Musik ist hochpolitisch - Teil 2: Punk

Aufgestaute Wut
Simon Nagy

Anfang der 1970er führte in Großbritannien die Wirtschaftskrise dazu, dass massenhaft Jugendliche nach der Schule keine Ausbildung fanden und infolgedessen auf der Straße landeten, ohne Ausblick auf eine lebenswürdige Zukunft. Als Protest gegen das eindeutig nicht funktionierende System und die steife englische Klassengesellschaft entwickelte sich Punk als Lebensstil von frustrierten englischen Jugendlichen. Die wichtigste Waffe dieser Bewegung stellte Musik dar.
Die erste wirklich bekannte Punkband, die auch außerhalb der Szene für Aufsehen sorgte, waren die 1975 in London gegründeten Sex Pistols. Sie wurden zu dem Aushängeschild für Punk, forderten aber verkürzterweise schlicht Anarchismus als Lösung der sozialen Missstände in England und orientierten sich eher auf individualistisches „Scheiss drauf” als auf Organisierung.
Politisch weitaus interessanter und auch musikalisch einflussreicher sind sicherlich the Clash. Sie waren die ersten bedeutenden Punks, die öffentlich aussprachen, dass sowohl die soziale Problematik, als auch Rassismus in England nur durch Klassenkampf beseitigt werden können. Sie unterstützten marxistische Bewegungen und gaben der bis dahin anarchistisch geprägten Punk-Bewegung ein politisch besser durchdachtes und ausgereifteres Image.
Mittlerweile wurde Punk u.a. durch Bands wie Green Day, Blink-182 und the Offspring in den Mainstream eingegliedert und auch kommerzialisiert. Es gibt ein ganzes Business rund um Punk-Musik und Mode. Im Laufe der Karriere erfolgreicher Punkbands rückte die politische Aussage dann immer weiter in den Hintergrund. Ausverkauf und Opportunismus nagen am rebellischen Image des Punk. So rief zum Beispiel die einflussreiche Polit-Punkband NoFX bei den US-Präsidentschaftswahlen für die Demokraten auf, um Bush zu verhindern. Die Demokraten sind aber alles andere als ein Bollwerk gegen Rechts, sie stimmten dem Irakkrieg zu und beschlossen Bankenrettungspakete auf Kosten der US-Bevölkerung.
Aber es geht auch anders: Die inzwischen ebenfalls ziemlich bekannte, sich als marxistisch bezeichnende Band Anti-Flag benutzt ihren internationalen Erfolg, um in erster Linie junge Menschen dazu aufzurufen, sich gegen die Lügen der Regierung zu wehren, auf die Straße zu gehen und sich zu organisieren, um global gegen die kapitalistischen Missstände zu kämpfen. Als Anti-Flag im Herbst 2009 ein Konzert in Wien spielten, besuchten sie zuvor das besetzte Audimax und erklärten sich mit der Unibrennt-Bewegung solidarisch. Beim Konzert konnte Sebastian Kugler (SLP, siehe Bild) als Vertreter der Unibewegung eine Rede halten.
Insgesamt betrachtet stellt Punk keine revolutionäre Bewegung dar – allerdings durchaus ein wirksames Mittel, um Jugendliche auf musikalischer Basis anzusprechen und zu politisieren. Songs, die bereits aufgestaute Wut über Unterdrückung in Worte fassen, können dabei helfen, aktiv zu werden und „Smash the System” nicht nur zu singen, sondern es auch zu tun.

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