Neue „Omikron“-Variante: Eine weitere Warnung, dass der Kapitalismus die Pandemie nicht beenden kann

von Danny O´Rourke, Socialist Party (Schwesterorganisation der SLP und Sektion der "International Socialist Alternativ" in Irland)

Der neue Covid-19-Erregerstamm mit der Bezeichnung B.1.1.529, der in Botswana und Südafrika gefunden worden ist, wird von der WHO als „Omikron“ bezeichnet und als „besorgniserregend“ beschrieben. Einige Expert*innen sprechen von der bislang „schlimmsten“ Variante. Ähnlich wie die Delta-Variante ist der neue Stamm extrem ansteckend.

Auch wenn noch Hoffnung besteht, dass es sich bei „Omikron“ (benannt nach dem 15. Buchstaben im griech. Alphabet) um eine weniger gefährliche Virus-Variante handelt und die vorhandenen Impfstoffe ausreichend stark wirken, so wird es mit Sicherheit auch in Zukunft neue Varianten geben. So lange die weltweite Anwendung der Impfstoffe nicht in demokratisch geplanter Weise stattfindet, wird das auch so bleiben. Denn die Aufhebung aller Impfpatente wäre nötig, damit Generika in die Massen-Produktion und -Verteilung gehen können.

Das momentane Vorgehen, das sich durch wiederkehrende Wellen und eine schlechte Organisation auszeichnet, schafft die besten Voraussetzungen zum Entstehen von Mutationen. Dieser Punkt bei der Kontrolle ansteckender Krankheiten ist von der Medizin schon lange verstanden worden. Unterstrichen werden diese wissenschaftlichen Erkenntnisse noch einmal in einem Forschungsbericht vom letzten Mai, den das US-amerikanische „National Center for Biotechnology Information“ veröffentlicht hat. Darin heißt es:

„Wir haben herausgefunden, dass die Art und Weise, wie bisher bei dem Impfen vorgegangen wird, nicht ausreicht, um der Verschlimmerung der Pandemie vorzubeugen. Das bisherige Vorgehen wird zur Entstehung neuer, noch ansteckenderer Varianten von SARS-CoV-2 beitragen […] Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die Produktion und Verteilung der COVID-19-Impfstoffe zu erhöhen, um die Priorisierungsgruppen der zu Impfenden sowie die Verteilungsstellen auszuweiten.“

Schon im September 2020 wies Dr. Mike Ryan von der WHO auf führende politischen Köpfe aus den Industriestaaten hin, die einer „gerechten und vernünftigen“ Herangehensweise an die Impfpolitik im Wege stehen. Die Socialist Party hat von Anfang an gefordert, die Patente für Impfstoffe aufzuheben und mit der Massenproduktion und -Verteilung von Generika zu beginnen. Permanent fordern wir stärkere Investitionen im Gesundheitssektor und ein demokratisch geplantes Vorgehen zur Bekämpfung der sich wiederholenden Corona-Wellen.

Die Profite der Pharmakonzerne

Wie wir allerdings schon im Fall der Klimakatastrophe sehen, stehen wissenschaftliche Erkenntnisse und menschliche Bedürfnisse im Kapitalismus hinten an, wenn es um Profite geht.

Wenn eine neue Corona-Mutante auftaucht, dann sind es die abhängig Beschäftigten, die an die Front gezwungen werden. Sie tragen wiedermal die Hauptlast des Ganzen, wenn tausende an vermeidbaren Krankheiten sterben. Und wieder sind es die Arbeiter*innenklasse und die Armen, die am härtesten betroffen sind – vor allen die „communities of colour“, Frauen und jungen Leute.

Währenddessen erhalten die Pharmaunternehmen Milliarden an öffentlichen Geldern geschenkt, um neue Impfstoffe zu entwickeln. Größer werden zunächst nur die privat einkassierten Profite. Unter anderen haben Johnson & Johnson sowie Moderna mehr als 2,7 Milliarden US-Dollar erhalten, um ihre Ausgaben zu tätigen. Pfizer bekam 800 Millionen Dollar und erwartet allein für das Jahr 2021 Verkaufserlöse von bis zu 30 Milliarden Dollar. Der Aktienkurs von Moderna ist zwischen März 2020 und März 2021 um schwindelerregende 320 Prozent durch die Decke gegangen.

Sogar bei den beiden Pharmaunternehmen, die ihre Impfstoffe ohne Profitabsicht verkaufen, ist der Aktienkurs in den letzten 12 Monaten angestiegen. Das hat den Aktionär*innen einen Haufen an Geld gebracht, für das sie nicht arbeiten mussten. Für die großen Pharmakonzerne sind Pandemien gut fürs Geschäft.

Kapitalistische Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Welthandelsorganisation (WTO) arbeiten angeblich zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO), um in allen Ländern bis Ende des Jahre das (nicht besonders ehrgeizige) Ziel einer Impfquote von 40% zu erreichen. Allerdings zeigen Prognosen, dass das Ziel wahrscheinlich verfehlt werden wird. Das kann kaum überraschen, da die Priorität von IWF und WTO darauf liegt sicherzustellen, dass die profitorientierte Marktwirtschaft trotz aller Probleme (Corona eingeschlossen) weiterhin „funktioniert“. Die Ausrottung des Coronavirus würde jedoch spürbare Schritte voraussetzen, die der Logik der Marktwirtschaft entgegen ständen.

Der Pandemie ein Ende setzen

Das ist umso frustrierender und tragischer, wenn man bedenkt, dass wir zahlreiche Beispiele für geplante und eben nicht auf den Profit ausgerichtete Ansätze haben, um Epidemien und Pandemien zu überwinden. Erinnert sei nur an die Ausrottung der Kinderlähmung (Polio). Jonas Salk, der Erschaffer des Polio-Impfstoffs, war nicht darauf aus, Profit aus seinen Forschungsarbeiten zu schlagen, weil er die menschlichen Bedürfnisse an die erste Stelle gesetzt hat. Das führte dazu, dass die Produktion und Anwendung des Impfstoffes exponentiell effizienter war, als es im Falle einer Gewinnorientierung gewesen wäre.

Während die vollständige Ausrottung des Coronavirus Jahre in Anspruch nehmen würde, so würde eine rationale und koordinierte Herangehensweise an das Impfen, bei dem die Allgemeinheit über den Profitinteressen steht, die Anzahl der zur Verfügung gestellten Dosen um das Vielfache erhöhen. Das wiederum würde präventiv auf das Entstehen neuer Mutanten wie der Delta- oder nun der Omikron-Variante wirken. Damit wäre ein Ende der globalen Pandemie in Sicht, und Milliarden von Menschen wären vor einer Ansteckung geschützt. Das Leben von Millionen wäre gerettet.

Nötig ist eine konzentrierte Antwort der Arbeiter*innenklasse

Nur wenn die Profitinteressen aus der Gleichung herausgenommen und der Einfluss der großen Pharmakonzerne gestrichen wird, kann die globale Reaktion auf das Virus die Impfraten erreichen, die nötig sind, um die Welt vor Corona zu schützen. Abgesehen von den Milliarden Menschen, die einfach keinen Zugang zu einer Impfung haben, sind Millionen weitere skeptisch, was die Verabreichung des Impfstoffs angeht. Das Misstrauen gegenüber den Pharmafirmen und die schändliche Rolle, die sie einnehmen, wenn sie von Krankheiten profitieren, hat dabei einen nicht unwesentlichen Anteil.

Anstatt punktuell verpflichtende Impfregeln einzuführen, wie in einigen Ländern aktuell der Fall, brauchen wir in den öffentlichen Gesundheitssystemen eine Vorgehensweise, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und demokratischer Kontrolle – ausgeübt durch die Beschäftigten und die Gemeinschaft der Menschen – fußt. Bleibt es bei den auf bestimmte Länder begrenzten Regeln zur Impfpflicht, so spielt das nur der Rechten und anderen gefährlichen Impfgegner*innen in die Hände. Die Produktion von Impfstoffen sollte vom Staat organisiert werden, der die Labore und pharmazeutischen Produktionsstätten übernehmen muss. Das muss einhergehen mit einem Plan zur Herstellung und gleichberechtigten Verteilung der Impfvorräte, die dringend benötigen.

Die Regierungen haben auf globaler Ebene durchweg versagt, wenn es darum geht, mit der Macht der Konzerne zu brechen. Das hat zuletzt die Schönfärberei deutlich zum Ausdruck gebracht, wie sie in Glasgow beim COP26 zu erleben war. Wenn es um die Lösung des Corona-Problems geht, können wir dem kapitalistischen Polit-Establishment nicht vertrauen. Stattdessen müssen die Arbeitnehmer*innen und die jungen Leute sich organisieren und die Kontrolle über die Maßnahmen gegen die Pandemie übernehmen. Eingeschlossen in diesen Prozess müssen die Gewerkschaften und Studierendenvertretungen sein. Sie sollten zum Handeln aufgefordert werden.

Es gibt keinen anderen Weg aus dieser Pandemie – auch nicht aus der Klima-Problematik oder den zahllosen anderen Katastrophen, die der Kapitalismus für unser Leben und unsere Zukunft bedeutet. Eine Alternative ist möglich. Eine Alternative, die auf Solidarität basiert und die den gesellschaftlichen Wohlstand und die Ressourcen nutzt, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen – nicht die Profitgier einer schmarotzenden und reichen Elite.