Marx aktuell: Was machen MarxistInnen bei Wahlen?

Helga Schröder

MarxistInnen kämpfen für eine Überwindung des Kapitalismus und damit für eine echte, sozialistische Demokratie. Das Wahlrecht im bürgerlichen Staat wurde hart erkämpft. MarxistInnen verteidigen es, wissend, dass seine Möglichkeiten beschränkt sind. Wahlen sind auch eine Momentaufnahme von Stimmung und Kräfteverhältnis in der Gesellschaft. Die Anarchistin Emma Goldman meinte Wenn Wahlen etwas ändern würden, so wären sie verboten." Doch sich nicht zu beteiligen, bedeutet, den Herrschenden die Bühne völlig zu überlassen. „Wir [..] gehen in das bürgerliche Parlament, um auch von dieser Tribüne des durch und durch verfaulten kapitalistischen Systems den Betrug, der an den Arbeitern und werktätigen Massen verübt wird, zu enthüllen. (W. I. Lenin, Brief an die österreichischen Kommunisten, 1920).

Doch MarxistInnen nutzen Wahlen völlig anders als es bürgerliche Parteien (von SPÖ über ÖVP, Grüne, Neos bis FPÖ) und auch manche „linken“ Projekte tun. Während andere „keine Zeit“ für Proteste und Demonstrationen haben, weil „gerade Wahlkampf“ ist, sind soziale Bewegungen und Kandidatur bei Wahlen für MarxistInnen eine untrennbare Einheit. Wahlzeiten sind Perioden erhöhter Politisierung. Menschen überlegen, wie sie ihre Stimme einsetzen können. Diese Politisierung stärkt soziale Kämpfe. Deshalb kann die Wahlbeteiligung als Stimme und Bühne für eben diese Kämpfe genützt werden. MarxistInnen kommen und wollen also nicht als abgehobene „StellvertreterInnen“ in regionale oder nationale Parlamente, sondern als Teil sozialer Bewegungen. Sie nutzen Wahl und Kandidatur zur Stärkung von Protesten und Arbeitskämpfen. Und sie nutzen Mandate als Bühne und Unterstützung für Klassenkämpfe, deren AkteurInnen sie sind – in- und außerhalb von Parlamenten. So kämpfen MandatarInnen des Komitees für eine ArbeiterInneninternationale (CWI) in Parlamenten, Stadt- und Gemeinderäten unterschiedlicher Länder mit starken Bewegungen im Rücken und mit diesen gemeinsam. Joe Higgins, der "Rote, den man nicht kaufen kann" gewann ein Mandat im irischen Parlament, weil er einer der zentralen Kämpfer gegen unsoziale Wassersteuern war, das Gleiche gilt auch für Paul Murphy. Steve Jolly, sozialistischer Stadtrat in Melbourne/Australien, war führender Teil einer regionalen Kampagne gegen den Bau eines Monstertunnels. Und Kshama Sawant gewann ihr Mandat in Seattle im Zuge der Kampagne für den 15 Dollar Mindestlohn.

MarxistInnen sagen offen, dass Wählen alleine zu wenig und der Druck einer starken, organisierten ArbeiterInnenbewegung nötig ist – Mandate in Parlamenten sind dabei nur ein unterstützender Teil. Deshalb ist jeder Aufruf, uns zu wählen gleichzeitig ein Aufruf, mit uns aktiv zu werden. Wir sagen auch im Wahlkampf, dass wesentliche Errungenschaften für die ArbeiterInnenklasse immer erkämpft, nie in Parlamenten beschlossen wurden (und wenn, dann als Zugeständnis an eine starke Bewegung) und dass Rechte in der bürgerlichen Demokratie ständig unter Beschuss seitens der Herrschenden stehen. Wir vertreten keine WählerInnen in Parlamenten, sondern kämpfen mit ihnen gemeinsam und nutzen Parlamente als Arena des Klassenkampfes (W.I. Lenin, Rede über den Parlamentarismus, 1920). 

 

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