Libyen: Gaddafi muss weg! Es ist ein Kampf bis zum Ende

Massen lehnen ausländische Intervention ab, während erste Städte in Händen der Opposition sind.
Niall Mulholland, CWI (vom 28.2.)

Über das Wochenende hat Muammar al Gaddafi"s Kontrolle mit dem Fall von Zawiyah an die Opposition schwere Rückschläge erlitten. Die Stadt liegt nur 30 Kilometer von der Hauptstadt Tripolis entfernt. Über zwanzig Menschen wurden in dem viertägigen Kampf umgebracht. Die Stadt Zawiyah, Ölhafen und Raffinerie, ist von Gaddafis Armeekräften umstellt, die aber bislang keine Versuche machten, die Stadt zurück zu erobern.

Der zehntägige Aufstand hat bislang zu mindestens 1.000 Toten und tausenden Flüchtlingen geführt. Zehntausende MigrantInnen sind nähe der libysch-tunesischen Grenzen gestrandet.

Andere Städte in Libyen sind in den letzten Tagen in die Hände der Opposition gefallen. Aus Misrata wird berichtet, dass die Opposition am Wochenende einen Gegenangriff des Regimes zurückgeschlagen hätte. Tripolis, dass das Regime teilweise noch im Griff hat, ist zunehmend umzingelt. An den großen Straßen in die Hauptstadt gibt es Panzer und Kontrollpunkte. Doch in der Stadt wird die Situation zunehmend chaotisch und hoffnungslos. Es gibt Schlangen an den großen Läden, um die Vorräte lebensnotwendiger Güter aufzustocken und Banken werden belagert, um Konten zu lehren.

Durch einen letzten bewaffneten Angriff auf Gaddafi"s verbleibende Basis wollen schwer bewaffnete Oppositionskräfte laut Berichten nach West-Libyen marschieren, um sich dort mit Oppositionsmilizen nähe Tripolis zu verbünden. Die Gruppen bestehen größtenteils aus Jugendlichen und ehemaligen Mitgliedern der Sicherheitskräfte, die sich während der heftigen Kämpfe in Benghazi der Opposition angeschlossen hatten. Ein Mitglied der neu verkündeten „Übergangsregierung“ in Bengasi, Ramadan Faitoura, sagte, die bewaffneten Gruppen seien kein Teil eines „offiziellen“ Angriffs auf Tripolis, auch wenn sie die Unterstützung der Übergangsregierung haben.

Gaddafis Tage scheinen gezählt zu sein und sich zu verkürzen, auch wenn der Niedergang des Regimes durch weiteres Blutvergießen begleitet und verlängert werden kann. Ein potentiell großes Hindernis für die Milizen der Opposition ist die traditionelle Hochburg von Gaddafis Familie in der Stadt Sirte, die zwischen Bengasi und Tripolis liegt. Obwohl sich Mitglieder des Militärs und der Sicherheitskräfte in Sirte der Opposition angeschlossen haben, nahm es noch nicht die gleiche Größenordnung wie im Osten des Landes an. Doch diese Unterstützung kann schnell fallen, wenn die größten Stämme der Gegend zu dem Schluss kommen, dass Gaddafi verloren ist.

Tatsächlich kündigen jeden Tag mehr Stämme, ehemalige Gaddafi-Minister, hochrangige Beamte und Diplomaten Gaddafi die Gefolgschaft und stellen sich auf die Seite der Revolution. Armee-Generäle haben sich geweigert Schießbefehle auf DemonstrantInnen zu erteilen und Flugzeuge gegen friedliche Protestierende zu kommandieren.

Gaddafi"s letzte Reden zeigen einen Diktator, der die Kontrolle verloren hat. Er mischt blutige Drohungen mit anti-imperialistischen Phrasen und Teile und Herrsche Taktiken, wo er manchen Stämmen viel Geld und Land verspricht. Alles scheitert. Trotz seiner manchmal „revolutionären“ Rhetorik und den Veränderungen, die es seit dem Putsch 1969 gegeben hat, stellte Gaddafi sicher, dass die Kontrolle in seinen eigenen Händen liegt und damit auch sein luxuriöser Lebensstil und Reichtum sowie jener seiner Kinder.

Die westlichen Regierungen, die spüren welches Ende der Kampf in Libyen nehmen wird, beenden schnell öffentlich ihre Packeleien mit dem brutalen Gaddafi-Regime. Sie nutzen ihre frühere Feindschaft mit Gaddafi, um sich selbst auf der Seite des „Volkes“ stehend zu präsentieren. Etwas, was sie in Bezug auf die halbfeudalen Regime in Saudi-Arabien und den Golfstaaten nicht tun. Die Imperialisten drängeln sich um den Einfluss auf das Regime nach Gaddafi, um den lukrativen und privilegierten Zugang der westlichen Konzerne zu Libyens Ölfeldern zu gewährleisten und die imperialistischen Interessen in dieser geostrategisch lebenswichtigen Region zu sichern. Insbesondere die USA ist in Panik, dass die Ereignisse in Libyen im ölreichen Saudi-Arabien nachgeahmt werden könnten, wo die Jugend für den 11. März zum Tag der „Revolution“ aufruft.

Imperialismus schlägt andere Töne an

Westliche Herrschende haben mit großer Verspätung entdeckt, dass sie ernsthafte Bedenken über die fehlende Demokratie in Libyen haben und den Diktator aufgefordert zurückzutreten. Der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon verkündete, die Sanktionen des UN-Sicherheitsrates wären verhängt worden, zur „Beschleunigung des Prozess des Übergangs zu einem neuen Regierungssystem.“ Sogar Gaddafi"s guter Freund, Italiens Premierminister Berlusconi, hat seinen Außenminister angewiesen das „Freundschafts-Abkommen“ von 2008 defakto zu beenden, das eine „Nicht-Angriffs“-Klausel enthält.

Berichten zufolge hat Gaddafi drei Milliarden Pfund nach Britannien transferiert. Letzte Woche hat die Cameron-Regierung die Einlagen vom libyschen Diktator und seiner Familie eingefroren. Britische Beamte sollen auch MitarbeiterInnen des libyschen Staates kontaktiert und ihnen geraten haben sich abzusetzen, damit das Regime kollabiert, statt bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen.

Unter dem Deckmantel der „humanitären“ Hilfe, fordern einige westliche PolitikerInnen eine Flugverbotszone über Libyen und sogar eine militärische Intervention in Libyen und Saudi-Arabien, wenn hier auch eine Massenrevolte ausbricht. Die USA hat sich öffentlich hinter anti-Gaddafi Gruppen in Ost-Libyen gestellt.

Unter den libyschen Massen, die sich ihrer Geschichte des Kolonialismus sehr bewusst sind, gibt es Ablehnung einer weiteren imperialistischen Intervention in der Region. „Trotz der großen Opfer, die sie jeden Tag bringen, lehnen die Libyer eine ausländische Intervention vollkommen ab, selbst wenn sie für ihre Verteidigung und ihren Schutz ist.“ schreibt der libysche Autor Mahmoud Al-Nakou (Guardian 28/02/11). „Das Volk ist unerbittlich, dass diese Revolution ihre ist, ihre allein.“

Berichte aus Zawiyah zeigen weite Unterstützung für den Aufstand und strafen Gaddafis Propaganda Lügen, dass die Rebellen nur drogenabhängige Jugendliche und ausländische Al-Qaida Kämpfer wären. „...es waren die Menschen dieser Stadt … die DoktorInnen und TechnikerInnen, örtliche Jugendliche und alte Menschen...“ berichtet der Guardian (28/02/11).

Verschiedene „Nachbarschaftskomitees“ und „Ältestenräte“ wurden in Bengasi, Musrata und Zawiyah gegründet, um „die Ordnung wieder herzustellen“ und die Oppositionskräfte, welche die östlichen Städte kontrollieren, haben einen „Nationalen Rat“ gegründet in der Erwartung, dass Tripolis fällt.

Der ehemalige Justizminister, Mustafa Abdel-Jalil, kündigte an, den Vorsitz einer Übergangsregierung zu übernehmen und suggerierte, er hätte die Unterstützung der USA. Westliche PolitikerInnen wiederholend, sagte er außerdem, dass eine Übereinkunft mit Gaddafis Söhnen erreicht werden könnte.

Obwohl Mustafa Abdel-Jalil"s Kommentare unter anderen Oppositionskräften umstritten sind, wollen sie ihn in eine Übergangsregierung einbeziehen. Das sollte eine Warnung an die libyschen Massen sein: Ihre Revolution könnte geraubt werden, durch Überbleibsel des Gaddafi-Regimes, bürgerliche Oppositions-„Führer“, reaktionäre Stammesführer und durch imperialistische Interessen.

Komitees entscheidend

Damit die Revolution ihre Ziele erreichen kann - wirkliche demokratische Rechte und eine Umgestaltung des Lebensstandards – braucht es demokratisch gewählte Komitees in Nachbarschaften, Betrieben und Schulen, die wirklich die Interessen der Masse der Arbeitenden, Jugendlichen und Armen repräsentiert und auf lokaler, regionaler und landesweiter Ebene verbunden sind. Komitees im Staatsapparat aufzubauen ist ebenso entscheidend. In dem sie demokratische Forderungen und Forderungen, die einen anständigen Lebensstandard garantieren, kann so eine Bewegung an die Massen von Tripolis appellieren, gegen Gaddafis letzte Hochburg aufzustehen.

Unter demokratischer Kontrolle bewaffnete Massen können sich selbst gegen Gaddafis Kräfte verteidigen, auf seine letzten Festungen von Unterstützung marschieren und den Diktator und sein ganzes Regime wegfegen und damit verhindern, dass das Land wieder unter ausländische Kontrolle fällt.

So eine Bewegung würde unmittelbar volle demokratische Rechte einführen und Wahlen zu einer revolutionären Verfassungsgebenden Versammlung durchführen. Eine Regierung, welche die Interessen der ArbeiterInnen und kleinen Bauern repräsentiert, würde die Ölfelder in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung übernehmen. Das würde sicherstellen, dass die gewaltigen natürlichen Ressourcen des Landes der Mehrheit der Bevölkerung dienen und nicht einer Elite herum um die korrupte Gaddafi-Familie und um multinationale Konzerne.

Um das sicherzustellen, müssen Massenorganisationen der ArbeiterInnenklasse formiert werden, unabhängige Gewerkschaften und Massenarbeiterparteien mit sozialistischem Programm. Solche Massenorganisationen der ArbeiterInnenklasse würden nicht nur Gaddafi und die Überbleibsel seines Regimes bekämpfen sondern alle pro-kapitalistischen und reaktionären Kräfte in Libyen und den sich einmischenden Imperialismus.

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