Nordirland: Frieden auf tönernen Füßen

Seit dem 8. Mai 2007 ist eine nordirische "Einheitsregierung" im Amt. Ist der Konflikt damit tatsächlich gelöst?
Laura Rafetseder

Die neue Regionalregierung wird von den Regierungen in Britannien und Irland sowie von der Weltpresse als "Wendepunkt" gefeiert: mit dem Argument, dass mit der unionistischen ("protestantischen") DUP und der nationalistischen ("katholischen") Sinn Fein die Extreme beider Seiten in einer Regierung sitzen und somit keinen Ärger machen können. Damit stünde angeblich eine Ära von Stabilität und Wohlstand bevor. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus: Der einzige Kitt zwischen den beiden Regierungsparteien ist ihr neoliberales Programm. Beide müssen die sektiererische Spaltung aufrechterhalten, um nicht an Unterstützung zu verlieren, wenn sie dieses Programm umsetzen. Die sozialen und wirtschaftlichen Probleme werden weiterhin bestehen. Als Belfast am 12. Juni von Regenmassen überflutet wurde, beschloss die Regionalregierung Hochwasserhilfe in der Höhe von fünf Millionen Pfund. Dem folgten Unstimmigkeiten darüber, wie viel davon an protestantische und katholische Gegenden gehen solle. Jede staatliche Ausgabe, bzw. vor allem jede Kürzungsmaßnahme wird von neuen Konflikten begleitet werden. Auch die jährlich im Juli stattfindenden Oraniermärsche "protestantischer Hardliner" können die scheinbare Stabilität schnell zusammenbrechen lassen.

Konflikte um die Oraniermärsche

Die Einsetzung von nordirischem Parlament und einer Regionalregierung geht auf das “Karfreitagsabkommen” 1998 zurück. Schon damals war klar, dass diese neue Form der ("Selbst"-)Verwaltung nichts an den grundlegenden Problemen ändern und der Konflikt unter der Oberfläche weiter schwelen würde. Die nordirischen Regierungen seitdem waren stets instabil, die sektiererische Spaltung an der Basis vertiefte sich sogar. Die Oraniermärsche in den letzen Jahren waren zumeist von Unruhen und gewalttätigen Ausschreitungen begleitet. Sie sind Ausdruck des Konflikts um Territorium zwischen den einzelnen Lagern. Gerade die ArbeiterInnenviertel sind zutiefst gespalten, in katholische und protestantische Wohnbezirke. Die Konflikte um die Märsche flammen besonders dann auf, wenn sie durch katholische Gebiete verlaufen. Die Position der Socialist Party  (SP, CWI in Nordirland) zu den Märschen: Der Oranierorden ist zweifelsohne eine reaktionäre Organisation. Dieser Organisation das Demonstrationsrecht prinzipiell nicht zu gewähren, würde jedoch die protestantische Bevölkerung lediglich den protestantischen Hardlinern in die Arme treiben und den Konflikt verschärfen. Allerdings hat ebenso die (katholische) Bevölkerung das Recht, darüber zu entscheiden, ob die Demonstration in ihren Bezirken stattfinden darf. Die Rechte beider Gruppen müssen gewahrt bleiben und durch Diskussion und Kompromiss face-to-face ausverhandelt werden. Das Verhandlungsergebnis müsste dann von den Organisatoren der Paraden und den AnrainerInnen gemeinsam umgesetzt werden - und nicht von der Polizei, die durch ihr Vorgehen meist Feuer ins Öl gießt.

Wie die Spaltung überwinden?

Zu den Plänen der nunmehrigen Regierungsparteien zählen eine Reihe von Privatisierungen, Personalabbau und Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst, sowie Schul-Schließungen. Das neoliberale Gesicht von DUP und Sinn Fein zeigt sich besonders bei den Wassergebühren. Gemeinsam mit einem Bündnis gegen diese Gebühren hat die SP eine Nichtbezahlungskampagne initiiert. Während der Wahlen für die Regionalversammlung haben alle Parteien, auch auf den Druck von Seiten der Bewegung, sich gegen Wassergebühren ausgesprochen. Deren Einführung wurde daraufhin von der britischen Regierung um zwölf Monate verschoben und damit in den Verantwortungsbereich der neuen Regionalregierung gelegt. Diese zeigt sich nach den Wahlen auch willig, die Gebühren einzuführen. Es ist der gemeinsame Kampf gegen die neoliberalen Pläne von DUP und Sinn Fein, und damit auch die Einführung der Wassergebühren, die tatsächlich die sektiererische Spaltung überwinden kann. Die Tatsache, dass regionale Parteien nicht mehr den Luxus von permanenter Opposition haben, kann die Möglichkeiten für den Aufbau einer vereinigten ArbeiterInnenbewegung schaffen, welche die Basis für einen wirklichen Ausweg legen kann.

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