Landtagswahlen in Deutschland läuten Ende von Merkel ein

Warum die Grünen mehr zulegen als DIE LINKE
Claus Ludwig

Die Landtagswahlen sind eine Misstrauenserklärung gegenüber Merkel und ihre SPD-Gefolgschaft. 22,2 Prozentpunkte verlieren die Parteien der Berliner Koalition in Hessen, 21,4 in Bayern. Bemerkenswert ist, dass diese Wahlrebellion gegen die Regierung in einer Phase ökonomischen Wachstums stattfindet, bei steigender Beschäftigung. Das drückt aus, dass es vielen Menschen trotzdem nicht besser geht, aber es scheint auch , als ahnten viele Wähler*innen schon kommende Krisen.

Die Etablierung der AfD auf hohem Niveau setzt sich in Bayern und Hessen fort, ohne spektakuläre Erfolge für die Rechtspopulisten. Ihr permanenter Aufstieg scheint erst einmal gebremst. Gleichzeitig wird mit jeder Wahl klarer: die AfD wird so schnell nicht verschwinden. Sie wird nur zurück gedrängt werden können, wenn sich eine politische Alternative entwickelt, die ihr den Nimbus der einzigen wirklichen Anti-Establishment-Kraft nimmt und wenn Rassismus in der Gesellschaft durch gemeinsame soziale Kämpfe von Deutschen und Nichtdeutschen zurückgedrängt wird.

Hauptgewinnerin sind die Grünen. Ihnen gelingt der Spagat, sich im bürgerlichen Lager als eine liberale Alternative zu den immer wieder nach rechts zuckenden CDU und FDP darzustellen und von der CDU sowie der SPD massiv Stimmen zu gewinnen.

Der Versuch der Union, den eigenen rechten Rand durch das Kopieren der AfD einzubinden, ist in Hessen zum x-ten Mal gescheitert, das Original zieht stärker. Der Zuwachs der AfD in den westlichen Bundesländern kommt zu großen Teilen von CDU und CSU.

Die Ankündigung von Angela Merkel, nicht mehr als CDU-Parteivorsitzende zu kandidieren, ist das Eingeständnis, dass ihre Regierung keine Zukunft hat. Das gilt auch wenn die GroKo nicht unmittelbar zu Fall gekommen ist. Ob Merkel aber bis 2021 Kanzlerin bleiben kann, ist fraglich. Vieles spricht dafür, dass spätestens mit den Landtagswahlen 2019 in Ostdeutschland die nächsten Erschütterungen einschlagen werden.

Als Kandidat*innen für den CDU-Vorsitz wurden innerhalb weniger Stunden nach Merkels Ankündigungen die Namen von Annegret Kamp-Karrenbauer, Friedrich Merz, Armin Laschet und Jens Spahn genannt. Die Wahl von Spahn und noch mehr von Merz würden einen Rechtsruck der CDU symbolisieren. Eine Rechtsverschiebung an der CDU-Spitze kann zur Bruchstelle mit der SPD werden.

This is the End

In den Köpfen der sozialdemokratischen Parteiführung laufen die Synapsen heiß: Springen oder im brennenden Haus bleiben und auf Rettung warten? Suizid oder Warten auf den Todesstoß von außen?

Die Parteivorsitzende Andrea Nahles hatte sich am hessischen Wahlabend entschlossen, den Rauch in der SPD als gemächlichen Schwelbrand zu interpretieren und nicht zu springen. Man wolle bis zur „Halbzeitbilanz“ – bis irgendwann 2019 – abwarten, ob die GroKo irgendetwas Politikähnliches auf die Reihe und kommuniziert bekomme. Man werde das Schicksal der SPD nicht „in die Hände“ von CDU und CSU legen, meinte Nahles. Ist auch gar nicht nötig, die SPD ist schon längst abhängig von den Irrungen der Union.

Nahles‘ Vorgehen ist genauso klug oder dumm wie der sofortige Ausstieg aus der GroKo mit anschließenden Neuwahlen. Die SPD kann unmittelbar nur verlieren. Allerdings bleibt offen, ob der Rest der Führung das genauso sieht. In der SPD ist nichts ausgeschlossen. Die unendliche Treue der Partei zu Staat und Kapitalismus ließ sich an der Mehrheit der Basis für die GroKo Anfang dieses Jahres ablesen. Die sind glatt in der Lage, immer so weiterzumachen, bis bei den ersten Landtagwahlen die Fünf-Prozent-Hürde droht. Ebenso ist es möglich, dass Teile der Führung jetzt auf die Bremse treten, Nahles von der Spitze verdrängen und ein Neuwahlen-Desaster riskieren, in der trügerischen Hoffnung, mittelfristig wieder auf die Füße zu kommen. Dann stünden FDP und Grüne wohl bereit, um eine Jamaika-Koalition zu bilden, wahrscheinlich unter der Bedingung, dass Merkel auch als Kanzlerin abtritt.

Die SPD folgt den Schwesterparteien auf europäischer Ebene. In Griechenland, Italien, Frankreich, Niederlande und Belgien sind die traditionsreichen Sozialdemokratien auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit oder längst dort angekommen. Auch andere etablierte Parteien wie Christdemokraten und Konservative sind geschwächt, aber ihre Krise ist in der Regel noch nicht final.

Die Sozialdemokratie wird zerrieben zwischen ihrem historischen Erbe und dem daraus resultierenden Anspruch, die Interessen der Arbeiter*innenklasse zu vertreten und der Realität, bei allen kapitalistischen Sauereien, allen Angriffen auf die Arbeiter*innenklasse mitgemacht, dabei oft in erster Reihe gestanden und „Hurra“ gerufen zu haben.

Sie haben den Lohnabhängigen nicht nur Geld gestohlen, sondern sie dabei entwürdigt und zunächst jeder Alternative beraubt. Jedes Wahlplakat der SPD, auf dem „Bezahlbarer Wohnraum“ oder „Soziale Gerechtigkeit“ gefordert wird, wirkt wie eine Provokation, schlimmer, als wenn andere Parteien dasselbe sagen. Der CDU nimmt man das ohnehin nicht ab, bei den Grünen denken viele „mal gucken“ und bei der LINKEN „haben eigentlich Recht, aber ich weiß nicht so genau, ob sich die Wahl lohnt.“ Bei der SPD denken viele nur „Verarscht uns jetzt nicht auch noch.“

Die totale Selbstaufgabe der Sozialdemokratie hat, neben der Kampfesverweigerung der oft mit ihr verbundenen Gewerkschaftsführung, den Boden bereitet, auf dem die Rechtspopulisten gedeihen konnten. Gerade die Gewerkschaften könnten den Unterschied machen. Sie sind Massenorganisationen mit deutschen und nicht-deutschen Mitgliedern aller Hautfarben und Religionen. Sie könnten helfen, Vorurteile abzubauen, aber vor allem die sozialen Ursachen des Aufstiegs der Rechtspopulist*innen wirksam bekämpfen – durch Aufklärungskampagnen und gemeinsame Streiks für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich.

Manche hoffen auf einen Corbyn-Effekt in der SPD. Aber weder gibt es eine mit Jeremy Corbyn vergleichbare Person in der SPD, noch sind die Ausgangsbedingungen vergleichbar. Corbyn wäre in Deutschland schon lange Mitglied der LINKEN. Sein Aufstieg basiert teilweise auf Besonderheiten des britischen Wahlsystems, die das Entstehen einer Wahlalternative links von Labour stärker blockiert haben als in anderen Ländern. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine linke Strömung in der SPD entsteht, ist deutlich geringer als auf der Insel. Der weitere Niedergang der Sozialdemokratie ist daher die wahrscheinlichste Perspektive.

Stärkung der Grünen

In der Diskussion innerhalb der Linken wird die Stärkung der Grünen oftmals einseitig als Stärkung kleinbürgerlicher Ideen beschrieben. Das ist angesichts der tatsächlichen Politik der Grünen verständlich, denn diese bieten der Union weitere taktische Möglichkeiten, regieren mit und machen eine genauso unsoziale Politik wie die anderen etablierten Parteien.

Doch diese Wahrnehmung ist oberflächlich. In Zeiten ohne größere Klassenkämpfe und ohne eine breit verankerte Arbeiter*innenpartei bleibt den Lohnabhängigen kaum etwas übrig, als überwiegend bürgerliche und kleinbürgerliche Parteien zu wählen. Alle Parteien von Grüne bis AfD werden auch von Lohnabhängigen gewählt. Nur eine Minderheit von ihnen wählt DIE LINKE. Der bürgerliche Charakter der grünen Partei beantwortet demnach nicht die Frage, aus welchen Motiven sie gewählt wird.

Sie profitieren derzeit davon, dass sie Stimmen aus allen Richtungen bekommen. Unstrittig dürfte sein, dass Teile der Mittelschichten mit bürgerlichem Politikverständnis als liberale, weltoffene Alternative zu CDU/CSU und FDP sehen. Auf dieser Grundlage konnten sie in den ländlichen Regionen Bayerns, Baden-Württembergs und Hessens punkten. Interessanter ist, dass die Grünen von der politischen Polarisierung nach links profitieren.

In den letzten Jahren haben wir nicht nur den Aufstieg der AfD, rassistische Gewalt und Aufmärsche erlebt, sondern auch massive Gegenreaktionen. 242.000 bei #unteilbar in Berlin, mehrere Zehntausender-Demos gegen rechts in Bayern, 65.000 beim Konzert in Chemnitz, unzählige örtliche antirassistische Demonstrationen, organisierte Flüchtlings-Solidarität in jeder Stadt – es haben sich auch linke Ideen entwickelt, die auf politischer Ebene nur verzerrt ausgedrückt werden.

Diese Polarisierung findet statt, während die sozialen Kämpfe auf einem niedrigen Niveau sind, die Selbstaktivität der Arbeitenden nur schwach entwickelt ist. Auch wenn Mietenexplosion und Pflegenotstand viele Menschen beschäftigen und Proteste ausgelöst haben, waren es keine wahlentscheidenden Themen. Die Polarisierung zwischen links und rechts erscheint vordergründig als „Wertefrage“, als ginge es nur um „weltoffen“ gegen reaktionär, flüchtlingsfreundlich –oder feindlich.

In dieser Situation tritt die unsoziale Praxis der Grünen in den Hintergrund. Sie erscheinen vorübergehend als stärkste Kraft links der Union und profitieren damit von den fortschrittlichen, aber teils von der Klassenfrage abgekoppelten Stimmungen vor allem bei Angestellten und akademisch gebildeten Schichten in den Großstädten, in hohem Maße bei der Jugend (26 Prozent) und bei den Frauen (22 Prozent). Die Grünen sind bei den Hessen-Wahlen die Partei der jüngeren Frauen in den Städten. Darunter dürften sowohl Gewinner*innen des ökonomischen Aufschwungs sein als auch Frauen in prekären Verhältnissen im Dienstleistungssektor oder in Berufen mit hohem Arbeitsdruck im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich.

Ökologische Frage

Längst ist die Umweltfrage in vielen Köpfen präsent. Hitzesommer und Klimaentwicklung, die Proteste am Hambacher Forst, der Diesel-Skandal und der Verkehrskollaps in den Städten – das steht „offiziell“ nicht im Vordergrund, aber die Notwendigkeit radikaler Änderungen bei Energie und Verkehr beschäftigen immer mehr Menschen – und führen zu einem mittelfristigen Trend, der den Grünen nutzt. Die Schichten der Bevölkerung, auch der Lohnabhängigen, die auch nur ahnen, wie bedeutungslos die Flüchtlingszahlen im Vergleich zur ökologischen Katastrophe sind, auf die der Planet zurast, treffen zunächst auf die Grünen.

Zu Recht sagt die LINKE: „Wer grüne Politik will, muss rot wählen“. Denn die Grünen machen in der Praxis nicht die ökologische Politik, die auf ihren Fahnen steht. Sie haben in Hessen die Erweiterung des Frankfurter Flughafens durchgewinkt. Sie haben den Hambacher Forst zur Rodung freigegeben. Doch anders als die SPD, deren mehrfacher historischer Verrat an der Arbeiter*innenklasse allgemein anerkannt ist, haben die Grünen weder ihre „Kriegskredite“ noch ihr „Hartz IV“ bezüglich der Ökologie erlebt. Sie gelten in dem Bereich immer noch als glaubwürdig. Das gilt besonders für die Wähler*innen zwischen 18 und 24, die mit 26 Prozent die Grünen zur stärksten Partei in dieser Altersgruppe gemacht haben.

Besonderheit Landtagswahlen

Die Landtagswahlen begünstigen die Grünen in zweierlei Hinsicht gegenüber der LINKEN. Erstens wählen viele im Land pragmatischer im Bund. Es zählen weniger die grundlegenden Überzeugungen und mehr die Frage, welche Partei realistisch an die Regierung kommen kann, um ihre Ziele umzusetzen. Viele Wähler*innen geben sich im Land mit der Hoffnung auf kleinere Verbesserungen zufrieden und lassen ihre Grundsätze außen vor. Das hat neben anderen Faktoren mit dazu geführt, dass DIE LINKE in NRW und Bayern den Einzug in den Landtag verpasst hat. In Hessen, wo ihr erneuter Einzug als gesichert galt, war es ein Faktor, der das Wachstum begrenzt und verhindert hat, dass die Partei stärker von der Krise der SPD profitiert.

Zudem hat DIE LINKE traditionell Schwierigkeiten, ihre Wähler*innen zu Wahlen unterhalb des Bundes zu mobilisieren. Ein Teil der linken Wählerschaft hält diese Wahlen für nicht wichtig genug.

Situation der LINKEN

DIE LINKE legt in Bayern und Hessen zu, angesichts der dramatischen Verluste für die Sozialdemokratie aber in einem viel zu geringem Ausmaß. Ein unmittelbarer Faktor dafür ist die Rolle von Sahra Wagenknecht in der Debatte um Migration und die Gründung der Sammlungsbewegung „aufstehen“. Das hat die Verwirrung, wie es mit der LINKEN weiter geht und wofür sie genau steht, verstärkt. Die Grünen konnten sich als konsequenteste Kämpfer*innen für Flüchtlingsrechte darstellen, weil die Position der LINKEN durch Wagenknechts Querschüsse unklar ist. Das ist ein Grund, warum DIE LINKE ihr Potenzial nicht ausschöpft und nicht einmal die in Umfragen prognostizierten acht Prozent in Hessen bzw. fünf Prozent in Bayern erreicht hat.

Die Ursachen für die jetzigen Ergebnisse liegen aber in den versäumten Chancen der Vergangenheit, sie liegen in der bundesweiten Wahrnehmung der Partei und nicht im hessischen (oder bayrischen) Landesverband. Statt als kämpferische Alternative aufzutreten, hat DIE LINKE sich in den letzten Jahren als parlamentarische Ergänzungspartei zu SPD und Grünen präsentiert. In Ostdeutschland beteiligt sie sich an Landesregierungen, die keine grundlegend andere Politik eingeleitet haben, mit dem Ergebnis, dass sich die Rechtspopulisten als einzige Anti-Establishment-Kraft darstellen konnten. Die Stimmenzahlen im Osten sind deutlich eingebrochen. Das ist Ausdruck eines doppelten Glaubwürdigkeitsproblems der Partei: zum einen aufgrund ihrer Regierungspraxis, zum anderen weil sie in den Augen vieler Menschen immer noch nicht eine ausreichend klare Abgrenzung zum politischen System der DDR einnimmt.

In dem Zusammenhang muss gesagt werden, dass die Avancen der hessischen LINKE-Führung an SPD und Grüne in den letzten Wochen des Wahlkampfs ein Fehler waren. Ob sie große Auswirkungen in die eine oder andere Richtung für das Wahlergebnis hatten, ist unwahrscheinlich, da den meisten Wähler*innen diese Option ohnehin als unrealistisch galt. Sie verstärken das Gesamtbild der LINKEN als Regierungspartei im Wartestand, selbst wenn der hessische Landesverband nicht so agiert. Außerdem stellen solche Äußerungen SPD und Grünen das Label aus, links zu sein und haben möglicherweise den Grünen eher geholfen.

In Westdeutschland ist die Partei jünger, aktivistischer, in vielen Bewegung präsent, wird von den dort Aktiven positiv wahrgenommen. Wo sie eine stärkere Verankerung hat, vor allem in den Städten, gewinnt sie sogar deutlich. In armen, aber jungen Vierteln wie Kassel-Nord (Holland) wurde sie sogar stärkste Partei. Das deutet auf das Potenzial hin, das aber bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Es zeigt auch, wie sehr Wahlerfolge mit Verankerung in der Bevölkerung zusammen hängen.

Diese wiederum hängt mit dem Aufbau einer starken und aktiven Parteiorganisation vor Ort zusammen. Eine solche entwickelt sich da, wo DIE LINKE nicht vor allem auf Parlamentsarbeit setzt, sondern an den sozialen Kämpfen und Bewegungen, an betrieblichen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen dran ist, diese unterstützt und voran treibt und die politische Verbindung zwischen verschiedenen Bewegungen herstellt. Die Pflege- und der Mietenkampagne ist dafür ein guter Ansatz, der aber ausgebaut werden müsste.

Die Kritiker*innen, die von einer Stagnation der LINKEN reden, haben in der Sache Unrecht. Die Partei ist im Westen gewachsen und sie verliert im Osten, hat neue Mitglieder und Aktive gewonnen und bei Wahlen im Westen zugelegt, teilweise deutlich, teilweise bescheiden. Das ist auch Ausdruck der unterschiedlichen politischen Ausrichtung der Partei in Ost und West. Daraus sollten alle nötigen Schlussfolgerungen gezogen werden.

Es ist bei aller Anerkennung des engagierten Wahlkampfes allerdings nicht richtig, wenn die Fraktionsvorsitzende in Hessen, Janine Wissler, von einem „großartigen Ergebnis“ spricht oder wenn der Parteivorsitzende Bernd Riexinger sich im Stil parlamentarischer Routine am Wahlabend äußert, man hätte prozentual zugelegt, demnach wäre das ein Erfolg.

Das klingt wie Schönreden angesichts der historischen Krise der Sozialdemokratie, den allgemeinen Auf- und Ab-Bewegungen im Parteiensystem und der Etablierung einer rechtspopulistischen, rassistischen Partei mit über zehn Prozent in jedem Bundesland. Viele Mitglieder und linke Aktivist*innen spüren, dass DIE LINKE Gefahr läuft, ins Hintertreffen zu geraten, wenn der sich neu auftuende politische Raum von Rechtspopulist*innen und anderen gefüllt wird.

Die linke Parteispitze sollte die dramatischen Verschiebungen zur Kenntnis nehmen. Statt einem Schönreden der Ergebnisse sollte die Führung der LINKEN ein anderes Signal aussenden: sie sollte offen sagen, dass diese Entwicklung nicht zufriedenstellend ist. Gleichzeitig kann die Partei selbstbewusst darstellen, dass sie dort zulegt, wo die Partei ein kämpferisches Profil hat. Die Schlussfolgerung muss sein: weiter ran an Kämpfe und Bewegungen, klare Abgrenzung vom bürgerlichen Establishment, klare Kante gegen Rechts und keine Regierungskoalitionen mit SPD und Grünen.

Mit dieser Mischung aus ehrlicher Analyse ohne nerviges Politikergequatsche, einer Kampfansage an alle etablierten Parteien und einer Bekräftigung der Orientierung auf soziale Bewegungen würde DIE LINKE an solch einem Wahlabend besser fahren.

Der Niedergang der SPD wird weitergehen. Die Grünen werden ihre derzeitige Unterstützung angesichts der Realität ihrer Regierungsarbeit – möglicherweise auch bald per Jamaika im Bund – nicht halten können. Es besteht die Gefahr, dass im Zuge der kommenden wirtschaftlichen Verwerfungen eine „italienische“ Situation entstehen, mit einer diskreditierten Linken, in der die Rechtspopulisten die Unzufriedenheit weiter nach rechts kanalisieren können . Noch kann eine solche Situation verhindert werden. Die Bedingungen zum Aufbau der LINKEN werden sich in Zukunft wieder massiv verbessern. Darauf muss sich die Partei vorbereiten, indem sie jetzt schon alle Möglichkeiten nutzt und klare Kante sowohl gegen das bürgerliche, auch rot-grüne, Establishment und gegen Rassismus und Rechtspopulismus zeigt.