LehrerInnenstreik in Brasilien

Mit mehr als zwei Monaten Streik konnten die LehrerInnen in Rio de Janeiro einen Teilsieg erzielen.
Mariana Cristina, CWI-Brasilien

Es war der größte Streik im Bildungsbereich der letzten 20 Jahre. Mehr als 80 % des Bildungswesens waren lahmgelegt. Die LehrerInnen forderten Gouverneur Cabral mit Demonstrationen und Unterstützung der Bevölkerung heraus. Mit Erfolg: Die GemeindelehrerInnen konnten 15 % Lohnerhöhung erkämpfen, die BundeslehrerInnen 8 %. Erst im Juni wurde Brasilien von einer Massenbewegung erschüttert. Seitdem gab es für die herrschende Klasse keine Atempause. Im Juli/August fanden zwei bundesweite von der Gewerkschaft organisierte 24-Stunden Aktionstage mit Streiks und Straßenblockaden statt. Es gab eine Reihe von Streiks, um Lohnfragen und Arbeitsbedingungen, u.a. bei der Post und im Bankensektor. Im Moment kämpfen im wichtigsten Streik seit 1995 die ÖlarbeiterInnen gegen die Privatisierung von Ölfeldern in Libras.

Die Situation der BundeslehrerInnen ist sehr schlecht. Es sind mehr als 40 SchülerInnen in einer Klasse. Viele LehrerInnen verdienen so wenig, dass sie an mehreren Schulen arbeiten müssen. Hauptforderungen sind daher u.a.: das Recht, an nur einer Schule zu arbeiten, Reduktion der Klassenschülerhöchstzahlen, 19 % Lohnerhöhung (um die Lohnverluste der letzten Jahre wettzumachen), Wahl der DirektorInnen, Schluss mit dem leistungsbasierten Entlohnungssystem und die Garantie, dass ein Drittel der Arbeitszeit für Vorbereitungszeit verwendet werden kann. Im Fall von Rio fordert SEPE (die Bildungsgewerkschaft) die Rücknahme der Verschlechterungen des Gehaltsschemas, die der Gemeinderat trotz der Proteste Tausender beschlossen hat. In diesem Kampf haben LehrerInnen – Mitglieder von LSR – die Aktionsplattform „Luta Educadora“ initiiert., die in den Betriebsversammlungen oft eine Mehrheit gegen Versuche der Gewerkschaftsführung, den Streik zu beenden, gewann. Obwohl diese Gewerkschaft von der Linken (Teile von PSOL und den Morenoisten der PSTU) angeführt wird, gibt es eine starke Bürokratie. Insgesamt erreichten LSR und „Luta Educadora“ hohe Popularität.

Der Kampf der LehrerInnen hat die Herrschenden kalt erwischt. 86 % der Bevölkerung stimmen dem Streik zu. Die Aktionen wurden größer, mit wöchentlichen Demonstrationen von 20.000 Menschen – und der 50.000 starken Demonstration vom 7.10. Repression hat die Solidarität nur weiter befeuert. Am 15.10. demonstrierten 100.000 Menschen und füllten die Avenida Rio Branco. Bei dieser Demonstration war die Polizeirepression immens. 200 Menschen wurden aufgrund eines neuen Gesetzes verhaftet, das härtere Strafen für DemonstrantInnen vorsieht. Die Häuser von AktivistInnen wurden durchsucht und Computer beschlagnahmt. Kriminalisierung sozialer Bewegungen ist eine alte Strategie von Gouverneur Sergio Cabral. Er war mit 66 % gewählt worden – hat aber in Umfragen jetzt nur noch 12 %. Er ist wegen seiner harte Linie und Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitswesen berüchtigt. Die Angriffe auf die Bevölkerung waren mit ein Auslöser der Proteste im Juni. Cabral musste einige Maßnahmen zurücknehmen. Der Gemeinderat von Rio war über Wochen von Protestierenden besetzt worden. Tägliche Demonstrationen forderten Cabrals Absetzung. Occupy Cabral, ein Protestcamp vor dem Rathaus, wurde von der Polizei schließlich gewaltsam entfernt. Die politische Krise der Cabral-Regierung vertieft sich nicht zuletzt durch die Repression weiter.

Aufgrund der Trennung zwischen Bundes- und GemeindelehrerInnen war der Streik nicht einheitlich und begann gegen Ende an manchen Stellen zu bröckeln. Die jetzige Einigung im Bildungssektor hat zwar nur einen Teil der Forderungen erfüllt und nicht die vollen 19 % erreicht – dennoch ist es eine Verbesserung. Auch Strafmaßnahmen gegen LehrerInnen, wie etwa mögliche Strafen von bis zu 100.000 Dollar, wurden zurückgenommen. Stattdessen wird nun über weitere Verbesserungen verhandelt. Das zeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen. Klar ist, dass mit einer klaren Kampfstrategie und einer kämpferischen Gewerkschaftsführung mehr möglich gewesen wäre. Aber der Streik brachte eine Schicht neuer AktivistInnen hervor, die wichtige Rollen spielen werden. Im nächsten Jahr wird es nicht ruhiger werden: Die Bewegung während des Confederations Cup war nur ein Vorbote auf Kämpfe, die die WM 2014 erschüttern könnten. Sie werden den Widerspruch zwischen der Illusion eines wohlhabenden Brasiliens und der Realität des Lebens der ArbeiterInnenklasse und Armen weiter offenlegen.

http://www.lsr-cit.org/

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