Rote Seitenblicke - Ballsaison

Helga Schröder

Der „Kaffeesiederball“ hat seinen „Traditionstermin“ zugunsten des „Akademiker“/FPÖ/WKR-Balls verloren – da half nicht einmal sein heuriges Motto „Wiener Blut“. Die meisten großen Bälle bezeichnen sich als „gehoben“, „traditionsreich“ und „bürgerlich“. Das heißt: nicht für Menschen ohne Geld. Hier wird auch das traditionelle Frauenbild hochgehalten. „Er“ führt (und verführt), „sie“ wartet artig darauf, aufgefordert zu werden. Hübsch verpackt, um für alle attraktiv zu scheinen, und damit Mädchen diese „Werte“ verfolgen, von „Prinzessinnen“-Dasein, großer Robe, rauschender Ballnacht träumen. Gegen das Verkleiden ist nichts zu sagen, nichts spricht gegen Tanz, schöne Kleider und – wem's gefällt – auch Kitsch. Das Perfide ist der Inhalt. „Sie“ ist nichts ohne ihn (ohne Begleitung zu erscheinen ist eine Katastrophe!). Was „gutes Benehmen“ betrifft, so wäre es wünschenswert, dass alle begeisterten Handküsser Frauenarbeit ordentlich bezahlen und ihre 50% bei Hausarbeit und Kindererziehung leisten. Apropos Handkuss: Fast alle Bälle sprechen in ihrem Namen nur Männer an, die traditionelle bürgerliche Frauenrolle am Ball ist die des dekorativen Aufputzes. Das (bis zu einem gewissen Alkoholspiegel) galante Zeremoniell macht Frauen am Ball zum Objekt der Brautschau. Der Cinderella-Traum dient der Herrschaftslegitimation des Prinzen, auch wenn dieser „nur“ von Geldadel ist. Cinderella könnte sonst dahinterkommen, dass sie kein Kleid hat, weil der Prinz das ganze Geld hat.

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