Neue Zeiten - Große Aufgaben!

Perspektiven als Grundlage unserer Arbeit für die kommende Periode
Dokument diskutiert, ergänzt und beschlossen auf der Konferenz der SLP im Dezember 2020

Die Konferenz der SLP im Dezember 2020 findet ein Jahr nach der letzten statt. Seither hat sich viel getan. Haben wir damals noch vom “Vorabend der Krise” gesprochen, so stecken wir nun auch in Österreich mitten drin. Härte und insbesondere Tempo des Krisenverlaufes waren in dieser Form nicht absehbar, weil Corona ein zur Konferenz noch fehlender/unbekannter Faktor war, der in dieser Form auch noch nie dagewesen ist. Wir haben seit Frühjahr 2020 immer wieder darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftskrise durch Corona ausgelöst und beeinflusst, aber nicht verursacht worden ist. Das wird beim Lesen der Perspektiven von 2019 deutlich, wo wir bereits auf jene Schwachstellen hingewiesen haben, die dann zum Tragen gekommen sind: Die hohe Exportquote, zu wenig Investitionen, Nachhinken bei Technologie etc.

 

Damals haben wir geschrieben “Die österreichische Wirtschaft ist in extremen Ausmaß von internationalen Entwicklungen...abhängig” - genau das ist aktuell schlagend, auch wenn die Kurz-Regierung als Vertreterin des heimischen Kapitals versucht, hier Nischen zu finden bzw. im Öffnungs- bzw. Offenhalt-Wettbewerb versucht, vorne dabei zu sein. 

Wir haben in unserem Perspektivendokument von 2019 auch darauf hingewiesen, dass die Handlungsspielräume zum Gegensteuern geringer sind als 2007/8 - wir müssen hier aber auch sehen, dass das Kapital international seine Wirtschaftspolitik angepasst hat und neoliberale Kürzungspolitik aktuell mit großen staatlichen Finanzspritzen zur Wirtschaftsbelebung (und zwar in unterschiedlichster Form) kombiniert. Ein sich fortsetzendes Element ist der (scheinbare) Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Stabilität (der regierenden Parteien nutzt) und der generelle Unmut über “das System”. 

Das letzte Dokument betont, dass 2019 mit einer Welle von internationalen Kämpfen und Bewegungen endet. Diese Welle wurde durch Corona unterbrochen - und ist spätestens seit Frühsommer 2020 mit Black Lives Matter (BLM), dann den Protesten im Libanon, in Belarus und vielen anderen Teilen der Welt wieder voll ausgebrochen. Wenn auch nicht überall gleich, so sind die generellen Trends auch in Österreich zu sehen.

Wir stehen an einem Wendepunkt

Der Hintergrund zur Konferenz im Dezember 2020 ist 1) die tiefste Wirtschaftskrise seit mindestens 100 Jahren, deren Konsequenzen für die Arbeitswelt, die soziale Lage der Arbeiter*innenklasse aber auch die Entwicklung von Klassenkämpfen und Bewusstsein dramatisch sein werden und 2) eine internationale Welle von Protesten und Widerstand, die einhergeht mit Wut und Unzufriedenheit mit - oft sehr diffus - “dem System”. 

Wir stehen international und in Österreich an einem Wendepunkt insofern, dass ein “Zurück” zu einem “funktionierenden Kapitalismus mit funktionierendem Sozialstaat” keine Option darstellt. Wir haben u.a. in unserem letzten Konferenzdokument auf die Schwächen und Problemfelder der österreichischen Wirtschaft hingewiesen, die wir hier nicht wiederholen: https://www.slp.at/artikel/vor-bewegten-zeiten-9825

Die kommende Periode wird von widersprüchlicher Wirtschafts- und Sozialpolitik geprägt sein und von an verschiedenen Fragen aufbrechendem Unmut - wo ist schwer voraussagbar, aber dass das geschehen wird haben z.B. die Black Lives Matter-Proteste, aber auch die Streiks im Sozial- und Gesundheitsbereich gezeigt. Die Schwäche der organisierten Arbeiter*innenbewegung, die maßgeblich verantwortlich ist für das oft verwirrte Bewusstsein innerhalb der Arbeiter*innenklasse ist ein verkomplizierender Faktor.

Auf der anderen Seite sehen wir ein wachsendes Gefühl gegen “das System”, das sich 2019 stark in den Klimabewegungen, aktuell in reaktionärer Form auch in den Anti-Corona-Protesten ausdrückt. 

Insbesondere unter Jugendlichen gibt es inzwischen eine ganze Generation, die nie in einem “funktionierenden” Kapitalismus gelebt haben, da seit der Krise 2007/8 nie wirklich starkes Wachstum und insbesondere kein steigender Lebensstandard erfahren wurde. Während Ältere sich noch an eine tatsächlich bessere, “gute alte Zeit” (gemeint sind hier v.a. die 60er-80er Jahre) erinnern können, ist das für Jüngere nur mehr eine Erzählung, keine Erfahrung.

Die Corona-Krise markiert einen Wendepunkt, der weltweit Entwicklungen beschleunigen wird. Wir können uns auf widersprüchliche Entwicklungen einstellen: Die Instabilität der Herrschenden wird wachsen, genauso wie Widerstand von unten, aber diese Entwicklung wird sich nicht geradlinig abspielen. Aus dieser Kombination von Chancen und Notwendigkeiten auf der einen Seite und Schwächen auf der anderen ergibt sich eine hohe Verantwortung für die SLP sowie für jedes einzelne Mitglied. In der kommenden Periode wird es darum gehen, die Partei inhaltlich zu festigen und aufzubauen, um in die verschiedenen Proteste und Bewegungen nicht nur als sichtbarer, sondern zunehmend auch als führender Faktor Programm und Methode hinein zu tragen.

Periode von Krisen

Wir müssen immer wieder erklären, dass die Darstellung eines Kapitalismus wie in den 1960er Jahren in den entwickelten kapitalistischen Staaten mit wachsender Wirtschaft, wachsendem Lebensstandard auch für die Arbeiter*innenklasse eine Ausnahmeperiode war. Dieses Bild, dass uns als typisch für den Kapitalismus gezeichnet wird, gehört einer relativ kurzen Periode in der Vergangenheit unter besonderen Umständen (nach dem 2. Weltkrieg und während der Konkurrenz zwischen “dem Westen” auf der einen und den stalinistischen Staaten auf der anderen Seite) an - und wird nicht wieder kommen. Im Gegenteil ist der Kapitalismus in den letzten Jahrzehnten wieder zu seiner Normalität von systemimmanenten Krisen und Angriffen auf den Lebensstandard der Arbeiter*innenklasse zurückgekehrt. 

Am unmittelbarsten sichtbar ist hier die Wirtschaftskrise. Die letzte Weltwirtschaftskrise von 2007/8 ist noch im breiten Gedächtnis und ihre Folgen noch nicht überwunden - und die nächste beginnt bereits. Das bestätigt unsere Analyse, dass die Maßnahmen, die 2007/8 zur Eindämmung der Krise gesetzt wurden die Fundamente der Wirtschaft weiter untergraben haben und sich die strukturelle Krise verstärkt hat. Corona hat das Kartenhaus zum Einsturz gebracht und die Krise verstärkt. Die weiteren Perspektiven hängen natürlich auch stark vom weiteren Verlauf von Corona, der Ausbreitung, einem Impfstoff bzw. Medikamenten zur Behandlung ab. Doch so oder so sind die wirtschaftlichen Probleme tiefliegend - international wie auch in Österreich. Die staatlichen Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft haben die Effekte der Krise hinausgezögert - doch hier setzen in der zweiten Hälfte von 2020 bereits die Nachholeffekte ein und deuten - allen Meldungen von “Erholung” zum Trotz - auf die Auswirkungen einer tiefen und anhaltenden Krise hin. In Folge nur einige Bereiche, die wir im Auge behalten müssen:

Konzentrationsprozess: Jede Wirtschaftskrise führt zu Konzentrationsprozessen, weil schwächere Marktteilnehmer*innen, die gerade noch so überlebt hatten, nun aufgeben müssen. Das ist einer der Gründe von Personalabbau, Insolvenzen bzw. Betriebsschließungen/Verlagerungen, die in den letzten Monaten bekannt geworden sind (Agrana, ATB, MAN, Casinos…) - wobei die Insolvenzzahlen in der ersten Jahreshälfte relativ niedrig waren (wobei größere Firmen mit mehr Beschäftigten betroffen waren), aber ein “Nachholeffekt” mit Rückgang der Corona-Hilfsgelder durch die Regierung erwartet wird. In der nächsten Periode wird also mit einer Reihe von Betriebsschließungen/Fusionen/Übernahmen zu rechnen sein: Das kann bezüglich internationaler Beziehungen relevant sein (z.B. wenn chinesische Firmen bzw. US-Firmen betroffen sind) aber auch im Hinblick auf Fragen von staatlicher Rettung/Übernahme, die Folgen für die Beschäftigten etc. Es wird hier unsererseits in Zukunft deutlich stärker darauf ankommen, unser Programm zur Rettung von Arbeitsplätzen bzw. Betrieben, auch in Abgrenzung zu den gewerkschaftlichen Sozialplänen oder Hoffnung in keynesianische oder genossenschaftliche Ideen, zu formulieren. Eine teilweise Offenlegung der Firmenbücher ist für jeden Betriebsrat mittels „Wirtschaftsgespräch” schon jetzt grundsätzlich möglich (§ 108 ArbVG). Wir schlagen allen Betriebsrats-Körperschaften als ersten Schritt vor, ungeachtet ob akut eine Insolvenz im Raum steht oder nicht, umgehend eine solche Einsicht zu verlangen. In Folge ist die Belegschaft zu informieren. Darüber hinaus sollten sich Betriebsrät*innen mit jeweils anderen sowie kämpferischen Kolleg*innen branchenübergreifend und bundesweit vernetzen; etwa mittels einer Aktionskonferenz. Die Information an die Belegschaft und andere Branchenkolleg*innen, ruft in der Regel starken Widerstand der Geschäftsführungen hervor. Dazu kommt ein von der sozialpartnerschaftlichen Ideologie durchsetzter Apparat von AK und ÖGB, der eher auf eine Geheimhaltung der wirtschaftlichen Daten drängt. Kämpferische Betriebsrät*innen müssen daher an zwei Fronten eine Auseinandersetzung führen. Die Einbindung klassenkämpferischer Kolleg*innen, anderer Betriebsrät*innen und kämpferischer Gruppen und Strömungen kann, vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise, den Kampf schnell radikalisieren und politisieren. Offenlegung der (Firmen-)Bücher (und zwar auch über die bereits für Betriebsräte mögliche Einsicht hinaus), Information und Einbeziehung der Beschäftigten bzw. die Weiterführung der Betriebe unter Kontrolle der Arbeiter*innen sind nur einige unserer Eckpunkte.

Finanzmärkte & Banken: 2007/2008 war der Finanzmarkt der Auslöser der Krise, in Folge wurden ein paar Regulierungen eingezogen um die Finanzmärkte stabiler zu machen (Stichwort: Basel-Abkommen). Aktuell wird versucht, einige dieser (ohnehin sehr beschränkten) Sicherheitsventile wieder abzubauen in der Hoffnung, damit würde die Investitionsquote erhöht werden. Abgesehen davon, dass das nicht funktioniert, da die geringen Investitionen nicht in hohen Zinsen sondern in mangelnden profitablen Investitionsfeldern wurzeln (die Banken haben historisch hohe Rücklagen!), wird damit die Instabilität und Zerbrechlichkeit der Finanzmärkte wieder erhöht (so hält z.B. Standard & Poors eine Verdreifachung der Ausfallraten bei Krediten, die also nicht zurückbezahlt werden, im Jahr 2021 für möglich). Die Skandale bei Wirecard und der Commerzialbank Mattersburg mögen besonders kriminelles Agieren aufzeigen, doch sind sie eher symptomatisch für die tönernen Füße, auf denen die ganze Branche steht. Das zeigen die Probleme auch bei anderen Banken wie der Autobank, die im August einen “Aufpasser” durch die FMA (Finanzmarktaufsichtsbehörde) erhielt. Wir haben uns 2007/2008 mit der Rolle der Finanzmärkte und unseren Forderungen beschäftigt, das sollten wir uns zu Schulungszwecken wieder anschauen, auch wenn das “Feindbild” diesmal eher “das System” an sich als weniger “das Finanzkapital” ist. LINK EINFÜGEN

Innovation & Modernisierung: Die Frage von neuer Technologie (bzw. des technologischen “Hinterherhinkens” von Europa und dem Versuch, hier aufzuholen um im zunehmenden innerimperialistischen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden) bleibt für die österreichische Bundesregierung zentral. Das wird teilweise mit einem Ökomäntelchen verschleiert wie z.B. mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Doch neben der Frage von Städteentwicklung und Primärenergie (Heizen, Warmwasser) liegt in Österreich eine zentrale klimapolitische Herausforderung bei der Verkehrsthematik (inkl. Transit). Hierzu sind von Regierungsseite keinerlei der nötigen radikalen Maßnahmen zu erkennen. Der Grund liegt in den Profitinteressen mächtiger Kapitalfraktionen, denen die türkis-grüne Regierung weiterhin dient. Ein Teil dieser Modernisierungsstrategie ist ein Pusch bei der Digitalisierung. Dieser Prozess wurde durch den Lockdown beschleunigt, die Mängel sind für alle sichtbar - hier gibt es zwar das Potential zur positiven Nutzung dieser Möglichkeiten, doch im Kapitalismus werden diese vorrangig auf Kosten der Arbeiter*innenklasse eingesetzt. Wir unterstützen den Zugang und das Erlernen neuer Technologien, weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass die Aufgabe, Schüler*innen, Studierenden oder Menschen im Homeoffice mit technischem Equipment auszustatten eine staatliche ist und auch, dass Erlernen nicht auf den/die Einzelne/n abgewälzt werden darf. Gerade in diesem Bereich kann der Versuch, Aufgaben von der betrieblichen und staatlichen Ebene in die private Verantwortung abzuwälzen, sehr stark sein - und muss von der Arbeiter*innenbewegung gekontert werden. 

Internationale Beziehungen: Das österreichische Kapital - und damit sein Erfüllungsgehilfe Bundesregierung - steckt im Spannungsfeld “heimisches Kapital stärken” und “Abhängigkeit von internationalen Märkten”. Die sich verstärkenden innerimperialistischen Spannungen reduzieren den Spielraum für ein unabhängiges Agieren, dass das “neutrale” Österreich lange Zeit versuchte. Bezüglich des Verhältnis zur EU wird sich an der wirtschaftlichen Verflechtung auch künftig wenig ändern. Das wird aber v.a. die Kurz-ÖVP sowie FPÖ & Co. nicht daran hindern, populistisch gegen die EU bzw. EU-Maßnahmen aufzutreten, wenn es wahltaktisch gelegen kommt. In Bezug auf die Zentrifugalkräfte in der EU wird Österreich mit großer Wahrscheinlichkeit Teil eines Kerneuropas rund um Deutschland bleiben - wobei gleichzeitig politische Alleingänge bzw. Bündnisse in z.B. Fragen der Migrationspolitik mit den Visegrad-Staaten möglich sind. Wir müssen daher zwischen Propaganda und Wirklichkeit unterscheiden und dürfen nicht in die Falle tappen, die EU zu verteidigen, nur weil sie von rechts angegriffen wird.

Soziale Krise: Als Folge der Wirtschaftskrise vertieft sich die Krise des Sozialsystems, die Aushöhlung von Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystem (u.a. mit der Sozialhilfe Neu) insgesamt geht weiter, der defacto Privatisierungsprozess (direkt oder auch indirekt, indem Menschen zunehmend private Leistungen zukaufen, weil die öffentlichen ungenügend sind) nimmt an Fahrt auf.  Die (2)-Klassengesellschaft, die im Gesundheitssystem schon länger ein Thema ist, wird auch in anderen Bereichen der staatlichen Leistungen zunehmend ein Thema: schlecht und staatlich für die Masse, gut und privat für die (herrschende) Klasse. Das macht Angst, ist aber auch Quelle für Unmut und Widerstand - speziell auch bei Frauen, die hier besonders betroffen sind, weil sie von der Versorgung z.B. durch Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen abhängig sind!

Uneinigkeit der Herrschenden über die Maßnahmen: Die wachsende Anzahl an Arbeitslosen wird von staatlicher Seite eine Kombination von Maßnahmen bringen, unterm Strich aber aus Sicht der Herrschenden Kürzungen bei Arbeitslosengeld/Notstandshilfe/Pension notwendig machen (was sich an der jüngsten Abschaffung der Hacklerregelung zeigt). Es werden Auseinandersetzungen innerhalb der herrschenden Klasse und des politischen Establishments ablaufen, ob verstärkt ein radikaler Hartz-IV-Weg eingeschlagen werden soll, oder man doch im Rahmen der 'Covid-Krisenbewältigung' Geld in die Hand nehmen (und in gewissem Sinne abschreiben) sollte, um die härtesten Armutsfolgen abzufedern und den gesellschaftlichen Verfall einzudämmen (aber auch widersprüchliche Mischformen). Zweiteres ginge einher mit dem Konzept der Stimulation der Inlandsnachfrage, das bereits in den letzten Monaten Fahrt aufgenommen hat. Den Fragen von systemischer Instabilität, sozialen Unruhen inkl. der 'Gefahr' anti-kapitalistischer Massenbewegungen und Krisenmanagement kommt heute eine gesteigerte Bedeutung im Vergleich zu den letzten 20 Jahren bei. Die Abkehr von neoliberalen Dogmen hat eine neue Qualität erreicht und weist auf die Debatte in der herrschenden Klasse über die mögliche Größe von Spielräumen hin. Mit oder ohne einen anfänglich starken Input durch die Arbeiter*innen-Bewegung lauern hier viele weitere Konflikte zwischen Kapitalfraktionen, die sich vor allem in (Um)Brüchen und Neuformierungen der politischen Arena zeigen können. Mögliche Szenarien berühren unmittelbar die Frage der Entstehung einer neuen Arbeiter*innenpartei inklusive negativer Einflüsse aus dem bestehenden Establishment in Form von sozial-reformerischer und national-romantischer Elemente sowie verstärkter bonapartistischer Tendenzen unter den Herrschenden. Dies wird massive Auswirkungen auf die Herausforderungen haben, denen wir uns gegenübersehen werden. 

Die Zeiten eines zumindest in den entwickelten kapitalistischen Ländern halbwegs funktionierenden Kapitalismus sind endgültig vorbei. Die Zukunft ist geprägt von wiederkehrenden Krisen, einem sinkenden Lebensstandard der Arbeiter*innenklasse und einer Prekarisierung von Arbeit. Eine düstere Perspektive, die nur durch eine sozialistische Alternative bekämpft werden kann!

 

Die politische Krise wird sich durch Corona-Mismanagement vertiefen

In unserem Konferenzdokument am Ende 2019 haben wir geschrieben: “Die aktuelle Stabilität von Kurz, und insbesondere der künftigen Regierung, ist auf Sand gebaut. Aktuell geht es einmal darum, dass die kommende Regierung die ‘Hausaufgaben’ für das Kapital macht: Vom Kapital gefordert werden Maßnahmen, die die Arbeit intensivieren bzw. die Arbeitskosten senken.” Und dann im Zuge von Corona: “Aktuell ist die Zustimmung für die Regierung und ihre Maßnahmen hoch. Doch es ist eine trügerische Stabilität. Perspektivisch haben die Maßnahmen der Regierung (die persönliche und politische Rechte stark einschränken, während der Wirtschaft de facto volle Freiheit gewährt wird) verstärkt das Potential, zu Unmut zu führen. Hinzu kommen noch die Folgen der Wirtschaftskrise, die v.a. auf dem Rücken der Arbeiter*innenklasse abgeladen werden sollen - auch das wird zu Unmut führen. Das Tempo dieser Entwicklung, eine Radikalisierung aber auch wieder Zustimmung zu Regierungsmaßnahmen und die unterschiedliche Entwicklung in unterschiedlichen Schichten: all das muss genau beobachtet und analysiert werden.” 

Diese Entwicklung hat sich bestätigt: Die aktuell nach wie vor hohen Zustimmungswerte zur Regierung wurzeln in einer Alternativlosigkeit, da gleichzeitig die Unzufriedenheit mit dem Umgang der Regierung mit Corona steigt. In den ersten Monaten der Pandemie konnte die Regierung  durch ihr nach außen souveränes Auftreten den Wunsch nach Stabilität für sich nutzen Dieses Phänomen ist bereits am Kippen, da der Kapitalismus in seiner normalen Funktionsweise stets Instabilität bezüglich Jobs, Sozialem etc. erzeugt. Mit Fortlaufen der ökonomischen Krise wird auch die Kurzregierung ihr Image als Stabilitätsgarant einbüßen. Hier muss unsere Aufgabe darin bestehen, aufzuzeigen, dass eine Rückkehr zu Stabilität unter den Bedingungen des Kapitalismus unmöglich ist. Ähnlich einer Kriegssituation, wo die Massenunterstützung zu Beginn rasch der Ernüchterung weicht ist spätestens seit Beginn der 2. Welle, klar geworden, dass die Regierung keine Vorbereitungen getroffen hat und es steigt der Unmut. Aufgrund der Schwäche der Linken und der Arbeiter*innenbewegung gibt es aktuell keine relevante Kraft die diesen Unmut aufgreifen kann und keine relevante Kraft, in der sich diese Bewusstseinentwicklung widerspiegelt. Daher ist davon auszugehen, dass ähnlich wie in anderen Ländern der Unmut an verschiedensten Themen und punktuellen Ereignissen aufbrechen kann. Was wir aber auch sehen, ist das Bewusstsein - wenn auch immer noch verwirrt und auf einem niedrigeren Stand als in der Zwischenkriegszeit oder in den 60er und 70er Jahren - sich entwickelt. Bewegungen und Aktivist*innen ziehen Schlussfolgerungen aus der letzten Welle von Kämpfen und den Kämpfen in anderen Ländern. Eine Entwicklung die nicht geradlinig verläuft, aber eine eindeutige Richtung hat - zugunsten einer unabhängigen Arbeiter*innenbewegung von unten 

Die Krise des politischen Systems, die vor Corona deutlich sichtbar war, macht in Österreich eine - vorübergehende - Verschnaufpause, die sich aber bereits ihrem Ende nähert. Die Angst vor Corona und der Zukunft insgesamt, sowie die Tatsache, dass die Bundesregierung in der ersten Corona-Welle zumindest den Anschein erwecken konnte, “gut” zu agieren, hat dieser eine gewisse Stabilität verschafft. Doch wie schon vor Corona ist diese Stabilität eine trügerische. Mit einer Vertiefung der Wirtschaftskrise und einer beginnenden 2. Welle wird deutlicher, dass die Regierung nicht Herrin der Lage ist bzw. zunehmend deutlich, dass sie v.a. die Interessen des Kapitals umsetzt. Viele der Maßnahmen wie Kurzarbeit oder auch Sonderzahlungen an Arbeitslose, Kleinunternehmen etc helfen die Stabilität zu stützen - doch die Frage ist: wie lange sind sie aus Sicht der Herrschenden finanzierbar?

Während die Kurz-Regierung in der ersten Hälfte 2020 noch umsichtig und vorausschauend agierend wirkte, hat sie über die Sommermonate den Vorsprung verspielt. Dass mit dem Herbst die Zahlen wieder steigen würden war klar - die Regierungen (Land und Bund) haben aber offensichtlich kaum ernsthafte Vorbereitungen getroffen. Gab es zu Beginn von Corona für ein teilweise hektisches Agieren, widersprüchliche Maßnahmen etc. durchaus Verständnis, so war nun genug Zeit, um entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Der Versuch der verschiedenen politisch Verantwortlichen (Kurz-Anschober-Hacker etc) sich hier gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Bildungs- und zunehmend auch im Gesundheitsbereich die Regierung “ihre Hausaufgaben” nicht gemacht hat. Vertrauen kann rasch in Skepsis umschlagen. Die Krise der bürgerlichen Demokratie drückt sich auch darin aus, dass allen etablierten Parteien die stabile Basis abhanden kommt. Das ist allerdings nicht primär das Ergebnis einer “Individualisierung” sondern liegt daran, dass die Parteien immer weniger die Interessen ihrer Mitglieder und Wähler*innen umsetzen - gerade auch die Kurz-ÖVP betreibt zunehmend populistische Politik wie sich z.B. im Wiener Wahlkampf gezeigt hat. 

Tatsache ist, dass wir durchaus Veränderungen in der Wirtschaftspolitik der herrschenden Klassen sehen, international wie auch in Österreich. Ungleich großer Volkswirtschaften kann sich aber die österreichische Wirtschaft noch weniger auf den eigenen Markt zurückziehen und ist/bleibt zentral vom Weltmarkt abhängig. Doch die mit dem internationalen Trend zur “De-Globalisierung” verbundene nationalistische Propaganda sehen wir auch hierzulande in Form von “Austro-Patriotismus” bei Urlaub und Einkauf. Eine solche Propaganda kann sich auch auf das Bewusstsein in Form von Nationalismus/Rassismus auswirken.

Die aktuelle Krise der FPÖ kann nicht nur auf die Folgen von Ibiza reduziert werden. Auch die “üblichen” Probleme rechtspopulistischer Parteien, die in Regierungen kommen (und dort Kürzungspolitik gegen die eigenen Wähler*innen machen), die Verschiebung der Hauptsorgen weg von Migration/Flucht hin zu Corona und Sozialem kommen dazu. Auch die Positionierung zu Corona bzw. das Liebäugeln mit Corna-Leugnung bzw. Verharmlosung stellt sich für die FPÖ als problematisch dar: Der Versuch in diesem begrenzten Milieu zu punkten steht teilweise im Widerspruch zum Wunsch großer Teile der Arbeiter*innenklasse nach mehr Schutz und Unterstützung gegen Corona. Mit dem Verlust von Pfründen treten die stets existenten unterschiedlichen Lager in der FPÖ wieder stärker hervor und in Konflikt zueinander. Die Strategiedebatte in der extremen Rechten ist in vollem Gange und berührt Fragen wie “Schulterschluss mit dem noch weiter rechten Lager wie den Identitären und damit eine ideologische Stärkung und Orientierung auf starke Opposition”, “stärkeres Andienen an das Kapital wie von Atterseekreis & Co angestrebt und sich wieder Regierungsfit zu machen” etc. - wobei die Linien keineswegs so klar verlaufen. Klar ist, dass sich aktuell im rechtsextremen Lager Debatten, Umgruppierungen, verändernde Allianzen und Schulterschlüsse abspielen deren Ergebnis noch offen ist. Was aber klar ist: Die Gefahr die aus diesem Milieu kommt - vom gewalttätigen Teil der sich ähnlich wie in den USA radikalisieren kann, ebenso wie vom neoliberalen - ist durch die aktuelle Krise der FPÖ bestenfalls vorübergehend reduziert, aber keineswegs gebannt. Um diese Gefahr dauerhaft zu bekämpfen braucht es eine starke Arbeiter*innenbewegung und eine dazugehörige politische Vertretung. 

Der deutlichste Trend aber ist das wachsende Misstrauen in “die da oben”, das durch Corona befeuert wird. Die “Corona-Leugner*innen” speisen sich stark aus einem rechten und Verschwörungstheoretiker*innenlager. Doch dieses Feld von Corona-Leugner*innen darf nicht verwechselt werden mit einer wachsenden Gruppe von Menschen, die mit den Maßnahmen der Regierung durchaus zu Recht unzufrieden sind, aber die Existenz oder Gefährlichkeit des Virus nicht leugnen. Maßnahmen, die tief ins Privatleben eingreifen, während gleichzeitig aus sozialen Gründen die Möglichkeit fehlt, diese menschenwürdig umzusetzen bzw. wenn deutlich ist, wie wenig auf der anderen Seite bei “der Wirtschaft” eingegriffen wird und dass gerade an den Arbeitsplätzen kaum Schutzmaßnahmen (um)gesetzt werden. Ein hohes Verantwortungsgefühl gegenüber anderen und der Wunsch sich und andere zu schützen zeigt, dass der Mensch trotz ideologischer Ellenbogenpropaganda ein soziales Wesen ist. Das Misstrauen gegenüber Pharmaindustrie, Regierungsmaßnahmen etc. wird aktuell ausschließlich von rechts bedient. Ähnlich wie 2007/8 die Kritik am “Finanzkapital” zu kurz gegriffen hat bzw. von rechts antisemitisch befeuert wurde, aber eben auch richtige Kritikpunkte beinhaltete, ist es auch aktuell wichtig, bei der Kritik gegenüber Corona-Maßnahmen differenziert zu agieren und ein eigenständiges Programm mit “Klassenstandpunkt” zu entwickeln um den nötigen sozialen Protest und anti-kapitalistische, internationalistische und letztlich sozialistische Bewusstseins-Entwicklung vom Feld des Rechtsextremismus und seiner Verschwörungsideolgie abzugrenzen. Trotz oftmaliger Ankündigungen hat die türkis-grüne Regierung keine Offensive beim “Testen, Testen, Testen” durchgeführt. Mehr als ein halbes Jahr wurde auch bezüglich Aufstockung bei Spitalsbetten, Ressourcen und Personal insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen tatenlos verschleudert. Dies verwundert nicht, wenn man erkennt, dass es handfeste Profitinteressen gibt, die zu Kapazitätsengpässen und der Aufrechterhaltung des neoliberalen Kaputtsparens des Gesundheitssektors führen. 

Tatsächlich ist die “bürgerliche Demokratie” eine weitgehend undemokratische Struktur, was sich angesichts der Pandemie und ihrer Herausforderungen zeigt. Das Bild einer abgeklärten “Krisenmanagerin” wird letztlich keine bürgerliche Regierung halten können. Man kann dem systembedingt nicht entkommen, solange man nicht mit dem Kapitalismus bricht. Und selbst dann würde sofort die Frage der internationalen Kettenreaktion aufgeworfen werden. Eine Entschuldigung für die Regierung kann dies jedoch nicht darstellen. Genau diese Erkenntnis spiegelt sich in dem wachsenden Ärger über das Regierungschaos wieder und wird sich in den kommenden Monaten in der Arbeiter*innenklasse verbreiten. Dies gilt auch mit der Einschränkung, dass es immer wieder Verwirrungen geben kann. Dies ist auch eine Folge des kompletten Fehlens einer anti-kapitalistischen bzw. Arbeiter*innen-Opposition im politischen System. 

Wesentlich relevanter als die Demonstrationen von Corona-Leunger*innen/Kritiker*innen, die ganz bewusst auch von rechtsextremen und faschistischen Kräften besucht werden, sind hier mögliche künftige Reaktionen von Aufstandsszenarien (wenn auch in kleinerem Ausmaß als in Italien oder Spanien, aber z.B. auf Grätzlebene unter v.a. migrantischen Jugendlichen) bis zu betrieblichem Widerstand sein. Hier gilt es der staatlichen Repression und dem Gerede von “Verantwortung” (die die Regierung auf Individuen abwälzt) ein sozialistisches Corona-Schutz-Programm entgegen zu halten, das soziale und demokratische Forderungen verbindet. Wir können und müssen von einer explosiven Stimmung ausgehen - aber auch von einer großen Unsicherheit, wo genau sich diese manifestierten wird. Viele der Massenbewegungen die wir international in der jüngeren Vergangenheit gesehen haben sind entlang von Themen entstanden, die eher zufällig wirken. Sie waren der sprichwörtliche letzte Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat: in Chile wegen einer Fahrpreiserhöhung, in Frankreich einer Treibstoffsteuer, in Irland einer Steuer auf Wasser, im Libanon einer Steuer auf WhatsApp, in Polen entlang einer weiteren Verschärfung eines ohnehin real nicht existierenden Rechts auf Abtreibung etc.. 

Auch in Österreich können wir in der kommenden Periode ähnliche Explosionen sehen an Punkten, die vorher kaum ausmachbar sind. Mögliche Knackpunkte könnten soziale Themen wie Verschlechterungen im Pensionssystem oder bei Arbeitslosenleistungen sein, “Jugendthemen” wie Proteste von Schüler*innen gegen Angriffe auf die Dauer der Ferien oder allgemeine Steuererhöhungen oder auch lokale Proteste gegen einen rassistischen oder sexistischen Übergriff. Klar für uns ist: Auch wenn wir nicht wissen, wann und wo solche “Explosionen” stattfinden werden, ist es unsere Aufgabe darauf zu reagieren und uns insofern vorzubereiten, als wir Kader aufbauen, die in der Lage sind zu reagieren. Der Widerspruch zwischen Maßnahmen zur Rettung von Menschenleben und dem kapitalistischen System wird in der Corona Pandemie besonders deutlich. Gerade vor dem Hintergrund der stattfindenden wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen führt dies auch zu einem widersprüchlichen Bewusstsein. So können virologisch sinnvolle Maßnahmen von Teilen der Arbeiter*innenklasse abgelehnt werden, da Beschäftigte Angst vor Jobverlust und Verarmung haben und Illusionen in eine Wirtschaft, die ohne diese Maßnahmen funktionieren würde, existieren. Dem müssen wir entgegnen, dass zum einen die ökonomische Krise kein Produkt von Corona, sondern des Kapitalismus selbst ist, zum anderen aber auch eine Pandemiebekämpfung, die nicht auf dem Rücken von Arbeiter*innen ausgetragen wird nur mit sozialistischem Programm möglich ist. Dessen Eckpunkte müssen die demokratische Entscheidung über das Runterfahren verschiedener Bereiche (v.a. in der Produktion) und somit die gesellschaftliche Übernahme der Produktionsmittel, sowie ein Schutz vor Jobverlust, die Finanzielle Absicherung von Arbeiter*innen und Scheinselbständige, und massive Investitionen in Medizin, Bildungs- und Betreuungseinheiten und Forschung umfassen. 

Die kommende Periode ist von wachsender Instabilität und Misstrauen gegen “die da oben” geprägt. In der herrschenden Klasse werden wir durchaus gleichzeitig Prozesse von verstärkter Abgrenzung (eine Partei gegen die andere) als auch eines nationalen Schulterschlusses (in Form von Regierungen mit breiter parlamentarischer Basis, um die für die Wirtschaft nötige möglichst stabile Basis zu schaffen) sehen. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Charakter des Staates in einer bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft ist auch wegen staatsinterventionistischer Wirtschaftsmaßnahmen von zentraler Bedeutung für Marxist*innen (z.B. https://www.slp.at/artikel/kein-ausweg-aus-der-krise-in-sicht-6543

 

Große Aufgaben für Sozialist*innen

In einer Welt der Krisen tut sich viel und verändert sich viel. Das stellt uns vor viele Herausforderungen, zuerst einmal die Lage zu analysieren, zu verstehen und zu beurteilen. Von zentraler Bedeutung sind Entwicklungen im Bewusstsein von Arbeiter*innen und Jugendlichen - diese ist nicht geradlinig und, v.a. wegen der Schwäche der Arbeiter*innenorgansiationen, verwirrt.

Bewusstsein entwickelt sich nie linear, insbesondere nicht in einer komplizierten Periode wie der aktuellen. Möglich ist es aber, anhand einer Analyse der aktuellen Situation in Österreich sowie vergangener und aktueller internationaler Erfahrungen, mögliche Prozesse aufzeigen. Seit Jahren sehen wir weltweit und auch in Österreich eine wachsende Ablehnung etablierter politischer, staatlicher und anderer Institutionen und wachsende Unzufriedenheit angesichts der vielen Krisen, die im Kapitalismus wurzeln. Aber gerade in Österreich ist, aufgrund von Jahrzehnten mit niedrigem Level von Klassenkämpfen, die Verwandlung dieses Bewusstsein in aktiven Widerstand ein komplizierter Prozess. Erschwerend kommt hinzu, dass mit der FPÖ seit mehr als 30 Jahren Opposition rechts und rassistisch aufgeladen wird.

Trotzdem sehen wir seit einigen Jahren an unterschiedlichsten Stellen das Aufpoppen von Widerstand, wie die großen Proteste gegen den 12-Stundentag und Schwarz-Blau, Selbstorganisierung, Proteste und Streiks im Gesundheits- und Sozialbereich, große Jugendproteste wie Fridays for Future oder Black Lives Matter, aber auch lokale Proteste wie gegen das Murkraftwerk, sowie die Zunahme an Versuchen für “Neue Linke Formationen (NLF)”. Obwohl diese Bewegungen oft nicht lange anhalten, sollten wir nicht die falsche Schlussfolgerung ziehen, dass sie keine Auswirkung haben. Sie alle stärken die Vorstellung, dass es Protest und Widerstand gibt und lassen neue Schichten ihre Erfahrungen mit ersten Protesten machen (im Positiven wie im Negativen). Diese Schichten, insbesondere der Arbeiter*innenklasse, die schon bewusster sind, können (ebenso wie die pure Verzweiflung) dazu beitragen, dass in Zukunft die Wut über Angriffe der Herrschenden nicht mehr verpufft, sondern auch zu explosivem Widerstand führt. Für die Herrschenden und auch für reformistische Trends in der Linken, die diese Prozesse in der Klasse nicht verstehen, können solche Entwicklungen überraschend sein. Die Entwicklung von punktuellen Protesten zu ersten, teilweise verallgemeinerte, Bewegungen von Teilen der Arbeiter*innenklasse, kann ein nächster Schritt vorwärts im Bewusstsein sein. Aber Bewusstsein entwickelt sich nicht geradlinig, sondern diese Entwicklung ist auch immer wieder von Rückschlägen begleitet, bei denen Teile der Klasse die richtigen und Teile demoralisierte Schlussfolgerungen ziehen. Die Aufmerksamkeit kann sich dabei vom Widerstand auf der Straße und in Betrieben auf die Wahlebene verlagern aber auch wieder zurück. Ein wesentlicher Teil der aktuellen Bewusstseinentwicklung, insbesondere unter Jugendlichen, ist eine starke internationale Orientierung und das Verständnis weg von Ein-Punkt Themen hin zu einem breiteren Verständnis von Zusammenhängen politischer und v.a. wirtschaftlicher Natur.

Oft ist es die Jugend, die als erste aktiv wird, die großen weltweiten Klimaproteste 2019 waren hier ein Vorbote für die später folgenden Proteste in vielen Teilen der Welt. Die Politisierung einer ganzen Generation ist nicht einfach vorbei, auch wenn die Klimaproteste kleiner werden, sie hat aktuell vielleicht keinen organisatorischen Ausdruck, bricht aber um verschiedenen Fragen immer wieder auf. Auch 2020 waren es v.a. junge Menschen, die in den BLM-Protesten auf die Straße gegangen sind, doch auch hier sind die folgenden Bewegungen im Libanon, Iran, etc viel größer - und im Fall von Belarus spielt die Arbeiter*innenklasse als Klasse durch die Streiks eine zentrale, für die herrschende Klasse besorgniserregende, Rolle. Klima/Umwelt, Rassismus aber auch soziale Probleme bzw. eine insgesamte Zukunftsangst beunruhigen mehr als ⅔ der Jugendlichen - aber auch rund um Fragen von Sexismus sehen wir international ein wachsendes Bewusstsein. Mit dem Fortschreiten der Wirtschaftskrise werden soziale Themen stärker zum Tragen kommen und sich mit anderen Themen verbinden - schon jetzt ist Jugendarbeitslosigkeit in migrantisch/proletarischen Schichten ein zentrales Thema, dass sich aber auch in andere Schichten der Jugend weiter ausbreiten wird. Dass sich die Jugendlichen mit diesen Problemen “allein gelassen” fühlen, ist Ausdruck für ein sinkendes Vertrauen in die etablierte Politik und Potential für künftige explosive Proteste.

Ähnlich wie Jugendliche sind es häufig auch die unterdrücktesten Schichten die als erste rebellieren - die Urban Poor in den neokolonialen Ländern, in unserem Fall migrantische Kolleg*innen und weibliche Beschäftigte. Diese Entwicklung ist bisher nur teilweise - in Form der Proteste im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie der unerwartet großen LGBTQ+-Proteste der letzten Jahre - eingetreten, doch wir müssen darauf vorbereitet sein. International ist der Sozial- und Gesundheitsbereich in vielen Ländern an der Spitze der Proteste zu finden, nicht nur, aber verstärkt durch Corona, da das Selbstbewusstsein der “Systemerhalter*innen” gestiegen ist. Arbeiter*innen haben - jeweils isoliert betrachtet (!) - über die verschiedenen Branchen und Sektoren verteilt verschieden starke wirtschaftliche Macht, wenn sie in den Kampf treten. Ein wesentliches Merkmal des heutigen imperialistischen Kapitalismus ist jedoch die extrem fortgeschrittene Integration; sowohl im nationalen als auch im internationalen Maßstab. Die Covid-Krise hat die potentielle Macht der sogenannten “Systemerhalter*innen” aufgezeigt. Arbeitnehmer*innen im Gesundheits- und Sozialbereich sowie in Transport und Handel sind der Dreh- und Angelpunkt für die Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Aktivität und Versorgung. Sie stellen eine entscheidende Barriere zu völligem Chaos dar, auf den der Kapitalismus zusteuert. Insofern ist die Macht einer sich bewussten und politisch offensiven Belegschaft in diesen Sektoren nicht zu unterschätzen. Dies gilt unbeschadet der Bedeutung, die Industrie-Arbeiter*innen weiterhin haben. 

Erst später, aber von besonderer Bedeutung aufgrund ihrer ökonomischen Macht, sind die “heavy Bataillons”, konkret die Beschäftigten in der Industrie. Die bremsende Rolle der Gewerkschaftsbürokratie und der Sozialpartnerschaft führt dazu, dass die Gewerkschaftsführung in den bewusstesten Schichten der Belegschaften zunehmend als Teil des Problems gesehen wird, da sie Stellenabbau und Lohnkürzungen mitverwaltet und keine Alternativen zu Betriebsschließungen anbietet. Hier darf die Wien-Lastigkeit der Partei nicht dazu führen, dass wir Entwicklungen in diesen Bereichen übersehen, weil sie in anderen Teilen von Österreich (in den Industriegebieten rund um Linz, in der Steiermark, aber auch in zB Vorarlberg) stattfinden bzw. wir hier kaum Genoss*innen haben. Auch wenn Kämpfe in Bereichen, die wie die Auto(zuliefer)-Industrie in einer tiefen Krise stecken, schwierig ist, können wir hier mit Kämpfen rechnen - teilweise unter Kontrolle einer getriebenen Gewerkschaft bzw. Betriebsrät*innen, aber auch explosive Proteste aus der Belegschaft bis hin zu wilden Streiks sind hier eine Perspektive.

Wir führen im folgenden künftige mögliche Felder auf, in denen Bewegungen und Kämpfe zu erwarten sind - auf die wir möglichst umfassend reagieren werden, wo wir aber was gezielte und langfristige Kampagnenarbeit angeht Prioritäten setzen müssen.

“Wer die Jugend hat, hat die Zukunft” (Lenin): Wir haben schon bei der letzten Konferenz auf die Politisierung der Jugend hingewiesen, die sich aber in unterschiedlichen Schichten der Jugend durchaus unterschiedlich ausdrücken kann und breiter ist, als an der Oberfläche sichtbar. In der letzten Periode war das Thema Klima für viele Jugendliche DAS Thema und es bleibt “objektiv” ein zentrales Thema um das herum es wieder zu großen Protesten kommen kann und zu dem wir so oder so eine detaillierte Programmatik entwickeln müssen. Ob allerdings Klima DAS Jugendthema bleibt um das sich Proteste entwickeln ist offen - die aktuellen Fridays for Future (FFF) Proteste deuten nicht in diese Richtung. Sexismus und Homophobie, aber v.a. Antirassismus mobilisieren teilweise mehr Jugendliche, auch aufgrund der Erfahrungen mit Polizeirepression (nicht zuletzt durch Corona). Vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung und zunehmender innerimperialistischer Konflikte und (Stellvertreter)Kriegen, wird die Anzahl der Menschen, die flüchten müssen weiter zunehmen. Bereits heute sind globale Fluchtursachen mit Folgen des Klimawandels verwoben. Die Dramatik wird sich weiter beschleunigen. Die meisten imperialistischen, nationalen sowie sozialen Konflikte oder Kriege werden zum bedeutenden Teil vom Klimawandel beeinflusst. Solidarität mit Flüchtlingen und Proteste gegen Krieg könnten in der kommenden Periode Themen sein, die zur Aktivierung von Jugendlichen führen (in den letzten Jahrzehnten waren Antikriegsbewegungen große Jugendbewegungen!). Die verbindende Klammer sind Internationalismus und Kapitalismuskritik - was darauf hinweist, dass das Bewusstsein sich von “Einpunktbewegungen” weiterentwickelt und entsprechend die Offenheit für sozialistische Ideen größer wird. Das passt auch zum Verständnis einer düsteren Zukunft. Dieses Verständnis drückt sich in einer Zunahme von psychischen Problemen aus - aber eben auch der Suche nach Alternativen und Möglichkeiten, dagegen zu kämpfen. Das kann sich in der Explosion von Protesten (auch in Form von kleineren “Riots”) ausdrücken aber auch in der Suche nach Organisationen, die bereit sind, diese Kämpfe ernsthaft zu führen. Wegen der Schwäche der Linken unter migrantischen Jugendlichen besteht die Gefahr, dass die Politisierung, die hier stattfindet, von rechten/nationalistischen Strömungen kanalisiert wird - was allerdings keine Einbahnstraße ist!

“Kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung, Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus” (Zetkin): Nicht nur, aber v.a. auch in den Jugendprotesten spielen junge Frauen eine sehr zentrale Rolle. Für diese Entwicklung gibt es objektive Gründe: Die dauerhafte und massenhafte Teilnahme von Frauen am Erwerbsprozess und die in Folge neoliberaler Privatisierung von Hausarbeit (wieder) verstärkte Übernahme von Haus- und Care-Arbeit (Reproduktionsarbeit) durch Frauen. Wir haben schon länger die Diskrepanz zwischen den Versprechen des Postfeminismus und dem realen Erleben analysiert. Das tägliche Erleben von Frauen ist, dass Propaganda und Wirklichkeit nicht zusammen passen, das Sexismus nicht nur nicht abgeschafft ist, sondern sogar zunimmt. Weltweit sehen wir hier eine Politisierung, in manchen Ländern mit einer aktiven Bewegung und in anderen Ländern bis jetzt nur in Veränderungen im Bewusstsein. In Österreich besteht auch das Potential, dass dieses Bewusstsein, konfrontiert mit dem extrem konservativen und rückständigen Charakter der österreichischen herrschenden Klasse und dem großen rechtsextremen Potential, zu Kämpfen führt. Denn gerade auch konservative und rechtsextreme Kreise setzen nicht nur auf ein “konservatives Familienbild” sondern teilweise auf lauten und aggressiven Anti-Feminismus. Nun ist noch die zentrale Rolle von Frauen unter Corona dazu gekommen. Gerade in den “systemrelevanten”  der Frauenanteil laut AK bei 65% (unter Kindergartenpädagogen, Kassierern und Regalbetreuern, Reinigungs- und Pflegekräften sogar bei über 80%), Frauen sind von der anhaltenden Doppelbelastung Homeschooling und Homeoffice/Job besonders gefordert und zusätzlich noch durch die Quarantänesituation verstärkt von Gewalt betroffen. Das politisiert und kann auch zu einer Radikalisierung führen. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass in allen Umfragen Frauen linker wählen als Männer - das Bewusstsein dafür, wer die Kosten der Krise zahlen soll, nämlich überproportional Frauen, ist sehr hoch. Das Selbstbewusstsein über die eigene Rolle und die Wichtigkeit der Arbeit (Stichwort Systemerhalterinnen) ist auch zentral für die Entwicklung von Bewusstsein und die Bereitschaft, sich zu wehren. Die Trennung von “feministischen” Themen und “sozialen” Themen ist immer weniger möglich, was aber auch dazu führt, dass die individualistischen Antworten der (klein)bürgerlichen Feminist*innen (mehr Frauen in Führungspositionen, bessere Gesetze) immer weniger als solche wahrgenommen werden - was eine wichtige Grundlage für sozialistisch feministische Arbeit darstellt.

Soziales und Gesundheit: Seit Jahren sehen wir eine Radikalisierung im Sozial- und Gesundheitsbereich. Das ist ein internationaler Trend, der sich durch Corona noch einmal massiv verstärkt hat. Hier treffen eine kämpferische Belegschaft und ein Verständnis für die Wichtigkeit des Bereichs auf der einen Seite, auf Kürzungszwänge und fehlende gewerkschaftliche Kampfbereitschaft auf der anderen Seite. Sinkenden Einnahmen (durch die steigende Arbeitslosigkeit) und hohe Ausgaben in Folge der schwarz-blauen Krankenkassenfusionen reißen tiefe Löcher in die Budget bzw. Rücklagen der ÖGK (für 2020 wird mit einem Minus von 558 Millionen Euro gerechnet) - Verschlechterungen für die Versicherten sind nur eine Frage der Zeit. Die Aufgaben v.a. im Bereich der psychischen Erkrankungen, verstärkt durch Wirtschaftskrise, Zukunftsangst und Corona, steigen gleichzeitig - auch das eine tickende Zeitbombe gerade unter Jugendlichen! Wir können im Sozial- und Gesundheitsbereich nicht nur weitere Kämpfe erwarten, sondern sehen hier auch Probleme und Entwicklungen in den Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheit. Im Bildungsbereich kommt hinzu, dass wir in den nächsten Jahren den Austausch eines großen Teils der Belegschaft sehen werden: die Pensionswelle wird zehntausende Junglehrer*innen in diesen Sektor bringen, die auf zunehmend prekäre Arbeitsverhältnisse und eine passive Gewerkschaft treffen, die in der Praxis kaum die Rolle der Vertretung der Interessen der Mitgliedschaft spielt. Für uns stellt sich die Frage, wie wir uns hier vorbereiten und positionieren können - auch in der Gewerkschaft kann es hier zu Umbrüchen kommen aus dem ganz pragmatischen Zugang, dass plötzlich ein großer Teil der Belegschaft nicht mehr zur bisherigen Herangehensweise der GÖD passt.

De-Industrialisierung in Österreich, Produktionsverlagerung und Wirtschaftskrise: Die Krise bringt einen vielschichtigen Konzentrations- und Differenzierungsprozess, der v.a. auch in die Richtung gehen wird, dass geringer qualifizierte Jobs aus Österreich abgesiedelt werden, bzw. hier Löhne und Arbeitsbedingungen weiter verschlechtert werden, während bei qualifizierteren Beschäftigten die Notwendigkeit höher ist, diese für die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft (bei Laune) zu halten. Es ist zu befürchten, dass die Gewerkschaft diesen Kurs mit dem Hinweis auf “Standort” weitgehend mitträgt, der desaströse Metaller-Abschluss hat genau das gezeigt. Vor dem Hintergrund bietet das auch einen Ansatzpunkt für organisierte betriebliche und gewerkschaftliche Oppositionsarbeit.  

Der Sozial- und Gesundheitsbereich ist weltweit besonders von der Krise des Kapitalismus betroffen, einerseits wird die Notwendigkeit für Unterstützung immer größer, andererseits können sich die Herrschenden diese immer weniger leisten - dementsprechend können wir uns auf weitere Kämpfe einstellen und der Bereich hat eine strategische Bedeutung für Sozialist*innen. 

Bildung als Hotspot: Das Ausbluten des öffentlichen Sektors wird mit Corona auch im Bildungswesen breit sichtbar. Wie auch der Sozial- und Gesundheitssektor sind große Teile der Bevölkerung davon betroffen, was in diesem Bereich passiert. Es gibt wohl kaum jemanden jenseits der reichsten 10%, der/die nicht beeinflusst ist von den andauernden Kürzungen und dem Corona-Versagen der Regierung im Bildungswesen. Dazu kommt: angesichts einer stark angestiegenen Arbeitslosigkeit steigt die Erpressbarkeit und damit nehmen verschiedene Formen prekärer Jobs zu. Neben jungen Menschen, die verzweifelt sind und um jeden Preis versuchen einen Job zu bekommen, werden wir auch eine wachsende Anzahl von “Babyboomern” (also Menschen über 50) sehen, die in die Arbeitslosigkeit geraten, aber keine Perspektive haben da wieder herauszukommen. 

Entwicklungen in und um die Gewerkschaften: Die wirtschaftliche und politische Entwicklung bedeutet enorme Herausforderungen auch für die gewerkschaftliche Ebene. Schon bisher hat die ÖGB-Bürokratie sich v.a. auf den “traditionellen Industriearbeiter” (weiß, männlich, qualifiziert) konzentriert und sich zu spät und zu wenig um andere Beschäftigtengruppen, die längst die Mehrheit stellen, gekümmert. Dieses Versäumnis wird mit Fortschreiten der Krise immer größer - bietet aber auch Raum für Widerstand außerhalb bzw. am Rand der Gewerkschaftsbewegung, welcher sich perspektivisch auch in oppositionellen Entwicklungen in den Gewerkschaften widerspiegeln könnte. Hinzu kommt aber auch die Notwendigkeit der Gewerkschaft, ihre (Mitgliedsbeitrags)Basis zu erhalten - d.h. es muss für die Beschäftigten Sinn machen, Mitglied zu sein. Insofern werden wir immer wieder auch Fälle von Säbelrasseln und Symbolpolitik sehen (wie z.B. bei ATB bzw. dort, wo die Kapitalseite die Wege der Sozialpartnerschaft verlässt) - die aber ihrerseits auch dazu führen können, dass Kolleg*innen diese Ankündigungen ernster nehmen als sie von der Bürokratie ursprünglich gemeint sind und diese “vor sich hertreiben”. Wir haben einige Genoss*innen in den Bereichen Metall, Chemie und Elektro und müssen sehr genau die Stimmung in der Klasse beobachten und Erfahrungen über betriebliche und betriebsrätliche Arbeit austauschen. Insgesamt sehen wir aber mehr Ansätze für eine gewerkschaftliche Opposition in jenen Bereichen, in denen die Gewerkschaft aufgrund von jahrzehntelangen Versäumnissen schwächer ist - unter jungen Menschen, prekären, weiblichen und migrantischen Beschäftigten. Hier gibt es zwar oft wenig Motivation Gewerkschaftsmitglied zu werden, doch drückt das weniger eine Ablehnung von gewerkschaftlicher Organisierung aus als das Gefühl, der ÖGB wäre “für andere” da. Betriebliche und Gewerkschaftliche Oppositionsarbeit wird daher in der kommenden Periode immer mit einem Bein in und einem Bein außerhalb der offiziellen Gewerkschaftsstrukturen stehen (wie z.B. bei Sozial aber nicht blöd) und eine Orientierung auf kämpferische Organisierung, Programm und Methode haben müssen.

Demokratie, Korruption, Corona & Rechstextremismus: International ist es in vielen Bewegungen der letzten Jahre nicht primär um “soziale” Fragen gegangen, sondern die Bewegungen waren gegen “Korruption” oder “für Demokratie”. Auch in Österreich sind und waren das Themen, die polarisieren - die aber bisher v.a. von rechter Seite aufgegriffen werden. Die aktuelle Krise der FPÖ bedeutet keineswegs das Ende des Rechtsextremismus. Thematisch hat die ÖVP längst vieles aufgegriffen (und umgesetzt), organisatorisch ist davon auszugehen, dass die FPÖ sich wieder erholen wird. Die Gefahr von Rassismus und Rechtsextremismus ist alles andere als vorbei, solange es keine starke Linke gibt. 

NLF (Neue Linke Formation)/NAP (Neue Arbeiter*innenpartei) und was die Klasse dringend braucht: Die Stärke der Rechten wurzelt v.a. im nach wie vor niedrigen Level an Klassenkämpfen, der Schwäche der Linken und der Arbeiter*innenbewegung und dem damit verbundenen niedrigen Klassenbewusstsein. Der Kampf gegen Rechts hängt daher auch unmittelbar mit dem Aufbau einer kämpferischen Gewerkschaftsopposition und damit zusammenhängend einer neuen Partei für Arbeiter*innen und Jugendliche zusammen. Mit dem diffusen Verständnis vieler Linker, dass uns so eine Organisation fehlt, werden die Versuche eine solche “am Reißbrett” zu schaffen, zunehmen. Das haben wir an der Häufung solcher Versuche in den letzten Jahren gesehen (diverse KPÖ-Wahlbündnisse, “Aufbruch” sowie diverse regionale Projekte in Salzburg, Graz, Wien etc). Die Intervalle zwischen den Projekten nehmen ab und wir werden weitere Versuche sehen, doch weil die soziale Zusammensetzung ähnlich bleibt und diese Projekte weitgehend abseits stehen von Entwicklungen in der Arbeiter*innenklasse aber auch der Jugend, werden auch kaum die Lehren aus früheren Versuchen gezogen. Wir können davon ausgehen, dass die wachsende Politisierung und Zunahme an sozialen Bewegungen und Klassenkämpfen auch zu einer steigenden Größe / Relevanz von NLFs führt. Was trotzdem nicht heißt, dass sie der Ort sind wo sich Menschen radikalisieren. Die in Wien zur Wahl angetretene Plattform “LINKS” hat zwar einige, v.a. junge Aktivist*innen mobilisiert, hat aber politisch (gerade bezüglich einer Orientierung auf die Organisierung von Beschäftigten) einige Schwächen. Positiv ist der Wunsch und auch die Bereitschaft von Aktivist*innen; sich einzubringen - hier müssen Sozialist*innen ansetzen und diese Energie auf die kommenden Kämpfe und die Arbeiter*innenklasse orientieren. Mit den Erfolgen von LINKS auf Bezirksebene bei den Wiener Wahlen im Oktober 2020 entstehen Hoffnungen in die hier angewandten Methoden, die kritische Analyse dieser Methoden wird durch den Wahlerfolg erschwert. Die Zukunft von LINKS und die konkrete Arbeit der LINKS-Bezirksrät*innen wird eine wichtige Basis für weitere/andere Projekte in der nächsten Periode sein und kann die Reichweite von linken Kräften insgesamt erhöhen. LINKS kann also sowohl ein positiver als auch ein verkomplizierender Faktor sein. Für das Verständnis der Prozesse ist es notwendig, den Unterschied zwischen NLF und NAP zu verstehen sowie die Erfahrungen bisheriger Projekte zu berücksichtigen. Eine NAP hat ihre wesentliche Verankerung in der Arbeiter*innenklasse, Entwicklungen und Kämpfe der Klasse spiegeln sich in ihr wider, ihre Entstehung hängt unmittelbar mit der Entwicklung von Klassenkämpfen und gewerkschaftlicher Opposition zusammen. Eine NAP ist nicht notwendigerweise revolutionär, sondern in der Praxis eher reformistisch, aber stellt durch ihre Verankerung in der Klasse einen wichtigen Fortschritt dar. Für die Entwicklung einer NAP braucht es eine Reihe von entscheidenden Klassenkämpfen und eine drastische Steigerung des Klassenbewusstseins und der politischen Organisierung der Klasse, sowie oppositionelle/kämpferische Entwicklungen in den Gewerkschaften. Selbst in Ländern wie Griechenland, Spanien und Irland haben die Kämpfe gegen die Sparpolitik nicht automatisch zur Entwicklung einer NAP geführt. Dementsprechend können wir davon ausgehen, dass auch in Österreich der Prozess ein längerer ist und wir zuerst mit unterschiedlichen NLFs konfrontiert sein werden. NLFs spiegeln die Radikalisierung meistens nur indirekt wieder, das heißt, dass sie zwar durch die wachsende Politisierung und Radikalisierung von der Arbeiter*innenklasse und Jugend “nach oben gehoben werden” (wie Syriza oder Podemos), aber sich diese Radikalisierung nicht in den Organisationen widerspiegelt, welche dadurch meistens kleinbürgerlich und akademisch geprägt bleiben.  

Natürlich gibt es keine klinische Trennung, doch alle bisherigen Projekte (und mit großer Wahrscheinlichkeit auch die paar nächsten) in Österreich fallen in die Kategorie NLF. Um den Aufbau einer NAP voranzutreiben ist der konkreteste Ansatz für Marxist*innen und Mitglieder einer revolutionären Partei der Aufbau der eigenen, revolutionären Partei, die Teilnahme an Klassenkämpfen und der Aufbau betrieblicher und gewerkschaftlicher Opposition. Die Teilnahme an NLF-Projekten kann wichtig sein, hat aber nicht die gleiche Bedeutung wie der Aufbau der revolutionären Partei und von betrieblicher und gewerkschaftlicher Opposition.

Entwicklungen sind niemals geradlinig und einfach. Nur im Nachhinein werden oft die zentralen Trends deutlich, weswegen wir auch das Bild haben, dass “früher” die politische Arbeit weniger “kompliziert” war. Gerade in Österreich haben wir es mit einer Klasse (und auch einer Mitgliedschaft) zu tun, die kaum größere Kämpfe und Bewegungen erlebt hat. Hier fehlt die Erfahrung und umso wichtiger ist es, aus der Geschichte und internationalen Entwicklungen zu lernen. Wir sehen aber auch eine Entwicklung des Bewusstseins, die stets in Zusammenhang mit der objektiven Entwicklung, den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen steht. Immer mehr Menschen lehnen die Unterwerfung des privaten und sozialen Lebens unter das Prinzip der Profitmaximierung ab. Illusionen in die Rückkehr des Sozialstaats der 70er Jahre oder reformistische „Verbesserungen“ müssen wir mit der Notwendigkeit der bewussten Übernahme der Wirtschaft durch die Produzent*innen und Konsument*innen begegnen. Dies gilt umsomehr, als dass in Teilen der (v. a. gewerkschaftlichen) Linken noch ein statisches Verständnis einer Ideenkonkurrenz von „Keynesianismus“ und „Neoliberalismus“ vorherrscht, das der Dynamik des aktuellen Krisenkapitalismus und Krisenmanagements nicht gerecht wird. Das Vertrauen in Institutionen, Regierung und “das System” schwindet seit längerem und kommt auch nicht wieder zurück. Gerade weil die Arbeiter*innenbewegung und die organisierte Linke schwach ist, brechen Unmut und Protest um verschiedenste Fragen auf, oft auch in verwirrter Form. Bewusstsein entwickelt sich nie linear, sondern immer in Sprüngen und auch mit Rückschlägen. Es ist ein Austesten von Bündnissen und Forderungen, die Erfahrung mit Rückschlägen und Methoden, das Lernen und Entwickeln - ein Prozess, den eine Revolutionäre Partei nicht ersetzen kann, aber begleiten muss.

Die aktuelle Krise birgt Risiken und es ist wichtig, diese zu sehen und uns darauf vorzubereiten. Doch v.a. bringt die Krise Chancen und Verantwortung für uns als Revolutionär*innen und als Partei mit sich. Die Krise der Klasse ist die Krise der Führung - das trifft aktuell auch für die herrschende Klasse zu und erfüllt damit eine der Bedingungen einer revolutionären Situation. Die Revolution steht nicht unmittelbar bevor, doch müssen wir das Bewusstsein dafür stärken, dass die Polarisierung von Revolution und Konterrevolution zunimmt und revolutionäre Entwicklungen und Ereignisse näher kommen - geographisch wie auch zeitlich. Als revolutionär-sozialistische Organisation stehen uns zum aktuellen Zeitpunkt im politischen Kampf gegen all die politischen Fraktionen des Kapitals plus dem rechtsextremen Verschwörungs-Fanatismus nur beschränkte Kräfte zur Verfügung. Unsere Trumpfkarte liegt im sozialistischen Programm, welches die Notwendigkeit von gesellschaftlichem Eigentum, internationaler Planung und echter Arbeiter*innen-Demokratie erklären kann. Dieses müssen wir laufend entwickeln und den jeweiligen Kämpfen und Aufgaben entsprechend ausformulieren, um am Bewusstsein anknüpfen zu können und dieses weiter zu entwickeln. Doch solche Forderungen wie Arbeitszeitverkürzung, Lohnfortzahlung, mehr Geld für den Sozialbereich oder auch “sich an Maschinen anketten” werden – wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen werden – immer unzureichend bleiben, da die Schwere der kapitalistischen Widersprüche nur durch revolutionäre Umbrüche beseitigt werden kann. Gerade wenn es im Zusammenhang mit neuen sozialen und Arbeitskämpfen international und damit in Zusammenhang in einem komplexen Prozess zu einem erneuten Prozess der Bildung von Neuen Linken Formationen oder insbesondere wenn es zur Bildung Neuer Arbeiter*innen-Parteien kommen wird, werden unsere programmatischen Prinzipien und Methoden in der Bewegung an Gewicht gewinnen. Jedem Mitglied muss bewusst sein oder werden, dass wir es hier nicht nur immer mit ernstzunehmenden politischen Gegner*innen zu tun haben, gegen die wir in der Arena sozialer Kämpfe bestehen müssen, sondern auch mit anderen linken und fortschrittlichen Kräften, deren reformistische Ideen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen verkomplizierende Faktoren in diesen Entwicklungen darstellen werden und daher eine umfassende Schulung und Vorbereitung unsererseits darauf nötig machen, um mit einer gefestigten Partei mit Verankerung in der Klasse in die kommende Periode gehen zu können.