Polen: Frauenprotest schlägt Regierung

Pawel Nowak, Alternatywa Socjalistyczna (CWI Polen)

Polnische Regierung von Massenbewegung zu erniedrigendem Rückzug beim Abtreibungsrecht gezwungen – vorläufig.

Vor nur einem Jahr kam die rechtspopulistische Law& Justice Partei (PiS) an die Macht. Es war die erste Mehrheitsregierung seit 1989. Allerdings lag der Sieg von Law & Justice nicht an einem Rechtsruck in der Gesellschaft. Der Grund war ihr Versprechen, mit dem Neoliberalismus der Vorgängerregierungen zu brechen. PiS versprach, das Pensionsantrittsalter zu senken und eine neue Kinderbeihilfe für Familien mit mehreren Kindern. An der Macht zeigte sie rasch ihr wahres Gesicht. Die PiS Regierung plante, Abtreibungen komplett zu verbieten – die Antwort war eine Explosion der Wut. Am 3. Oktober wurde ein bundesweiter Frauenstreik ausgerufen, inspiriert vom Beispiel der isländischen Frauen, die 1975 einen bundesweiten Streik abhielten. Schätzungen zufolge protestierten 140.000 Menschen in 143 Demonstrationen im ganzen Land.

Im Frühling wurde bekannt, dass eine „Bürger”initiative genug Unterschriften für ein komplettes Abtreibungsverbot gesammelt hatte, um sie dem Parlament vorzulegen. Der Premierminister und führende Mitglieder der PiS sprachen sich dafür aus. Das löste spontante Proteste aus. Aber diesmal waren es keine Proteste von Hunderten, wie in den zehn Jahren zuvor, sondern von Tausenden. Weil das Parlament aktuell zum großen Teil aus rechtsgerichteten Parteien besteht, ist die Gefahr groß, dass das komplette Abtreibungsverbot durchgeht. Es gibt keine Parlamentspartei, die zumindest vage als links gesehen werden könnte. Allerdings spiegelt das Parlament nicht die Stimmung auf der Straße wider. Eine neue linke Partei, Razem, die von Podemos in Spanien inspiriert ist, schaffte 3,6% bei den Wahlen, obwohl sie sich nur Monate vor der Wahl formiert hatte.

Nach einer kurzen Pause der Bewegung im Sommer brach eine neue Protestwelle im September aus, als der Gesetzesvorschlag im Parlament präsentiert wurde. Ein Entwurf zur Liberalisierung des Abtreibungsrechts wurde am selben Tag abgelehnt, als der Entwurf für das Totalverbot für die Arbeitsgruppen zugelassen wurde. Das reaktivierte breite Schichten, die im selben Jahr schon an Protesten teilgenommen hatten. Innerhalb einer Woche nach der Ankündigung konnte eine Facebook Gruppe gegen das Abtreibungsverbot über 100.000 Mitglieder gewinnen. Als Antwort auf das Parlamentsvotum wurde ein Frauenstreik für den 3. Oktober ausgerufen – der „Schwarze Montag”. Die Größe des Streiks und der Proteste überstiegen alle Erwartungen. Besonders junge Frauen beteiligten sich in großer Zahl an den Protesten. SchülerInnen organisierten Schulstreiks und beteiligten sich zum ersten Mal an einem politischen Kampf, oft trotz physischer Bedrohung und Einschüchterung. Es war kein offizieller Streik und viele Frauen nahmen extra Urlaub. Manche Gemeinden verhängten aber extra einen speziellen „Gemeindeurlaub“, um die Teilnahme zu ermöglichen. Auch der sozialdemokratische Gewerkschaftsverband OPZZ unterstützte letztlich die Proteste. Er machte klar, dass er seine Mitglieder unterstützen wird, wenn sie wegen des „Streiks“ Probleme bekommen. Zum Teil gab es bis zu 60% Beteiligung am Streik. Das löste Panik in der Regierungspartei aus und innerhalb von zwei Tagen wurde der Entwurf eilig verworfen.

Der Kampf ist nicht vorbei. PiS steht unter Druck seiner rechten UnterstützerInnen und bereitet einen “Kompromissvorschlag” vor. Dieser Entwurf sieht vor, dass Abtreibung in Fällen von Vergewaltigung und wenn das Leben der Frau in Gefahr ist, legal ist. Wenn der Fötus missgebildet ist, soll sie verboten werden. Andere Vorschläge inkludieren ein Verbot von Formen hormoneller Verhütung. Daher kam es auch um den 24. Oktober wieder zu Protesten.

Bis jetzt wurden die Proteste über Facebook organisiert und koordiniert. Alternatywa Socjalistyczna (CWI in Polen) fordert demokratische Strukturen für die Bewegung. Es braucht Komitees auf lokaler Basis in Schulen, Universitäten, Betrieben und Nachbarschaften, um eine breite Schicht von Frauen (und Männern) einzubeziehen. Diese sollten sich auf stadtweiter Ebene vernetzen und demokratisch gewählte VertreterInnen an ein bundesweites Komitee schicken, um Aktionen zu koordinieren. Sie müssen voll rechenschaftspflichtig sein, und zwar auf allen Ebenen. Alternatywa Socjalistyczna fordert sichere und kostenlose Abtreibungen ohne Einschränkungen, kostenlose qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung, vollen Zugang zu kostenloser Verhütung, Ersatz von Religionsunterricht an Schulen durch Aufklärungsunterricht sowie einen garantierten Betreuungsplatz für jedes Kind in öffentlichen Kinderkrippen und Kindergärten.

Die Bewegung darf nicht stehen bleiben, sondern muss eine Liberalisierung des Gesetzes fordern. Die öffentliche Meinung verschiebt sich – die Unterstützung für ein Ende der restriktiven Abtreibungsgesetze wächst. Besonders jetzt, da eine neue Welle von Attacken auf das Abtreibungsrecht auf dem Tisch ist, müssen wir in die Offensive gehen und die Kampagne weiterentwickeln hin zur Umsetzung voller Frauenrechte. 

 

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