Qual der Wahl: Was tun bei der Bundesheer-Volksbefragung?

Tilman M. Ruster und Jan MillonigDie SLP lehnt eine Berufsarmee grundsätzlich ab.

„Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres oder die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?“ Die Fragestellung ist eine Herausforderung. Der Vorstoß der SPÖ zur Abschaffung der Wehrpflicht spricht besonders junge Wähler an. Der Gedanke an sechs Monate Drill und Langeweile in der Kaserne oder neun Monate unterbezahlte Arbeit im Sozialbereich ist wenig verlockend.

Die Stimmenverluste der SPÖ an die FPÖ bei jungen Männern ist nur eine Ursache der Debatte. Doch die Hintergründe sind andere.

In ganz Europa geht der Trend Richtung Berufsarmee und Aufrüstung. Hintergrund ist die Wirtschaftskrise. Die herrschende Klasse und ihre Staaten brauchen verlässliche und gut ausgerüstete Armeen. Die Konflikte zwischen den imperialistischen Staaten nehmen zu. So ging es beim Auslandseinsatz des Bundesheeres im Tschad um die Sicherung der dortigen Erdölvorkommen für die OMV. Die Grünen treten für ein Berufsheer ein, argumentieren mit „Auslands-Friedenseinsätzen“ (!). So könnten SoldatInnen bei Auslandseinsätzen neue Sprachen und Kulturen kennenlernen. Afghanistan, Tschad, Kosovo und Golanhöhen als Kulturaustauschprogramm? Sightseeing im Panzer? Dieser wirre Gedankenerguss entspringt wohl dem schwierigen Spagat zwischen Koalitionsfähigkeit mit der SPÖ und der grünen Basis.

Ein weiterer Grund für eine „Professionalisierung“ liegt im Schutz der herrschenden Klasse nach innen. Engels bezeichnete den Staat als „Formation bewaffneter Menschen“. Der Unmut nimmt zu, Proteste, Aufstände und sogar Revolutionen sind die Folge. In der Krise wird das auch in Europa (Spanien, Griechenland) sehr konkret. Sogar die Option Militärdiktatur ist für Griechenland denkbar. Die Herrschenden brauchen also ein verlässliches Heer, um gegen die eigene Bevölkerung vorgehen zu können. Dort, wo es nur kleines oder gar kein Militär gibt, finden sich Alternativen.

Sozialistische Jugend (SJ) und KPÖ treten für eine komplette Abschaffung des Heeres ein. Grundsätzlich ein verlockender Gedanke. Doch das würde zu einer Aufrüstung der Polizei oder der Bildung anderer bewaffneter Formationen führen (Bsp. Riot-Police in Frankreich oder Gardà in Ungarn).

Auf jeden Fall geplant ist letztlich eine Militarisierung (Stichwort „effektiver“). Die SPÖ ist die konsequente Vertreterin der Interessen der herrschenden Klasse. FPÖ und ÖVP wollen auf dieses Instrument zur Disziplinierung junger Männer nicht verzichten. Und die ÖVP hat großen Druck aus „Blaulichtvereinen“, die Angst vor dem Verlust der ca. 13.000 extrem billigen Zivildiener haben.

Diese Angst versucht die SPÖ mit dem neuen „freiwilligen sozialen Jahr“ (FSJ) aufzufangen. Dadurch, dass anders als beim Zivildienst auch Frauen ein FSJ machen können und die Dienstzeit länger ist, hofft SPÖ-Minister Hundsdorfer die Lücke füllen zu können. Möglich, dass besonders junge Menschen das FSJ als Alternative zu Arbeitslosigkeit aufgreifen. Manche werden das freiwillig tun – aber viele unter Zwang. Dazu passen die Vorschläge, das AMS mit dem FSJ zu betrauen. In Deutschland ist es längst üblich, Arbeitslose praktisch ohne Lohn zur Arbeit im Sozialbereich zu zwingen. Das neue FSJ wäre ein Schritt in diese Richtung.

Entlarvend ist, dass die SPÖ noch nicht einmal in Erwägung zieht, die Zivis durch normale Dienstverhältnisse zu ersetzen. Das FSJ soll benützt werden, um die Löhne im Pflege- und Sozialbereich weiter zu drücken – und bei zunehmender Arbeitslosigkeit kann die FSJ-Bezahlung weiter sinken. Der ÖVP ist aber sogar der – zu niedrige – vorgeschlagene Lohn von 1.300.-/Monat für das FSJ zu viel. Es sei zu teuer und führe zu einer „Entwertung des Ehrenamtes“.

Ein Knackpunkt bei der nicht verbindlichen Volksbefragung liegt darin, dass die Umsetzung der sehr vagen Fragestellung wohl erst nach der Wahl kommt. Die „Volksbefragung“ ist eine populistische Reaktion der Regierung auf den Wunsch nach mehr Demokratie. Doch statt über die Zukunft des Heeres offen zu debattieren, stehen nur die Wahlmöglichkeiten der Regierungskoalition zur Verfügung. Forderungen, die von Soldaten und v.a. aus dem Sozialbereich seit langem kommen, wurden ignoriert. Die Umsetzung des Befragungsergebnisses ist offen. Alles was vorliegt, sind Vorschläge; Beschlüsse sind erst nach der Nationalratswahl zu erwarten. Wie wenig von SP-Wahlversprechen zu halten ist, besonders wenn sie sich auf einen Koalitionspartner ausreden kann, ist bekannt. Demokratie sieht anders aus!

Das jetzige Bundesheer ist ein Mischsystem aus Wehrpflichtigen-, Miliz- und Berufsheer. Ein Milizheer ist aus Sicht von ArbeiterInnen und Jugendlichen die sicherste Variante einer Armee im bürgerlichen Staat. Die Verankerung der Miliz in der ArbeiterInnenklasse, aus der sie zum Großteil ja kommt, macht es im Ernstfall für die Herrschenden schwierig, die Armee gegen die Bevölkerung einzusetzen. So kann sich die syrische Diktatur derzeit nur auf ihre Berufssoldaten verlassen, die Wehrpflichtigen desertieren in Massen.

Der Februar 1934, als ein Berufsheer auf die Wohnhäuser von ArbeiterInnen schoss, ist das Gegenbeispiel. Mit dem (Minderheits-) Milizanteil will Darabos ein '34er Szenario verhindern – das ist Augenauswischerei! Ein Berufsheer birgt nicht zu unterschätzende Gefahren. In Deutschland wurden im Rahmen der Umstrukturierung „zivil-militärische Strukturen“ aufgebaut, die auch für die Niederschlagung von Streiks im Transport-, Versorgungs- und Energiesektor und bei „Großereignissen“ (G8-Gipfel, Castor-Transporte, ...) eingesetzt werden können. Als Folge der Isolierung von der Bevölkerung, durch Kasernierung und die Tatsache, dass Befehlsverweigerung für BerufssoldatInnen existenzbedrohend sein kann, fällt es diesen leichter, auf streikende ArbeiterInnen oder demonstrierende Jugendliche einzuprügeln bzw. zu schießen.

Mit einem Berufsheer wird SoldatIn-sein verstärkt eine soziale Frage. Das Heer bietet sichere, relativ gut bezahlte Arbeitsplätze. Verständlich, wenn Jugendliche, die sonst keine Perspektive haben, dann zum Heer gehen. Doch SP-Androsch hat ausdrücklich auch die Sicherung des Nachschubs an Ressourcen zu den Aufgaben des Heeres gezählt: Die Armen sollen die Kriege für die Reichen kämpfen. Denn an der Front stehen die SoldatInnen aus der ArbeiterInnenklasse, in den Befehlsrängen die aus der herrschenden Klasse.

Doch auch wenn ein Berufsheer absolut abzulehnen ist, ist der Status Quo keine Lösung: dieser ist eine Zumutung für junge Männer. Das blinde Befolgen der Befehle oft unfähiger Offiziere bei schlechter Bezahlung und miesen Bedingungen können wir nicht unterstützen. Auch die Ausbeutung von Zivildienern als Lohndrücker und unqualifizierte Lückenbüßer lehnen wir ab.

Die Volksbefragung ist eine Farce, eine Aufrüstung ist unabhängig vom Ergebnis geplant. Die SLP lehnt beide Antwortmöglichkeiten ab. Unser Beitrag zur Debatte ist es deshalb, uns für die Rechte von Zivis und Präsenzdienern einzusetzen und für die Ausfinanzierung des Sozial- und Gesundheitsbereichs zu kämpfen. Mit der Kampagne gegen die Nulllohnrunden in verschiedenen Bundesländern und den Protesten in der Steiermark gegen die wiederholten Kürzungen im Sozialbereich gibt es sinnvolle Ansätze, in die wir uns weiter einbringen werden.

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