen Fanclubs, dass sie verstanden haben, worum es geht: „Fußball findet nicht mehr für die Fans im Stadion statt, sondern für das Fernsehen. Als Milliarden-Geldmaschinerie und Spielwiese für einige Reiche, die nur fortbestehen kann, wenn sie am Laufen gehalten wird.“ Mit kaum noch zu toppendem Zynismus bestätigte Sky diese Kritik der Fans, indem es bei den Geisterspielen eine Tonoption mit eingespielter „Stadionatmosphäre“ anbietet – aber nur für Kund*innen, die das ganze HD-Paket kaufen. Die Fans sind damit endgültig zum optionalen Feature der Ware Fußball geworden.

Es kam, wie es kommen  musste: In Deutschland gab es schon nach den ersten Spielen bestätigte Corona-Infektionen. Doch das hält die Fußballindustrie nicht auf: Massen an Tests, die in anderen Bereichen bitter fehlen, werden verschwendet, um die Profitmaschine am Laufen zu halten. Es ist richtig, wenn sich die Fanszenen dagegen wehren. Die bisherigen Profiteur*innen der Industrie sollen dafür zahlen, dass die Vereine, die tatsächlich ums Überleben kämpfen, erhalten werden – und dass der Fußball, sobald es wieder sicher ist, für alle zugänglich ist.

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