Pflegestreik in Britannien

Peter Hauer

INFO:

Gegründet wurde die RCN, allerdings noch nicht als Gewerkschaft, Anfang 1916 mit 34 Mitgliedern, Ende 1916 waren es über 2.000. Aktiver wurde sie 1961 angesichts einer Wirtschaftskrise für Lohnerhöhungen. Erst seit 1995 kann sie auch formal Streiks ausrufen, begann sich weiter aufzubauen und breitere Schichten an Beschäftigten zu organisieren. Inzwischen verfügt sie über fast 500.000 Mitglieder.

 

“Die Patient*innen sterben nicht, weil wir streiken. Wir streiken, weil die Patient*innen sterben.” Das sind die Worte einer streikenden Person. Das Vereinigte Königreich (UK) erfährt aktuell eine historische Streikwelle wie schon seit knapp 40 Jahren nicht mehr. An der Spitze dabei der Gesundheits- und Pflegebereich. Das öffentliche National Health System (NHS) wurde über Jahrzehnte hinweg kaputtgespart, die Reallöhne sind in 13 Jahren um ca. 17% gesunken - und das obwohl die Löhne historisch schon immer niedrig waren, auch weil Gesundheitsberufe “Frauensache” sind. Die neoliberalen Angriffe der letzten Jahrzehnte haben dazu geführt, dass das Gesundheitssystem nur mehr ein Notfallsystem ist. Die Beschäftigten sind überlastet, überarbeitet, kündigen, und für die Verbleibenden sieht es nicht nach Besserung aus, weil es auch an Nachschub an Auszubildenden mangelt. Zu allem Überdruss werden auch kleinere Arbeitsstellen geschlossen, weil es an Geld fehlt.

Zehntausende streiken im ganze Land

Die Gewerkschaft “Royal College of Nursing” (RCN) hat ihre 465.000 Mitglieder befragt, ob sie für höhere Löhne und Anerkennung streiken wollen und in der Urabstimmung stimmten 92.5% dafür. Trotz der enormen Stärke des Ergebnisses wird es durch die Anti-Streik-Gesetze der Regierung geschwächt. Denn die RCN hält sich an diese Regelungen und warnt Mitglieder auch davor, sich über die Gesetze hinwegzusetzen - anstatt den Streik für bessere Arbeitsbedingungen mit jenem gegen die Angriffe der Regierung zu verbinden!

Trotzdem streikten am 6. und 7.2. an unglaublichen 73 Krankenhäusern, Ambulanzen, Blutspendezentralen… mehrere zehntausend Beschäftigte. An weiteren 176 Institutionen haben sich Arbeiter*innen über die Anti-Streik-Gesetze hinweggesetzt. Es war der größte Streik in der Geschichte des NHS. Auch die Gewerkschaften UNITE und GMB haben mit einem Teil der Mitgliedschaft zum Streik aufgerufen. Es zeigt sich, dass das Potential für eine Organisation vorhanden ist, die die Beschäftigten vor Ort einbezieht. Die RCN diente ursprünglich lediglich als Register für Leute, die im Gesundheitsbereich arbeiten und gerade deswegen hat das RCN eine große Reichweite. Sie ist eigentlich keine kämpferische Gewerkschaft, der erste Streik des RCN wurde erst 2019 abgehalten. Das bedeutet auch, dass die Erfahrungen mit Streiks noch sehr gering sind und die Beteiligung der Mitgliedschaft an der Gewerkschaft ebenso - es zeigt aber auch, wie sich Strukturen in Kämpfen entwickeln und verändern und von den Mitgliedern mit Leben gefüllt werden können.

Breite Unterstützung - Generalstreik nötig!

Hoch ist mit 70% die Unterstützung der Bevölkerung für die Streiks des NHS. Angesichts der historischen Streikwelle, welche sich noch ausbreitet, ist die einzige richtige Antwort, die Streiks auszuweiten. Bis in den März hinein gibt es Streiks verschiedenster Teile im Sozialsystem. Socialist Alternative (ISA in England-Wales-Schottland) erklärt die Notwendigkeit eines Generalstreiks. Alle Gewerkschaften sollen dazu aufrufen und die vielen Aktionen und Streiks müssen auch an der Basis von den Beschäftigten selbst organisiert und koordiniert werden. Eine Ausweitung des Kampfs ist notwendig, um ein ausfinanziertes Gesundheitssystem zu erkämpfen, aber auch, um die vorhandene Unterstützung in maximale Schlagkraft zu verwandeln.

socialistalternative.info

 

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